Dass es genug wichtigere Probleme in der Welt gibt, bestreitet ja niemand. Aber das bedeutet doch nicht, dass man vor jedem weniger wichtigen Problem die Augen verschließen sollte. Genau die gleiche "Argumentation" gab es bei Guttenberg auch schon. Hätte man über seine Plagiate hinwegsehen sollen, nur weil es den Klimawandel gibt?

Zu dem Kredit zitiere ich mal diesen Satz aus dem Wikipedia-Artikel über Wulff: "Nach Auffassung von Staatsrechtlern wie Herbert von Arnim verstieß Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz, welches die Annahme von Belohnungen und Geschenken, wozu auch verbilligte Kredite zählen, mit Bezug auf das Amt verbietet." - wie kommst du zu der Einschätzung, der Kredit sei "offensichtlich nicht illegal" gewesen?

Anscheinend ist ja nicht mal sicher, "dass es ein Darlehen gab, da Wulff außer dem Kredit-Vertrag keinerlei Beweise für die Existenz eines Darlehens vorgelegt habe; so hat Wulff bisher keine Nachweise für eine Tilgung des Kredits vorgelegt."

Findest du es nicht merkwürdig, dass der Kreditgeber den Kredit in Form eines anonymen und durch das Girokonto seiner Frau gedeckten Bundesbankschecks gewährt hat? Oder dass bei einem Kredit in Höhe von einer halben Million Euro im Grundbuch keinerlei Sicherung eingetragen wurde?

Wenn ich Journalist wäre, würde ich auch nachbohren, um herauszufinden, ob die halbe Million nicht vielleicht doch ein Geschenk war, das durch einen nachträglichen Vertrag zum Kredit umdeklariert wurde. Wieso hat Wulff den Privatkredit kurz nach der mündlichen Anfrage im niedersächsischen Landtag durch ein Geldmarktdarlehen abgelöst, wenn mit dem Privatkredit alles in Ordnung war? Wieso kündigt Wulff an, "Transparenz" herstellen zu wollen, weigert sich aber erst mal, "die BW Bank für Auskünfte über Details der Kreditvergabe vom Bankgeheimnis freizustellen"? Wieso legt er keine Nachweise über die Tilgung seines Privatkredits vor, obwohl die Kreditaffäre seit Wochen vor sich hinköchelt?

Und auch bei der Kreditvergabe der BW Bank ist ja vielleicht nicht alles korrekt zugegangen: "Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft geht mittlerweile dem Verdacht wegen Untreue gegen die BW-Bank im Zusammenhang mit dieser Kreditvergabe nach. Experten vom Institut für Finanzdienstleistungen errechneten für das Darlehen der BW Bank über die gesamte Laufzeit von 14,5 Jahren einen Vorteil in Höhe von 107.800 Euro gegenüber üblichen Konditionen."

Falls Wulff sich die halbe Million hat schenken lassen oder falls er sich über seine Beziehungen günstigere Kreditbedingungen verschafft hat, obwohl das nach dem niedersächsischen Ministergesetz verboten ist, stellt das meiner Meinung nach keineswegs eine Bagatelle dar. Den Wutanruf hingegen bewerte ich auch eher als eine Dämlichkeit, aber wer sich zu einer solchen Dämlichkeit hinreißen lässt, darf sich über reichlich Häme in den Medien nicht beschweren.

Die Düsseldorfer Flugaffäre scheint immer noch nicht richtig aufgeklärt zu sein. Deswegen und weil auch bei Wulffs Affäre noch nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen, möchte ich bislang nicht bewerten, was nun schlimmer ist. Weswegen hältst du diese Affäre für schlimmer?

In diesem Zusammenhang finde ich übrigens einen Artikel der Financial Times vom Dezember interessant: Wulff, sein Anwalt und die Affäre Rau ... "Bundespräsident Christian Wulff wird in diesen Tagen an ein Zitat von ihm aus dem Jahr 2000 erinnert. "Ich leide physisch darunter, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten haben", sagte er damals." - und jetzt nimmt er sich den Anwalt, der damals mithalf, Rau aus der Schusslinie zu befördern.