MELANCHOLIA:

Der neue Film von des d�nischen Enfant terrible Lars von Trier besteht (nach einem wundersch�nen 10-min�tigen Prolog zu Musik von Richard Wagner) aus zwei Teilen. Der erste Teil hei�t "Justine" und zeigt die Hochzeitsfeier dieser Justine (Kirsten Dunst, neuerdings �brigens auch mit deutscher Staatsb�rgerschaft) mit dem gutaussehenden und charmanten Michael (Alexander Skarsgard alias Eric Northman aus "True Blood"). Die pomp�se, von einem teuren Hochzeitsplaner (Udo Kier) ausgerichtete Feier wird auf dem mond�nen Landsitz von John (Kiefer Sutherland), dem stinkreichen Mann von Justines �lterer Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg), ausgetragen und soll eigentlich ein perfekter Tag f�r das Brautpaar werden. Doch von Beginn an zeigen sich kleine Risse - und da Justine unter ernsthaften Depressionen leidet, kann letztlich auch dieser vermeintlich gl�cklichste Tag in ihrem Leben ihren Gem�tszustand nicht dauerhaft �berdecken und so endet die Hochzeitsfeier in einem Debakel.
Der zweite Teil namens "Claire" spielt etwas sp�ter, als Justine bereits so von ihren Depressionen gel�hmt wird, da� sie nicht mehr selbst�ndig leben kann und deshalb von der Familie ihrer Schwester auf dem gleichen Landsitz, auf dem die Hochzeitsfeier so grandios scheiterte, aufgenommen wird. F�r zus�tzliche Spannungen sorgt der Planet Melancholia (die Betonung liegt �brigens auf dem "i"), der f�r die Menschheit lange Zeit unsichtbar, da hinter der Sonne "versteckt", unser Sonnensystem durchquert, dabei einige Planeten nur knapp verfehlte und nun auch hauchd�nn die Erde passieren soll. Doch Justine ist sich absolut sicher, da� Melancholia die Erde treffen und alles Leben zerst�ren wird - und w�hrend ihre Schwester es zunehmend mit der Angst zu tun bekommt, als der fremde Planet am Horizont immer gr��er wird, scheint Justine ihre Depression beinahe zu �berwinden und immer ruhiger zu werden ...

Vom "Dogma"-Prinzip, das Lars von Trier gemeinsam mit Thomas Vinterberg ("Das Fest") und einigen anderen d�nischen Regisseuren Mitte der 1990er Jahre festschrieb und das u.a. den vollst�ndigen Verzicht auf jegliche Art von Spezialeffekten, k�nstlichem Licht, Requisiten u.�. forderte, hat er sich mit "Melancholia" weit entfernt. Der k�nstlerischen Qualit�t des Films hat das aber keineswegs geschadet. Denn "Melancholia" ist ein beeindruckender Film, keine Frage. Ein Film, in dessen Zentrum das Thema "Depression" steht und da sowohl Regisseur von Trier als auch Hauptdarstellerin Kirsten Dunst selbst bereits depressive Phasen durchlitten, wissen sie sehr wohl, worum es dabei geht. Das Resultat ist wohl einer der besten und trotz der scheinbar exotischen Handlung um den potentiell zerst�rerischen Planeten auch glaubw�rdigsten und ehrlichsten Filme �ber Depressionen (soweit ich das beurteilen kann als jemand, der zwar eine ausgepr�gte Ader f�r Melancholie hat, aber noch nie depressiv war).

Dennoch ist "Melancholia" kein reines Meisterwerk. Daf�r hat er doch zu viele Schw�chen, beispielsweise gibt es gerade im Mittelteil der 140-Minuten-Werks einige L�ngen und einige der G�ste auf der Hochzeitsfeier wirken etwas zu klischeehaft und oberfl�chlich.

Au�erdem w�rde ich garantiert nicht zu behaupten wagen, da� ich alles verstanden habe, was der Regisseur uns mit seinem Film mitteilen will. Da� der Planet Melancholia eine Metapher f�r Justines Zustand ist, scheint mir ziemlich klar zu sein - zwar gibt es ein paar Gegenargumente f�r diese These, aber auch etliche gute Argumente, die sie st�tzen. Dar�ber hinausgehend bleibt aber vieles Interpretationssache und vermutlich kann man manches auch nur hundertprozentig verstehen, wenn man selbst schon mal unter Depressionen litt (beispielsweise halte ich auch das dumpfe Grollen des nahenden Planeten, das quasi das gesamte Schlu�drittel des Films unterlegt, f�r eine Depressions-Metapher - aber wer wei�, ob das nicht nur meiner pers�nliche Vorstellung davon entspricht, wie sich Depressionen "anf�hlen" m�ssen?). Diese Interpretationsfreiheit ist aber nat�rlich nichts Schlechtes, auch wenn sie sicher nicht jeder mag.

Gerade angesichts der "Dogma"-Vergangenheit von Triers fand ich die optische Wucht des Films besonders eindrucksvoll. Die Spezialeffekte - also vor allem der Planet Melancholia - sind gr��tenteils nicht spektakul�r, aber sehr �sthetisch und �berzeugend, die Bildkompositionen und die klassische Musikuntermalung oft �berw�ltigend sch�n. Gerade der traumhafte Prolog und das Ende, das eine der sch�nsten
Weltuntergangsszenen
der Filmgeschichte liefert, wird kein Zuschauer so schnell vergessen k�nnen.

Da� auch die Schauspieler sehr �berzeugend agieren, kann kaum �berraschen, denn Lars von Trier hat ja schon lange einen Ruf als "Schauspielerinnenfl�sterer" weg, der speziell seine weiblichen Akteure bis an den Rand der Ersch�pfung fordert, ihnen damit aber meist zu den besten schauspielerischen Leistungen ihrer ganzen Karriere verhilft. Ich erinnere nur an Emily Watson in "Breaking the Waves", Bj�rk in "Dancer in the Dark", Bryce Dallas Howard in "Manderlay", Charlotte Gainsbourg in "Antichrist" oder auch Nicole Kidman in "Dogville" (wenngleich ich der Ansicht bin, da� Kidman in "The Hours" und "Moulin Rouge" vielleicht sogar noch einen Tick besser war). Nun ist es Kirsten Dunst, bisher eher "nur" als solide Hollywood-Darstellerin bekannt, die eine h�chst imposante Leistung zeigt und daf�r zurecht mit dem Preis als Beste Darstellerin bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet wurde.
Aber auch Charlotte Gainsbourg und Kiefer Sutherland �berzeugen, w�hrend - wie bereits angedeutet - die G�ste der Hochzeitsfeier im ersten Teil des Films trotz hochkar�tiger Besetzung (u.a. Charlotte Rampling, John Hurt, Stellan Skarsgard) zwar ebenfalls ausnahmslos gute Szenen haben, aber angesichts der Unterentwickeltheit ihrer Charktere doch deutlich zur�ckstehen m�ssen.

Fazit: "Melancholia" ist trotz der Planetenstory letztlich ein klassischer Arthouse-Film, der mit viel Empathie die Geschichte einer depressiven jungen Frau und der Auswirkungen ihrer Krankheit auf ihr Umfeld erz�hlt. Vergleichen l��t sich "Melancholia" mit Terrence Malicks "The Tree of Life", im Grunde zeigen beide Filme auf eindrucksvolle Art und Weise verschiedene Facetten des menschlichen Lebens.
8 Punkte.