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Ralf #451240 13/10/11 02:31 PM
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Wobei ich Gene Kelly bevorzuge. Allerdings ist dieser Stoff nun wirklich oft genug verfilmt worden, damit jeder etwas nach seinem Geschmack findet. Dabei stellt sich aber sofort die Frage nach dem Sinngehalt noch einer Verfilmung.

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MELANCHOLIA:

Der neue Film von des dänischen Enfant terrible Lars von Trier besteht (nach einem wunderschönen 10-minütigen Prolog zu Musik von Richard Wagner) aus zwei Teilen. Der erste Teil heißt "Justine" und zeigt die Hochzeitsfeier dieser Justine (Kirsten Dunst, neuerdings übrigens auch mit deutscher Staatsbürgerschaft) mit dem gutaussehenden und charmanten Michael (Alexander Skarsgard alias Eric Northman aus "True Blood"). Die pompöse, von einem teuren Hochzeitsplaner (Udo Kier) ausgerichtete Feier wird auf dem mondänen Landsitz von John (Kiefer Sutherland), dem stinkreichen Mann von Justines älterer Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg), ausgetragen und soll eigentlich ein perfekter Tag für das Brautpaar werden. Doch von Beginn an zeigen sich kleine Risse - und da Justine unter ernsthaften Depressionen leidet, kann letztlich auch dieser vermeintlich glücklichste Tag in ihrem Leben ihren Gemütszustand nicht dauerhaft überdecken und so endet die Hochzeitsfeier in einem Debakel.
Der zweite Teil namens "Claire" spielt etwas später, als Justine bereits so von ihren Depressionen gelähmt wird, daß sie nicht mehr selbständig leben kann und deshalb von der Familie ihrer Schwester auf dem gleichen Landsitz, auf dem die Hochzeitsfeier so grandios scheiterte, aufgenommen wird. Für zusätzliche Spannungen sorgt der Planet Melancholia (die Betonung liegt übrigens auf dem "i"), der für die Menschheit lange Zeit unsichtbar, da hinter der Sonne "versteckt", unser Sonnensystem durchquert, dabei einige Planeten nur knapp verfehlte und nun auch hauchdünn die Erde passieren soll. Doch Justine ist sich absolut sicher, daß Melancholia die Erde treffen und alles Leben zerstören wird - und während ihre Schwester es zunehmend mit der Angst zu tun bekommt, als der fremde Planet am Horizont immer größer wird, scheint Justine ihre Depression beinahe zu überwinden und immer ruhiger zu werden ...

Vom "Dogma"-Prinzip, das Lars von Trier gemeinsam mit Thomas Vinterberg ("Das Fest") und einigen anderen dänischen Regisseuren Mitte der 1990er Jahre festschrieb und das u.a. den vollständigen Verzicht auf jegliche Art von Spezialeffekten, künstlichem Licht, Requisiten u.ä. forderte, hat er sich mit "Melancholia" weit entfernt. Der künstlerischen Qualität des Films hat das aber keineswegs geschadet. Denn "Melancholia" ist ein beeindruckender Film, keine Frage. Ein Film, in dessen Zentrum das Thema "Depression" steht und da sowohl Regisseur von Trier als auch Hauptdarstellerin Kirsten Dunst selbst bereits depressive Phasen durchlitten, wissen sie sehr wohl, worum es dabei geht. Das Resultat ist wohl einer der besten und trotz der scheinbar exotischen Handlung um den potentiell zerstörerischen Planeten auch glaubwürdigsten und ehrlichsten Filme über Depressionen (soweit ich das beurteilen kann als jemand, der zwar eine ausgeprägte Ader für Melancholie hat, aber noch nie depressiv war).

Dennoch ist "Melancholia" kein reines Meisterwerk. Dafür hat er doch zu viele Schwächen, beispielsweise gibt es gerade im Mittelteil der 140-Minuten-Werks einige Längen und einige der Gäste auf der Hochzeitsfeier wirken etwas zu klischeehaft und oberflächlich.

Außerdem würde ich garantiert nicht zu behaupten wagen, daß ich alles verstanden habe, was der Regisseur uns mit seinem Film mitteilen will. Daß der Planet Melancholia eine Metapher für Justines Zustand ist, scheint mir ziemlich klar zu sein - zwar gibt es ein paar Gegenargumente für diese These, aber auch etliche gute Argumente, die sie stützen. Darüber hinausgehend bleibt aber vieles Interpretationssache und vermutlich kann man manches auch nur hundertprozentig verstehen, wenn man selbst schon mal unter Depressionen litt (beispielsweise halte ich auch das dumpfe Grollen des nahenden Planeten, das quasi das gesamte Schlußdrittel des Films unterlegt, für eine Depressions-Metapher - aber wer weiß, ob das nicht nur meiner persönliche Vorstellung davon entspricht, wie sich Depressionen "anfühlen" müssen?). Diese Interpretationsfreiheit ist aber natürlich nichts Schlechtes, auch wenn sie sicher nicht jeder mag.

Gerade angesichts der "Dogma"-Vergangenheit von Triers fand ich die optische Wucht des Films besonders eindrucksvoll. Die Spezialeffekte - also vor allem der Planet Melancholia - sind größtenteils nicht spektakulär, aber sehr ästhetisch und überzeugend, die Bildkompositionen und die klassische Musikuntermalung oft überwältigend schön. Gerade der traumhafte Prolog und das Ende, das eine der schönsten
Weltuntergangsszenen
der Filmgeschichte liefert, wird kein Zuschauer so schnell vergessen können.

Daß auch die Schauspieler sehr überzeugend agieren, kann kaum überraschen, denn Lars von Trier hat ja schon lange einen Ruf als "Schauspielerinnenflüsterer" weg, der speziell seine weiblichen Akteure bis an den Rand der Erschöpfung fordert, ihnen damit aber meist zu den besten schauspielerischen Leistungen ihrer ganzen Karriere verhilft. Ich erinnere nur an Emily Watson in "Breaking the Waves", Björk in "Dancer in the Dark", Bryce Dallas Howard in "Manderlay", Charlotte Gainsbourg in "Antichrist" oder auch Nicole Kidman in "Dogville" (wenngleich ich der Ansicht bin, daß Kidman in "The Hours" und "Moulin Rouge" vielleicht sogar noch einen Tick besser war). Nun ist es Kirsten Dunst, bisher eher "nur" als solide Hollywood-Darstellerin bekannt, die eine höchst imposante Leistung zeigt und dafür zurecht mit dem Preis als Beste Darstellerin bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet wurde.
Aber auch Charlotte Gainsbourg und Kiefer Sutherland überzeugen, während - wie bereits angedeutet - die Gäste der Hochzeitsfeier im ersten Teil des Films trotz hochkarätiger Besetzung (u.a. Charlotte Rampling, John Hurt, Stellan Skarsgard) zwar ebenfalls ausnahmslos gute Szenen haben, aber angesichts der Unterentwickeltheit ihrer Charktere doch deutlich zurückstehen müssen.

Fazit: "Melancholia" ist trotz der Planetenstory letztlich ein klassischer Arthouse-Film, der mit viel Empathie die Geschichte einer depressiven jungen Frau und der Auswirkungen ihrer Krankheit auf ihr Umfeld erzählt. Vergleichen läßt sich "Melancholia" mit Terrence Malicks "The Tree of Life", im Grunde zeigen beide Filme auf eindrucksvolle Art und Weise verschiedene Facetten des menschlichen Lebens.
8 Punkte.

Ralf #451491 25/10/11 05:28 PM
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Ich hab ihn auch vor einigen Wochen gesehen und ich kann immer noch nicht sagen, wie ich den Film einordnen soll. Ich kann weder sagen, dass ich ihn schlecht fand, gefallen hat er mir schon irgendwie, aber ich könnte auch kaum benennen, was mir konkret gefallen hätte. ^^
Klar, die Spezialeffekte und der Ton (Musik, Atmo etc.) sind gut, aber das allein macht für mich meist keinen guten Film. Dann Kirsten Dunst, sie hat mir auch in keinem Film bisher besser gefallen als in Melancholia, wobei Marie Antoinette nicht weit dahinter kommt. Aber die beiden Filme kann man nicht vergleichen.
Melancholia... ich habe nichts erwartet und wurde nicht enttäuscht, so lässt es sich vlt. am ehesten beschreiben. grin
Außer Erstaunen ob mancher Bilder, Einstellungen oder schauspielerischer Leistungen hat der Film bei mir nicht besonders viele Emotionen hervorgerufen, soweit ich mich erinnere.

EDIT: Wobei, das angesprochene Ende war schon ziemlich stark.

Depressionen sind ein Thema, das wohl nur Betroffene (direkt oder indirekt) wirklich verstehen. Mir haben sich während des Sehens so gut wie keine Zusammenhänge oder Anspielungen offenbart. Vielleicht habe ich nicht genug mitgedacht, vielleicht hatte ich als Außenstehender (mal abgesehen von einigen Monaten Trübseligkeit bin ich von echten Depressionen bisher wohl auch verschont geblieben) einfach keinen Bezug zur Thematik.

Zu sagen, ich kann mit dem Film nichts anfangen, trifft es nicht, denn irgendwie hat er mir ja gefallen. Ich kann nur nicht konkret sagen, warum. Seltsame Sache. Mir fällt auch grad kein Streifen ein, bei dem das bisher in diesem Umfang ähnlich gewesen wäre.

Zum Edit von oben: Wenn ich nun noch mal darüber nachdenke, ich konnte Justines Einstellung und Verhalten dem unweigerlichen Ende gegenüber gut nachvollziehen und sogar teilen. Ich mag Pragmatismus. grin Vielleicht deswegen das gute Gesamtempfinden dem Film gegenüber. ^^

Last edited by AlphaZen; 25/10/11 05:33 PM.

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Originally Posted by AlphaZen

Zu sagen, ich kann mit dem Film nichts anfangen, trifft es nicht, denn irgendwie hat er mir ja gefallen. Ich kann nur nicht konkret sagen, warum. Seltsame Sache.


Ich glaube, das ist bei den Filmen von Lars von Trier eine ziemlich normale Empfindung. grin

Ralf #451583 30/10/11 02:05 PM
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Vor zwei Jahren hatte ich in diesem Topic ja vom ersten deutschen Kinomarathon in Augsburg berichtet. Damals waren es, glaube ich, sieben Filme am Stück, gestern fand nun eine etwas reduzierte Wiederholung mit vier Filmen am Stück von 12.00 Uhr bis 20.00 Uhr statt (alle auf Englisch mit deutschen Untertiteln). Alle vier Produktionen laufen noch nicht regulär in Deutschland (zwei werden erst 2012 starten) und haben sehr gute Kritiken gemeinsam. Los ging es gleich mit dem Highlight des Tages:

DRIVE:

Ryan Gosling ("Crazy, Stupid, Love.", "Lars und die Frauen") spielt einen namenlosen und ziemlich schweigsamen Kfz-Mechaniker, der "nebenberuflich" als Stuntman beim Film sowie als Fluchtfahrer für Gangster arbeitet. Sein Leben verläuft eigentlich gut, bis er sich in seine neue, schöne Nachbarin Irene (Carey Mulligan, "An Education") verliebt. Um sie und ihren kleinen Sohn zu schützen, will der Driver dem gerade aus dem Knast entlassenen Ehemann Irenes (Oscar Isaac, "Agora", Ridley Scotts "Robin Hood") bei einem Überfall helfen, mit dem dieser seine Schulden bei einem Schutzgelderpresser begleichen will. Doch der Überfall läuft schief und fortan sind der Driver und alle, die er kennt, in höchster Gefahr ...

"Drive" hat ein ernsthaftes Zielgruppenproblem. Denn der Film des dänischen Regisseur Nicolas Winding Refn ("Pusher"-Trilogie, "Valhalla") mixt europäisches Kunstkino virtuos mit amerikanischen Exploitation-Stilmitteln á la "Shaft" oder "Foxy Brown". Dummerweise ist die Zielgruppenüberschneidung dieser beiden Filmrichtungen eher gering. Und so wird "Drive" für die meisten der klassischen Arthouse-Zuschauer zu blutig sein und für die Actionfans zu langsam. Insofern ist es schon überraschend, daß "Drive" in den USA immerhin mehr als das doppelte seiner (mit $15 Mio. vergleichsweise geringen) Produktionskosten einspielen konnte. Das liegt sicherlich teilweise an einer fehlleitenden Werbekampagne, die den Film in die "Fast & Furious"-Ecke rücken wollte. Das funktionierte am Startwochenende, führte aber auch zu jeder Menge negativer Mundpropaganda wegen der nicht erfüllten Erwartungen. Umso erstaunlicher ist es, daß sich der Film dennoch auch in den Folgewochen besser als erwartet hielt. Offenbar erreichten die fast ausnahmslos euphorischen Kritiken jene potentiellen Zuschauer, die alleine von den Trailern eher abgeschreckt worden wären und diese sorgten dann auf lange Sicht offenbar für positive Mundpropaganda.

Aber bevor ich mich in den betriebswirtschaftlichen Details verliere, zurück zum eigentlichen Film: "Drive" fasziniert. Bereits der fast komplett dialogfreie Prolog begeistert mit der stylishen Inszenierung und Goslings ebenso stoischem wie coolen Mienenspiel. Danach gibt es lange Zeit erstmal keine Action mehr, dafür steht die ungewöhnlich zärtlich erzählte aufblühende Romanze zwischen dem wortkargen Driver und der sympathischen Irene im Mittelpunkt. Nebenbei werden auch noch die weiteren wichtigen Nebenfiguren eingeführt (dargestellt von Bryan Cranston aus "Breaking Bad", Christina Hendricks aus "Mad Men", Albert Brooks aus "Nachrichtenfieber" und Ron "Hellboy" Perlman). Nach dieser langen (trügerisch) friedlichen Phase von "Drive" wirkt die Eruption der Gewalt im letzten Drittel, nach dem mißglückten Überfall, umso drastischer und verstörender auf das Publikum.

Der einzige Kritikpunkt, den ich an "Drive" habe, ist, daß er den Nebenfiguren etwas zu wenig Sorgfalt widmet. Der Driver durchläuft eine deutliche Charakterentwicklung, auch bei Irene und ihrem Ehemann kann man nicht von Klischeecharakteren sprechen. Die anderen wichtigen Figuren jedoch, gerade die Bösewichte, hätten durchaus noch etwas tiefgehender gezeigt werden dürfen - gerade angesichts der sowieso recht kurzen Laufzeit von nur gut eineinhalb Stunden.

Stilistisch ist "Drive" dafür eine absolute Wucht. Das kann ich gar nicht richtig beschreiben, man muß es einfach sehen: "Drive" ist gleichzeitig extrem lässig, unheimlich intensiv und erstaunlich zärtlich. Eine wilde Mixtur, die - wenn man sich darauf einlassen kann - wunderbar funktioniert. Dazu tragen neben Winding Refns inspirierter Regie auch die wunderbare Kameraarbeit und die gelungene Auswahl aus sphärischen Independentsongs bei. Und Ryan Gosling beweist einmal mehr, daß er einer DER kommenden Superstars in Hollywood ist. Wie er in einer Rolle wie dieser mit geringsten mimischen Mitteln maximale Wirkung erzielen kann, sodaß man als Zuschauer stets die unter der makellosen Oberfläche bedrohlich brodelnde, beängstigende Aggressivität dieses Raubtiers von einem Menschen spüren kann - das können nicht viele Schauspieler seiner Altersgruppe bieten (DiCaprio, Norton, Gordon-Levitt ... sehr viel mehr fallen mir nicht ein). Gerade im Vergleich zu seiner Performance in "Lars und die Frauen", den ich zufällig vor zwei Wochen gesehen habe und in dem er eine zum Driver fast gegensätzliche Figur spielt, wird die Bandbreite seines darstellerischen Spektrums offenbar.

Fazit: "Drive" ist ein wilder Genremix, der sicher viele Zuschauer verschrecken wird. Wer jedoch offen für cineastische Experimente ist, der wird mit einem wunderbaren, stilistisch überragenden Film mit einem tollen Hauptdarsteller belohnt. 9 Punkte.

Die drei weiteren Kritiken folgen später ...

Ralf #451604 31/10/11 03:52 PM
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Weiter geht´s mit dem Bericht vom Filmfest in Augsburg mit:

HYSTERIA:
(deutscher Titel: "In guten Händen")

London, Ende des 19. Jahrhunderts: Der junge, fortschrittliche Arzt Dr. Mortimer Granville (Hugh Dancy) wurde in so ziemlich jedem Krankenhaus in der Stadt rausgeworfen, weil die dortigen alteingesessenen Ärzte seine Methoden (z.B. Händewaschen vor Operationen) für neumodischen Quatsch halten, er sich aber partout nicht davon abbringen läßt. Mortimers letzte Hoffnung auf einen Job als Arzt ist der Frauenarzt Dr. Robert Dalrymple (Jonathan Pryce), der sich in seiner Praxis auf Frauen mit dem Krankheitsbild "Hysterie" spezialisiert hat. Davon sind in der Regel ältere unverheiratete oder verwitwete Frauen betroffen, deren Beschwerden am besten durch manuelle Stimulation der Vulva gelindert werden können, die in einem sogenannten hysterischen Paroxysmus kulminiert. Anders formuliert: Die Damen werden zum befreienden Orgasmus gebracht!
Tja, Mortimer erweist sich schnell als wahrer Meister in dieser Art der Behandlung, doch fühlt er - besser gesagt: seine rechte Hand - sich bald mit dem Ansturm "hysterischer" Frauen überfordert. Da trifft es sich gut, daß sein stinkreicher und exzentrischer Stiefbruder Lord Edmund St.John-Smythe (Rupert Everett) gerade an der Erfindung eines elektrischen Staubwedels herumtüftelt, für den Mortimer eine andere praktische Verwendungsform erkennt ...

Ja, "Hysteria" ist ein britischer Film über die Erfinung des Vibrators! Ein pikantes Thema natürlich und so verwundert es kaum, daß es noch keinen Starttermin für die prüden USA gibt. Überraschender ist allerdings, daß selbst in Großbritannien bislang noch kein Kinostart absehbar ist. Wir Deutschen haben es da besser, denn "Hysteria" wird am 22. Dezember in unseren Kinos starten. Lohnt sich die ganze Aufregung denn überhaupt?
Nun, inhaltlich natürlich nicht. Die amerikanische Regisseurin Tanya Wexler geht mit der Thematik insgesamt sehr dezent um, trotz natürlich einiger zweideutiger Witze und zahlreicher visueller sexueller Anspielungen vielleicht sogar zu prüde.

Denn in meinen Augen wirkt der ganze Film doch recht banal. Es handelt sich letztlich um eine typische britische Komödie mit altbekannten (und daher von Beginn an vorhersehbaren) Handlungsmustern, zwischendurch allzu forcierter dramatischer Zuspitzung sowie größtenteils oberflächlichen und viel zu klischeehaften Charakteren. So ist "Hysteria" ein nettes Feelgood-Movie ohne echten Biß, das zwar für einige Lacher und viele Schmunzler gut ist, aber garantiert nicht zu orgiastischen Begeisterungsstürmen hinreißt ... wink

Zwar agieren die Hauptdarsteller Hugh Dancy und Maggie Gyllenhaal (als fortschrittliche Tochter von Dr. Dalrymple) überzeugend, absolutes Highlight ist jedoch die Performance von Rupert Everett, der sich in der (farbenprächtigen und damit für den Darsteller natürlich auch dankbaren) Rolle des Lord St. John-Smythe als echter Scenestealer erweist. Ich wünschte, es gäbe ein Spin-Off mit ihm als Hauptfigur - DAS könnte ein wirklich witziger Film werden. grin

Davon abgesehen ist und bleibt "Hysteria" aber eine oberflächlich, mild amüsante Komödie ohne jeden Tiefgang (pun NOT intended! wink ). Dank Rupert Everett 7 Punkte, ohne ihn wären es nur 6 (was dann ja schon wieder zur Thematik gepaßt hätte ...).

Ralf #451619 01/11/11 03:35 PM
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Die dritte Augsburg-Rezension:

DAME, KÖNIG, AS, SPION:

Zur Zeit des Kalten Krieges: Nachdem eine Operation in Budapest fehlschlägt, müssen der britische Geheimdienstchef Control (John Hurt) und sein Stellvertreter George Smiley (Gary Oldman) den Hut nehmen. Doch als sich einige Zeit später Controls Vermutung zu bewahrheiten scheint, daß es einen Maulwurf in den höchsten Kreisen des britischen Geheimdienstes gibt, wird Smiley zurückgeholt, um den Schuldigen zu ermitteln. Ein geduldiges Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...

"Dame, König, As, Spion" ist die Neuverfilmung eines der berühmtesten Romane von Bestseller-Autor John Le Carré. Ein ambitioniertes Vorhaben, denn die BBC-Verfilmung in Form einer Miniserie aus dem Jahr 1979 (mit Sir Alec Guinness als George Smiley) ist legendär. An die Aufgabe gewagt hat sich der schwedische Regisseur Tomas Alfredson ("Let the right one in") und dieser meistert sie auf überraschende Art und Weise. Denn seine Version von "Dame, König, As, Spion" ist eher Charakterdrama als Spionage-Thriller, ein extrem dialoglastiger Film, bewußt altmodisch, ja geradezu bieder und buchstäblich farblos (nicht im Sinne von schwarz-weiß, sondern einfach in sehr fahlen Farben), in Szene gesetzt. Ein mutiger Schritt in der heutigen Filmwelt und mit Sicherheit werden viele, die mit den falschen Erwartungen an das Werk herangehen, es einfach nur langweilig finden.

Ähnlich wie bei "Drive" (wenn auch aus ganz anderen Gründen) gilt jedoch: Wenn man sich darauf einläßt, wenn man konzentriert der komplexen, aber in langsamem Tempo erzählten Handlung folgt und es genießt, mal wieder einen wahren "Schauspieler-Film" bewundern zu dürfen, dann wird man vielleicht nicht mit einem emotionalen, aber auf jeden Fall mit einem intellektuellen Kunstwerk belohnt.

Spezialeffekte gibt es hier kaum, die jazzig angehauchte Musik von Alberto Iglesias bleibt meistens im Hintergrund. Hier geht es einzig und allein um die Schauspieler und die Dialoge, die sie vortragen. Und der oft unterschätzte Gary Oldman liefert in der Hauptrolle eine bewundernswert nuancierte Leistung ab, die ihn zurecht in die erste Reihe der Kandidaten für eine OSCAR-Nominierung als Bester Hauptdarsteller katapultiert hat. Auch Benedict "Sherlock" Cumberbatch als Smileys Assistent und Tom Hardy als Spion, der die Existenz eines Maulwurfs erst zweifelsfrei aufdeckt, haben viel Raum zur Entfaltung. Leider gilt das weniger für die vier Darsteller der als der Maulwurf Verdächtigten: Colin Firth, Ciáran Hinds, Toby Jones und der schwedische Charakterdarsteller David Dencik machen ihre Sache zwar gut, bekommen aber nicht wirklich viel Raum zur Entfaltung (ebenso wie Mark Strong und Kathy Burke in weiteren Spion-Rollen).

Das ist für mich eigentlich der einzige größere Kritikpunkt an diesem so wunderbar altmodischen, wie aus der Zeit gefallenen Spionagedrama (neben einer Tatsache, die ich aus Spoilergründen nicht mal rudimentär umschreiben will ...).

Ansonsten ist "Dame, König, As, Spion" ein schönes Stück Kino für Zuschauer, die keine Probleme mit einem sehr gemächlichen Erzähltempo und der fast völligen Abwesenheit von Actionszenen haben. 8,5 Punkte.

Ich hatte übrigens schon länger vor, mir die BBC-Miniserie auf DVD zuzulegen und nachdem ich nun den Kinofilm gesehen habe, habe ich die Bestellung sofort getätigt. Ich bin gespannt auf die Unterschiede und hoffe vor allem, daß der von mir genannte Kritikpunkt der zu kurz gekommenen Verdächtigen in der Miniserie schon aufgrund der deutlichen längeren Laufzeit nicht vorhanden ist. smile

Ralf #451645 02/11/11 01:15 PM
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Und die letzte Augsburg-Kritik:

THE HELP:

Die amerikanischen Südstaaten in den 1960er Jahren: Während sich in Teilen der USA die Bürgerrechtsbewegung zunehmend Gehör verschafft, ist in den Südstaaten noch alles beim Alten. Zwar gibt es natürlich keine Sklaverei mehr, aber der Rassismus gegenüber Schwarzen und ihre gesellschaftliche Diskriminierung sind noch allgegenwärtig. "The Help" erzählt die damaligen Verhältnisse aus der Perspektiver schwarzer Haushaltshilfen, die sich bei wohlhabenden weißen Familien um alles (inklusive der Kindererziehung) kümmern, dafür aber nur wenig bis gar keinen Dank zu erwarten haben. Die junge, idealistische Nachwuchsjournalistin Skeeter (Emma Stone) ist wütend darüber, wie die Haushaltshilfen behandelt werden und will sie deshalb für ein Buch interviewen, sodaß sie (natürlich anonym) ihre Sicht der Dinge schildern können. Für alle Beteiligten ist das kein ganz ungefährliches Vorhaben ...

"The Help" vom ziemlich unbekannten Regisseur Tate Taylor war in den USA einer der größten Überraschungshits des Sommers und gilt als sicherer OSCAR-Kandidat in diversen Kategorien. Das verwundert nicht, denn "The Help" überzeugt mit einer wohldosierten Mischung aus das Publikum empörender Zurschaustellung von latentem bis offenem Rassismus, anrührenden Charaktermomenten und humorvollen Anekdoten. Irgendwie gelingt es dem Film dabei tatsächlich, trotz einer gewissen Oberflächlichkeit nie wirklich naiv, verlogen oder theatralisch zu wirken und die Zuschauer trotz der ernsten Thematik mit einem guten Gefühl aus dem Kino zu entlassen.

Da fällt es auch nicht allzu schwer ins Gewicht, daß die Figurenzeichnung sich überwiegend in klassischem Schwarz-Weiß-Denken bewegt. Skeeter und die beiden zentralen Haushaltshilfen Aibileen (Viola Davis) und Minny (saustark und Favoritin auf eine OSCAR-Nominierung: Octavia Spencer) sind herzensgut, Oberrassistin Hilly (Bryce Dallas Howard) ist natürlich komplett hassenswert. Ein paar Grautöne bietet immerhin Allison Janney als Skeeters Mutter, aber das war´s dann eigentlich auch schon damit.

Sehr viel mehr fällt mir zu diesem Film ehrlich gesagt nicht ein. "The Help" ist eine insgesamt gelungene Mischung aus Gesellschaftsdrama und optimistischer Komödie, etwas zu oberflächlich, aber sehr gut gespielt (neben den genannten Darstellerinnen überzeugen vor allem OSCAR-Gewinnerin Sissy Spacek und "The Tree of Life"-Newcomerin Jessica Chastain in Nebenrollen) und solide inszeniert. 8 Punkte.

Ralf #451668 03/11/11 03:53 PM
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AUSHILFSGANGSTER:

Als der stinkreiche Finanzinvestor Arthur Shaw (Alan Alda) vom FBI abgeführt wird, schauen nicht nur alle, die ihm ihr Geld anvertraut haben, dumm aus der Wäsche, sondern auch fast das gesamte Personal des Luxus-Hochhauses (Drehort war u.a. der echte Trump Tower in Manhattan), in dem Shaw seine teure Wohnung samt Swimming Pool besitzt. Denn Josh Kovacs (Ben Stiller), Manager des Wolkenkratzers, hat Shaw gutgläubig den Pensionsfonds der Angestellten anvertraut - und natürlich wurde auch dieses Geld von Shaw veruntreut und ist nicht mehr zu finden. Doch als die FBI-Agentin Claire (Téa Leoni) in angetrunkenem Zustand Josh verrät, daß Shaw irgendwo mindestens 20 Millionen Dollar versteckt haben muß, glaubt Josh zu wissen, wo sich das Geld befindet. Kurzerhand tut er sich mit einigen Mitbetroffenen sowie dem Kleinganoven Slide (Eddie Murphy), den er aus seiner Kindheit kennt, zusammen, um Shaw auszurauben ...

"Aushilfsgangster" (eleganterer Originaltitel: "Tower Heist") ist eine Mischung aus klassischem Einbrecherfilm á la "Ocean´s Eleven", "The Heist" oder "Rififi" mit überwiegend harmloser Comedy, wie man sie von Stiller und Murphy gewohnt ist. Alles in allem funktioniert dieses Konzept recht gut. Das Drehbuch weist zwar die fast schon obligatorischen Logikschwächen auf und die Charaktere sind ziemlich flach, aber Regisseur Brett Ratner ("Rush Hour") und die hochkarätige Darstellerriege (neben den bereits Genannten sind u.a. Casey Affleck, Matthew Broderick, Michael Pena, Judd Hirsch, Zeljko Ivanek und die letztjährige OSCAR-Nominee Gabourey Sidibe dabei) sorgen dafür, daß man sich fast die gesamten 100 Minuten über leidlich gut unterhalten fühlt.

Alan Alda als aalglatter und zunehmend hassenswerter Wirtschaftsverbrecher á la Bernie Madoff trägt zum Unterhaltungswert maßgeblich bei, weshalb es schade ist, daß er eigentlich nur in der Anfangsviertelstunde so richtig zur Geltung kommt. Wobei es ja sowieso kurios ist, daß Alda - einer der engagiertesten Vorzeige-Linken in Hollywood - nach seiner legendären "M*A*S*H"-Zeit fast nur noch als Bösewicht oder zumindest Konservativer (wie in "The West Wing", wo er in zwei Staffeln einen immerhin gemäßigten republikanischen Senator spielte) eingesetzt wird. Aber das nur am Rande.

Fazit: "Aushilfsgangster" ist bei weitem kein Brüller, liefert aber solides Amusement nicht nur für Wirtschaftskrisengeschädigte ab. 7 Punkte.

Ralf #451747 07/11/11 05:09 PM
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Real Steel

Regie: Shawn Levy
Darsteller: Hugh Jackman, Dakota Goyo, Evangeline Lilly

Story:

In naher Zukunft hat sich der Boxsport extrem verändert, menschliche Boxer haben ausgedient, stattdessen kämpfen ferngesteuerte Roboter gegeneinander. Der Ex-Boxer Charlie versucht über die Runden zu kommen, indem er mit alten Kampfrobotern durch das Land zieht und Underground"kämpfe" bestreitet (am Anfang tritt sein Bot z.B. gegen einen Stier an....). Leider ist er darin nicht sonderlich erfolgreich. Zu seinem Misserfolg gesellt sich die Nachricht vom Tod seiner Ex-Freundin, die einen gemeinsamen Sohn - Max - zurücklässt. Dieser soll eigentlich bei seiner Tante unterkommen, doch für Geld erklärt sich Charlie bereit, ein paar Wochen auf den Jungen aufzupassen, während Tante und Ehemann in den Urlaub nach Italien fahren. Fortan ziehen Vater und Sohn gemeinsam umher, was dem Eigenbrödler Charlie anfangs überhaupt nicht recht ist. Bei einer nächtlichen Ersatzteilbeschaffungstour auf einem Schrottplatz findet Max schließlich einen alten Trainingsroboter, der früher als Sparingspartner eingesetzt wurde. Dieser ist mit einer sogenannten Shadow-Funktion ausgestattet, durch die er menschliche Bewegungen imitieren kann. Auf Max' Drängen lassen die beiden den Sparing-Roboter bei einem Kampf antreten. Die Dinge nehmen ihren Lauf.


Meinung:

Ich bin begeistert. So gut fand ich keinen der diesjährigen Blockbuster. Transformers 3? Fluch der Karibik 4? Harry Potter 500? Alles seelenlose Fließbandware im Vergleich zu Real Steel. Ich habe mit den Boxrobotern, die weder Intelligenz noch eigenen Willen besitzen, mehr mitgefiebert, als mit den leider stumpfsinnig gewordenen Blechbüchsen aus Transformers, auch mehr als mit dem langweilig werdenden Jack Sparrow oder Harry Potter (zu dem ich aber noch nie wirklich einen Bezug hatte) aus Fleisch und Blut. Und dann sind da noch die Darsteller, Hugh Jackmann, Dakota Goyo, Evangeline Lilly (demnächst in "Der Hobbit" zu sehen), die alle eine wunderbare Arbeit abliefern. Sie waren mir allesamt sympatisch, sie haben es geschafft, dass ich mich für ihre Entwicklung, ihre Konflikte, ihre Motivation interessiere. Auch das haben die drei anderen genannten Filme bzw. deren Charaktere nicht wirklich geschafft.
Die einzelnen Komponenten von Real Steel sind an sich nicht neu oder innovativ. Der Underdog, der aus dem Nichts kommt und auf Championkurs gebracht wird, eine alles andere als ideale Vater-Sohn-Beziehung mit Interessen- und Gewissenskonflikten, Sci-Fi mit jeder Menge Metallschrott. Aber die Mischung, die die Macher daraus hergestellt haben, hat mich voll überzeugt. Wie heißt es so schön: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Zumal die Roboter nicht (nur) digital erzeugt, sondern tatsächlich für die Szenen mit menschlichen Darstellern gebaut und animatronisch bewegt wurden.
Der Verzicht auf die heutzutage eher übliche hektische Wackelkamera bei Actionsequenzen tat dem Film auch sehr gut. Man kann die Roboterkämpfe genau verfolgen, sieht, wer welche Treffer setzt. Wohl auch deshalb wird er als bisher am besten gestarteter Boxfilm aller Zeiten gesehen - zumindest nach Einnahmen. grin
Einen Kritikpunkt habe ich: Mir kam zu viel Hiphop im Film vor. :lalala: Aber das ist wohl dem Box-Setting zuzuschreiben. Zumal ich über die von Danny Elfman beigesteuerten (klassischen) Stücke nicht meckern kann, sie fügen sich toll ins Gesamtgefüge ein.

Wer sich auf die Familiengeschichte einlässt (wobei es Jackman und Goyo zumindest mir sehr leicht gemacht haben) und auf sich zerstörendes Schwermetall steht, dürfte mit dem Film auf jeden Fall seinen Spaß haben. Ich kann ihn nur empfehlen.

Last edited by AlphaZen; 07/11/11 05:15 PM.

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CONTAGION:

Mit "Contagion" erzählt Regisseur Steven Soderbergh ("Ocean´s Eleven", "Traffic") in quasi-dokumentarischer Form vom Ausbruch einer verheerenden weltweiten Epidemie. Dies tut er mit großem Staraufgebot (Matt Damon, Kate Winslet, Laurence Fishburne, Gwyneth Paltrow, Jude Law, Marion Cotillard, Bryan Cranston, Elliot Gould, Jennifer Ehle, Armin Rohde und noch etliche bekannte Namen mehr), wobei selbst die größten Stars nicht vor einem frühen Leinwandtod gefeit sein müssen.

Theoretisch ist das ein tolles Konzept und man merkt Soderbergh die Recherchesorgfalt jederzeit an (neben anderen wurde er von der amerikanischen Seuchenbehörde CDC beraten), wodurch das von ihm präsentierte Szenario beklemmend realistisch wirkt. Wer weiß schon, wann sich eine Vogelgrippe oder ein SARS oder wie die ganzen vergleichbaren potentiellen Epidemien der letzten Jahre hießen, sich doch so schnell verbreiten kann, daß sie nicht mehr rechtzeitig eingegrenzt werden können ...

Dennoch mußte ich zu meiner eigenen Überraschung feststellen, daß mich der Film relativ kalt gelassen hat. Dramaturgisch ist Soderberghs Ansatz nicht ideal. Im Gegensatz zu "Traffic" gelingt es ihm mit "Contagion" nicht, verschiedene Handlungsstränge zu einem grandiosen, mitreißenden Ganzen zu verbinden. Dazu gibt es hier vielleicht auch einfach zu viele, über die ganze Welt verstreute Episoden, die einfach nicht genügend in die Tiefe gehen, um das Publikum richtig involvieren zu können. Am ehesten gelingt das wohl noch mit dem Strang um Jude Law als Internet-Blogger, aber insgesamt bleiben die Charaktere zu distanziert.

Fazit: Als dramatische, fiktive Quasi-Dokumentation funktioniert "Contagion" fraglos und es gelingt Regisseur Soderbergh durchaus, sein Publikum mit einem flauen Gefühl im Magen zurückzulassen. Als Spielfilm kommt "Contagion" IMHO jedoch nur relativ knapp über den Durchschnitt hinaus. 7 Punkte.

Ralf #451853 14/11/11 06:04 PM
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England, um 1600: Edward de Vere (Rhys Ifans), der Earl of Oxford, ist ein begnadeter Autor, doch als Adliger darf er seine Stücke höchstens in kleinstem Kreise am Hof der theaterbegeisterten Königin Elizabeth I. (in jungen Jahren: Joely Richardson; später: Vanessa Redgrave) aufführen lassen, aber keinesfalls vor dem gemeinen Volk. Also überzeugt er Ben Jonson (der relative Newcomer Sebastian Armesto), einen relativ erfolgreichen Theaterautor, die Stücke unter seinem Namen zu veröffentlichen. Jonson zaudert jedoch zunächst und gibt als Autor der ersten Aufführung nur "Anonymous" an - was der trinkfreudige Schauspieler William Shakespeare (Rafe Spall) nutzt, um sich nach der erfolgreichen Uraufführung dem Publikum als vermeintlicher Autor zu präsentieren. De Vere wiederum muß sich vor allem mit politischen Intrigen am Königshof herumschlagen ...

Nach all seinen spektakulären Big-Budget-Katastrophenfilmen hatte der deutsche Hollywood-Regisseur Roland Emmerich Lust auf was anderes. Das Drehbuch um den angeblichen echten Autor von Shakespeares Werken wollte er schon seit Jahren verfilmen, nun machte er es mit verhältnismäßig geringem Budget (gut $30 Mio.) in den Babelsberger Filmstudios wahr. Und der Versuch ist alles in allem geglückt - zumindest qualitativ, denn kommerziell scheint "Anonymous" bestenfalls auf ein PlusminusNull-Ergebnis hinauszulaufen.

Auch wenn es hier keine bombastischen Spezialeffekte gibt: Handwerklich ist Emmerich wieder einmal in die Vollen gegangen und hat eine sehr überzeugende, authentisch (also auch ziemlich schmutzig) wirkende Mittelalter-Atmosphäre geschaffen, ein paar Massenszenen gibt es auch und sogar die Musik von Emmerichs Stammkomponisten Harald Kloser und Thomas Wanker (deren Actionscores mich selten begeistert haben) ist sehr gelungen.

Zwiespältig ist die Handlung zu werten. Die Figurenkonstellation ist relativ stark dem klassischen Schwarz-Weiß-Schema verpflichtet, nur wenige Charaktere besitzen wirkliche Tiefe (allen voran de Vere, Jonson und vielleicht noch die Queen). Vor allem die Darstellung von Shakespeare nicht nur als Hochstapler, sondern auch noch als hinterhältige Knallcharge wirkt übertrieben. Die politischen Bösewichte William und Robert Cecil sind zwar auch nicht gerade originell ausgearbeitet, funktionieren aber deutlich besser - wie überhaupt der Handlungsstrang um de Veres Leben als Adliger wesentlich interessanter ausgefallen ist als der eigentliche Shakespeare-Strang.

Sollte Emmerich vorgehabt haben, mit seinem Film die - schon seit über einem Jahrhundert geführte - öffentliche Diskussion über den tatsächlichen Autor von Shakespeares Werken anzuheizen, so dürfte ihm das genau deshalb kaum gelingen. "Anonymous" nimmt sich historisch sowieso zahlreiche Freiheiten heraus und auch wenn er die wohl populärste Theorie der "Shakespeare-Skeptiker" vertritt, will der Film letzten Endes doch nur unterhalten. Was ihm gelingt.

Nicht unbedingt einen Gefallen getan hat sich Emmerich jedoch mit der mitunter wirklich exzessiven Verwendung verschiedener Zeitebenen (die schon damit beginnt, daß der bekannte Shakespeare-Darsteller Sir Derek Jacobi - selbst ein "Shakespeare-Skeptiker" - den Film in der Gegenwart als eine Art Erzähler "umklammert"). Zwar wirkt das auf den aufmerksamen Zuschauer weit weniger verwirrend als man vermuten könnte, dennoch bekommt man schnell das Gefühl, daß die vielen Zeitsprünge eine Komplexität der Handlung vorgaukeln sollen, die nicht vorhanden ist. Das schadet dem Filmgenuß zwar kaum, ist aber einfach überflüssig.

Was die schauspielerischen Leistungen betrifft, so wurde in den Medien die meiste Aufmerksamkeit und das meiste Lob Vanessa Redgrave als alternder Queen Elizabeth I. zuteil. Natürlich macht sie ihre Sache sehr gut, aber noch mehr beeindruckt hat mich der vor allem für seine Comedy-Rollen (z.B. in "Notting Hill" oder "Radio Rock Revolution") bekannte Waliser Rhys Ifans, der als Edward de Vere ungeahnte Qualitäten als dramatischer Darsteller offenbart. Bitte in Zukunft mehr davon! Die übrigen Schauspieler machen ihre Sache gut, ohne sonderlich glänzen zu können (dafür sind die Figuren wie gesagt etwas zu oberflächlich), anmerkenswert ist allerdings, daß die Darsteller der "Shakespeare"-Stücke, von denen im Filmverlauf etliche auszugsweise zu sehen sind, größtenteils von echten Schauspielern der Shakespeare Company gespielt werden - kurioserweise allerdings ausnahmslos von deutschen Schauspielern (was aber zumindest ich ihnen nicht angehört habe - ich sah den Film im Originalton mit Untertiteln). Und in einer Minirolle ist sogar Jonas "Wickie" Hämmerle zu sehen! smile

Fazit: "Anonymous" ist meiner Meinung nach durchaus als positive Überraschung zu werten. Zwar hat das Drehbuch seine Schwächen und die zahlreichen historischen Freiheiten werden Kenner der Ära möglicherweise verärgern - aber als farbenprächtiger Historienfilm funktioniert er richtig gut. Ich denke, wer die TV-Serie "Die Tudors" mochte, der wird auch mit "Anonymous" zufrieden sein. 8 Punkte.

Ralf #451928 22/11/11 01:36 PM
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DIE HAUT, IN DER ICH WOHNE:

Einen Überblick über den Inhalt des neuen Films des spanischen Starregisseurs Pedro Almodóvar ("Sprich mit ihr", "Volver") könnte ich nur mit erheblichen Spoilern leisten. Daher muß ich sehr vage bleiben: Es geht um den visionären plastischen Chirurgen Robert (Antonio Banderas) und eine Patientin namens Vera (Elena Anaya), die Robert aus für den Zuschauer zunächst unklaren Gründen in seinem Privatanwesen behandelt und/oder gefangen hält. "Die Haut, in der ich wohne" kombiniert dabei Thriller-Elemente mit Drama, Romantik und Almodóvars typischem Sinn für skurrilen, oft überdrehten Humor (der allerdings hier vergleichsweise spärlich gesät ist).

Für mich hat diese Mischung leider nicht wirklich funktioniert. Zu Beginn des Films war ich noch fasziniert von der mysteriösen Story, der fast traumhaften Athmosphäre und der sehr gelungenen musikalischen Untermalung. Doch nach gut einer halben Stunde gibt es einen Bruch. An dieser Stelle springt die Handlung nämlich in die Vergangenheit, um zu erklären, wie es zu der Gegenwartskonstellation kommen konnte. Das Problem ist: Almodóvar enthüllt den (eigentlich ziemlich spektakulären) Clou seiner Geschichte meiner Meinung nach viel zu früh innerhalb dieser Rückblicke. Oder aus einer anderen Perspektive betrachtet: Er hält die Rückblicke viel zu lange aufrecht, nachdem sie das Wesentliche bereits offenbart haben. Das auf die Enthüllung folgende ist nämlich sehr vorhersehbar, wenig spektakulär, ehrlich gesagt: langweilig. Zwar bleibt die Musik ein Trost und auch die Leistungen der beiden Hauptdarsteller sowie der wichtigsten Nebendarsteller Marisa Paredes und Jan Cornet sind aller Ehren wert - außerdem liefert mir Elena Anaya hier einmal mehr gute Argumente für meine These, daß sie eine der schönsten Schauspielerinnen überhaupt ist. smile

Aber unterm Strich fehlt einfach die Spannung (was dafür, daß die Thriller-Elemente eigentlich überwiegen, natürlich besonders kontraproduktiv ist), darüber können auch die stilistischen Stärken nur unzureichend hinwegtäuschen. Dazu kommt, daß die Handlungsentwicklung für meinen Geschmack doch ein wenig abstrus wirkt und auch der "Showdown" eher antiklimaktisch rüberkommt.

"Die Haut, in der ich wohne" ist tatsächlich der erste Almodóvar-Film, den ich mir im Kino angeschaut habe. Leider habe ich mir nicht gerade sein bestes Werk dafür ausgesucht (und kann nun auch verstehen, warum die Spanier einen anderen Film für den Auslands-OSCAR nominiert haben). 5,5 Punkte.

Ralf #451993 28/11/11 04:08 PM
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WICKIE AUF GROßER FAHRT (3D):

Der kleine Wickie (Jonas Hämmerle) versucht noch immer, seinen Vater Halvar stolz auf sich zu machen - mit eher mageren Resultaten. Doch als eines Nachts der Erzfeind der Wikinger von Flake, der Schreckliche Sven (Günter Kaufmann), Halvar entführt, bekommt Wickie seine große Chance. Gemeinsam mit den starken Männern macht er sich auf, um seinen Vater zu befreien - den der Schreckliche Sven übrigens deshalb entführt hat, weil er im Besitz eines Amuletts ist, das den Weg zu Donnergott Thors legendärem Hammer weisen soll ...

Zwei Jahre nach dem von Bully Herbig inszenierten und extrem erfolgreichen "Wickie und die starken Männer" kam in diesem Spätsommer die Fortsetzung "Wickie auf großer Fahrt" in die deutschen Kinos - diesmal komplett ohne Bully, die Regie übernahm der Jugendfilm-erprobte Christian Ditter ("Vorstadtkrokodile"). Und erstaunlicherweise gelang diesem das Kunststück, eine Fortsetzung zu schaffen, die besser ist als der bereits gute Vorgänger (auch wenn ich diesen inzwischen auf 7 Punkte herabgestuft habe, da mir bei der Zweitsichtung im TV die Schwächen doch negativer auffielen als seinerzeit im Kino).
Wo Bully Herbig wenig überraschend vor allem auf Comedy gesetzt hatte, steht bei Christian Ditter eher klassisches (und natürlich stets familiengerechtes) Abenteuerkino im Vordergrund. Zudem wirkt die Handlung wesentlich runder als beim eher anekdotenhaft anmutenden ersten Teil.

Von den Darstellern, die im Vorgänger eine größere Rolle gespielt haben, sind bis auf Jürgen Vogel alle wieder dabei und machen ihre Sache weiterhin gut (allen voran Günter Kaufmann und die damals von Bully gecasteten starken Männer), dazu gibt es mit der jungen Valeria Eisenbart als (wohl nicht zufällig an Ronja Räubertochter erinnernde) neue Freundin/Rivalin von Wickie sowie Kurzauftritten von Eva Padberg (als sexy Walküre) und Christian Ulmen (als Ritter) gute Verstärkung.

Besonders überraschend ist übrigens, wie gelungen "Wickie auf großer Fahrt" auf der technischen Seite ist. Die Spezialeffekte sind teilweise ziemlich beeindruckend und der 3D-Einsatz übertrifft qualitativ das meiste, was in diesem Jahr aus Hollywood zu sehen war!

Umso trauriger ist es, daß "Wickie auf großer Fahrt" an der Kinokasse weit weniger erfolgreich abschnitt als sein Vorgänger. Zwar sind rund 1,7 Millionen Zuschauer für einen deutschen Film eigentlich immer noch ein gutes Ergebnis - aber nach 5 Millionen für "Wickie und die starken Männer" durfte man definitiv einiges mehr erwarten (zumal die Produktionskosten für deutsche Verhältnisse nicht gerade gering ausgefallen sein dürften). Woran es wohl lag? An der Abwesenheit des so PR-trächtigen Bully Herbig? Am ausgerechnet in der Startwoche im September traumhaft schönen Spätsommerwetter, das den Leuten die Lust auf einen Kinobesuch nahm? Oder an den 3D-Preisaufschlägen, die sich gerade für Familien - die bei den Wickie-Filmen sicherlich die Hauptzielgruppe sind - ziemlich happig summieren?

Keine Ahnung, jedenfalls wäre es schade, sollte "Wickie auf großer Fahrt" der letzte Wickie-Film mit der bewährten Besetzung bleiben.

Fazit: Wer den ersten "Wickie"-Film mochte, darf sich auch risikolos die Fortsetzung anschaute. Und wer den ersten Film nicht mochte, könnte positiv überrascht werden von einem rasanten, (relativ) spannenden, humorvollen und einfach "runden" Abenteuerfilm für die ganze Familie. 8 Punkte.

Ralf #451997 28/11/11 06:35 PM
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Ralf, ich habe da mal eine Frage. Siehst Du Dir auch deutsche Filme an und bewertest die auch??


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Ähem ... "Wickie auf großer Fahrt" IST doch ein deutscher Film! smile

Normalerweise schaue ich mir im Kino aber eher selten deutsche Filme an - im Schnitt vermutlich so zwei pro Jahr. Konkret erinnern kann ich mich aus den letzten Jahren neben den beiden "Wickie"-Filmen an "Keinohrhasen" und die Fortsetzung "Zweiohrküken", Anfang des Jahres war ich auch in "Poll" und momentan bin ich noch am überlegen, ob ich mir "Hotel Lux" anschaue (wird aber wohl nicht mehr klappen, weil ich noch zuviel besseres aufholen muß). Und solche Sachen wie "Die drei Musketiere" sind ja zumindest deutsche Co-Produktionen und wurden teilweise auch in Deutschland gedreht ...

Ralf #452124 05/12/11 05:53 PM
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DIE ABENTEUER VON TIM & STRUPPI - DAS GEHEIMNIS DER EINHORN (3D):

Als der rasende Reporter Tim (Jamie Bell) auf dem Flohmarkt ein wunderschönes Modell des historischen Segelschiffs "Einhorn" entdeckt, schlägt er sofort zu - und kommt damit gleich zwei seltsamen Gestalten kurz zuvor, die ihm das Schiff sofort wieder abkaufen wollen. Doch Tim, neugierig geworden ob des regen Interesses an einem einfachen Schiffsmodell, lehnt ab und behält es. Allerdings nicht lange, denn schon am gleichen Abend wird es aus seiner Wohnung gestohlen. Davon läßt sich Tim natürlich nicht entmutigen und bei seinen Nachforschungen findet er bald heraus, daß das "Einhorn"-Modell einen Teil des Schlüssels zu einem verlorenen Schatz birgt. Gemeinsam mit seinem treuen Hund Struppi macht sich Tim auf die abenteuerliche Suche ...

Hinter der ersten Hollywood-Verfilmung der legendären belgischen Comic-Reihe von Hergé stehen richtig große Namen: Steven Spielberg hat die Regie übernommen, Peter Jackson fungiert als Produzent und soll die Fortsetzung inszenieren, das Drehbuch stammt von Steven Moffatt ("Coupling", "Sherlock", "Dr. Who"), Edgar Wright ("Hot Fuzz", "Shaun of the Dead") und Joe Cornish ("Attack the Block"). Dazu kommen ein gewaltiges Budget von weit über $100 Mio., die modernste 3D-Technik und eine aufwendige Umsetzung der Dreharbeiten: Denn "Tim & Struppi" wurde ganz normal als Realfilm gedreht, anschließend aber aufwendig mittels Motion-Capturing-Verfahren in einen Animationsfilm umgewandelt.

Ein Verfahren, das bei Zemeckis-Filmen wie "Der Polarexpress" oder "Beowulf" noch für Kopfschütteln und Fragen wie "wenn man schon all diese tollen Schauspieler verpflichtet - warum beläßt man es dann nicht gleich bei einem Realfilm?" gesorgt hatte, hier aber paßt wie die Faust aufs Auge. Einmal natürlich, weil es sich nunmal um die Verfilmung einer Comic-Vorlage handelt und es keine Schauspieler gibt, die der Vorlage genau entsprechen. Entscheidend ist jedoch, daß die Technik mittlerweile sehr viel ausgereifter ist und die Figuren in "Tim & Struppi" nun tatsächlich authentisch wirken - ganz anders als in den erwähnten Zemeckis-Werken. Hier kann man wirklich ganz leicht vergessen, daß man animierten Figuren zusieht, so realistisch wirken sie. Und wer sich mit den Darstellern ein bißchen auskennt, der erkennt auch immer wieder genau bestimmte unverkennbare Manierismen von Jamie Bell als Tim, Andy Serkis als Captain Haddock oder Daniel Craig als Sakharin. Verstärkt wird die technische Brillanz noch durch den hervorragenden Einsatz der 3D-Technik - damit kann meiner Meinung nach kaum ein anderer 3D-Film mithalten, höchstens vielleicht "Avatar".

Leider kann die Handlung mit dieser technischen Brillanz nicht ganz schritthalten. Trotz der namhaften und sehr talentierten Autoren kommt die Story recht zäh in Fahrt, auf der anderen Seite ist dafür der finale Akt - wie in so vielen Hollywood-Blockbustern - zu actionbetont geraten. Dazwischen liefert Steven Spielberg jedoch einen ausgesprochen spaßigen Abenteuerfilm in bester "Indiana Jones"-Tradition ab, mit vielen gelungenen Gags und noch mehr rasanten Actionsequenzen.
Die Figurenzeichnung ist in Ordnung, aber nicht unbedingt herausragend, da darf in der hoffentlich kommenden Fortsetzung gerne mehr geboten werden. Die Musik von John Williams ist sehr solide, aber ehrlich gesagt glaube ich, daß er mit nun 79 Jahren seine allerbeste Zeit als Filmkomponist doch hinter sich hat.

Ein kleiner Kritikpunkt zumindest in der deutschen Synchronfassung ist, daß die Sprecher IMHO teilweise nicht so ganz zu den Figuren passen. Zwar werden die regulären Sprecher der Darsteller verwendet, aber Daniel Craig klingt mir hier beispielsweise zu sehr nach Adam Sandler als nach James Bond ...

Fazit: "Tim & Struppi" brilliert in technischer Hinsicht, leidet unter leichten Storyschwächen, ist insgesamt aber ein rundum gelungenes Vorweihnachts-Familien-Abenteuer-Spektakel. grin
8 Punkte.

P.S.: Was die Fortsetzung betrifft: Eigentlich wurde "Tim & Struppi" von Anfang an als Trilogie konzipiert. Den ersten Teil sollte Spielberg drehen, den zweiten Jackson, den dritten möglicherweise beide zusammen. Ob es überhaupt zu einer Fortsetzung kommt, ist allerdings noch nicht sicher. Denn die bisherigen Einspielergebnisse sind in den großen Filmländern zwar solide, aber (außer in Frankreich) eher unter den Erwartungen. Bleibt zu hoffen, daß die USA - wo der Film erst an Weihnachten starten wird - substanziell zum Einspielergebnis beitragen werden, sonst könnte es ob des hohen Budgets tatsächlich eng werden. Und da "Tim & Struppi" in den USA nicht allzu bekannt sind, wäre ein Riesenergebnis dort eher überraschend ...

Ralf #452153 07/12/11 12:38 PM
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KRIEG DER GÖTTER (3D):

Im antiken Griechenland wächst Theseus (Henry Cavill aus "Die Tudors", nächsten Sommer als neuer Superman zu sehen) als uneheliches Kind auf und ist damit ziemlich weit entfernt von der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie. Er wird ein einfacher Bauer, doch durch einen väterlichen Mentor (John Hurt) lernt er auch das Kriegshandwerk. Das kommt ihm sehr zupaß, als der heraklidische König Hyperion (Mickey Rourke) den Griechen und ihren Göttern den Krieg erklärt. Während Theseus versucht, vor Hyperion an den Bogen von Epeiros, ein extrem mächtiges göttliches Artefakt zu kommen, streiten die griechischen Götter darüber, ob sie eingreifen sollen oder nicht ...

Der indische Regisseur Tarsem Singh ("The Cell", "The Fall") ist bekannt dafür, daß seine Filme visuell berauschend ausfallen, inhaltlich aber eher mau. Genau das hatte ich auch von seinem ersten 3D-Film "Krieg der Götter" erwartet und im Grunde genommen habe ich auch genau das bekommen. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied: "Krieg der Götter" hat mir trotz seiner zahlreichen Schwächen viel mehr Spaß gemacht als seine vorherigen Filme!

Daß "Krieg der Götter" Schwächen hat, läßt sich keinesfalls leugnen. Besonders stark kommt das IMHO in einer Gerard-Butler-Gedächtnis-Ansprache vor dem Showdown zum Tragen und vor allem in der ziemlich unglaubwürdigen Reaktion der Soldaten darauf. Style over substance, ganz eindeutig. Auch ansonsten gibt es immer wieder Szenen, die eher albern wirken und manche Handlungsfäden und Nebenfiguren, die stark vernachlässigt werden.
Trotzdem fallen die Schwächen IMHO nicht so richtig ins Gewicht. Das liegt auch daran, daß die Substanz zwar nicht allzu ausgeprägt ist, aber doch stärker als erwartet. Beispielsweise dachte ich zu Beginn des Films noch, daß ich schon seit Jahren keine derart extreme Schwarz-Weiß-Malerei erlebt habe - doch im Laufe der Handlung relativiert sich das zumindest etwas und das ist vor allem Mickey Rourke zuzuschreiben. Sein König Hyperion ist (trotz geschmacklich fragwürdiger Kostümierung) ein durchaus faszinierender, sardonischer Bösewicht mit einer zwar banalen, aber nachvollziehbaren Motivation. Bei den vielen Nebenfiguren ist das Gut-/Böse-Schema zwar sehr deutlich zu erkennen und allgemein kommen sie in der Geschichte zu kurz. Dennoch gelingt es Tarsem, sie mit wenigen Szenen interessant genug zu gestalten, damit sie nicht reines, überflüssiges Füllwerk bleiben. Ob Stephen Dorff als Theseus´ Mitstreiter Stavros, Freida Pinto ("Slumdog Millionär") als sybillinisches Orakel Phaedra, Joseph Morgan (Ur-Vampir Klaus in "Vampire Diaries") als verräterischer Lysander oder der relativ unbekannte Greg Bryk als hingebungsvoller Mönch - sie bleiben im Gedächtnis.

Der besondere Clou von "Krieg der Götter" ist jedoch natürlich die Miteinbeziehung der griechischen Götter (auch wenn es das natürlich schon in "Kampf der Titanen" gab): Die Auftritte von Zeus (Luke Evans, zuletzt als Aramis in "Die drei Musketiere" zu sehen, nächstes Jahr als Bogenschütze Bard im "Hobbit"), Athene, Poseidon und Co. werden von Tarsem wuchtig, spektakulär und erstaunlich "splattrig" in Szene gesetzt - da mögen ihre Rüstungen noch so albern aussehen (von manchen Kritikern werden sie nicht ganz zu Unrecht mit den Bühnenoutfits von Lady Gaga verglichen grin ), die Götter hinterlassen definitiv Eindruck!

Die meisten Kritiker haben "Krieg der Götter" mit Zack Snyders "300" verglichen, aber in vielerlei Hinsicht erinnert mich dieser Film vielmehr an den guten, alten "Conan, der Barbar": Nicht nur, weil diverse Story- und Charakterelemente übernommen werden, sondern auch wegen dieser gewissen "scheißegal, wieviele objektive Schwächen der Film haben mag - er macht einfach verdammt viel Spaß!"-Attitüde, wegen des gelungenen, treibenden Soundtracks von Trevor Morris - auch wenn er natürlich nicht die Brillanz von Basil Poledouris´ legendärem "Conan"-Score erreicht - und der zwar nicht gerade einfallsreichen, aber zweckdienlich konsequenten Story.

Und dazu kommt dann erst noch die Optik! Dies ist nun mein dritter 3D-Film in Folge und es ist der dritte in Folge, bei dem ich es nicht bereue, den Aufpreis von 1,50 Euro bezahlt zu haben. So langsam scheinen es die Filmemacher wirklich rauszuhaben, wie man die 3D-Technik nicht nur zum Geldscheffeln einsetzt, sondern damit tatsächlich das Kinoerlebnis bereichert. Die Actionsequenzen von "Krieg der Götter" wirken jedenfalls hervorragend (und das, abgesehen von der Schlußszene, ganz ohne "aus der Leinwand fliegende" Pfeile oder Äxte), die räumliche Tiefe ist beeindruckend. Ja, SO macht das wirklich Laune!

Wie gesagt, das Kostümdesign ist sicherlich gewöhnungsbedürftig - manche würden auch sagen: lächerlich -, aber wenn man sich damit abfinden kann, dann liefert "Krieg der Götter" in visueller Hinsicht genau das, was man von Tarsem erwarten durfte - auch wenn zugegebenermaßen der Einfallsreichtum der phantastischen Bilderwelten von "The Cell" und "The Fall" fehlt.

Fazit: "Krieg der Götter" ist ein kompromißloses Action-Fantasy-Spektakel, dessen Stärken sicher in der visuellen Umsetzung liegen - aber auch inhaltlich macht er bei aller Banalität der Handlung sehr viel Spaß, wenn man mit den richtigen Erwartungen an ihn herangeht (zartere Gemüter seien aber ausdrücklich und trotz FSK16-Freigabe gewarnt, daß der Film sehr blutig daherkommt). Tarsems neuestes Werk wird es schwer haben, in meiner Jahresabrechnung in die Top10 zu kommen - aber den Titel als "Best Guilty Pleasure" hat er so gut wie sicher! 8,5 Punkte.

P.S.: Übrigens läuft "Krieg der Götter" an den weltweiten Kinokassen erfreulicherweise besser als erwartet und hat bereits mehr als das doppelte seiner Produktionskosten eingespielt. Eine im Film bereits eingeleitete Fortsetzung liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, wenngleich Hauptdarsteller Henry Cavill durch seine Superman-Verpflichtungen möglicherweise terminliche Probleme bekommen könnte ...

Ralf #452161 08/12/11 10:34 PM
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Also ich weiß nicht... du klingst ja richtig begeistert, und dabei habe ich jedes Mal, wenn ich den Trailer zu dem Film gesehen habe, mein teuer gekauftes Bier in hohem Bogen von mir geben wollen. Der Trailer hat mir zumindest wirklich den Eindruck vermittelt, daß der Film eine oberpeinliche 300-Kopie in billigster 3D-Optik mit noch bescheuerterer Story und noch viel mehr Ausrufezeichen in Monologen ist. grin
Was dachtest du denn, nachdem du den Trailer gesehen hattest, und wie würdest du diesen Eindruck jetzt im Nachhinein einordnen?


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"
elgi #452171 09/12/11 11:07 AM
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Ich weiß gar nicht, ob ich den Trailer je gesehen habe (ich versuche, außerhalb des Kinos sämtliche Trailer zu vermeiden, weil die mich schon zu oft in die Irre geführt oder aber gleich zu viel verraten haben), aber wenn du die Ausrufezeichen ansprichst, dann war das garantiert die von mir kritisierte Gerard-Butler-Gedächtnisansprache. Die ist wirklich höchst albern, das war aber eigentlich das einzige Mal, daß mir diese Sprechweise aufgefallen ist. Ich hatte ja selbst einen "300"-Klon erwartet, aber ganz ehrlich: Abgesehen von der grundsätzlichen Thematik habe ich nicht viele Ähnlichkeiten erkannt. Selbst die Optik unterscheidet sich meiner Meinung nach deutlich, weil Tarsem eben doch seinen eigenen Stil eingebracht hat. Okay, in der Inszenierung der (menschlichen) Kampfszenen gibt es wohl ein paar Parallelen und der (zum Glück sehr kurze und auch sehr offensichtliche, deshalb keine Spoiler-Warnung) Verräter-Subplot zu Beginn erinnert sogar deutlich an "300".
Aber insgesamt halte ich Vergleiche mit "Conan, der Barbar" tatsächlich für wesentlich angebrachter - auch deshalb, weil "Krieg der Götter" wie "Conan" gar nicht erst versucht, als ernsthafter Film rüberzukommen, sondern stolz darauf ist, unkomplizierte und handfeste Fantasy-Action im Stile der alten Pulp-Magazine zu liefern. "300" dagegen wollte sich ja (natürlich auch wegen der Graphic Novel-Vorlage) eher als Kunstfilm aufspielen, hat sich aber selbst durch diverse unnötige Storyerweiterungen und ein Übermaß an Pathos etwas ausgebremst (wir haben damals ja recht ausführlich darüber diskutiert). Ich mag "300" trotzdem, aber der "Krieg der Götter"-Ansatz ist mir deutlich sympathischer.

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