SALSWEILER von Alexander Nofftz:
Salsweiler, ein kleines, abgelegenes Dorf im Bornland: Die Travia-Novizin und Waise Hesinja ist eigentlich bereit, eine Geweihte ihrer Göttin zu werden, doch dafür muß ihr Bronnjar, der aufbrausende und für den Tod ihres Vaters verantwortliche Graf Joost, sie für die Pilgerfahrt zum Travia-Haupttempel freigeben. Als dieser sich weigert und Hesinja befiehlt, als Magd in seine Dienste zu treten, bricht für die hübsche 16-jährige eine Welt zusammen ...
"Salsweiler" ist ein ziemlich ungewöhnlicher Neuzugang in der DSA-Roman-Reihe, da er gut 200 Seiten lang ein reines Charakterstück ist, in dem eigentlich kaum etwas passiert, sondern "nur" der beschwerliche Alltag der Leibeigenen im Bornland beschrieben wird - anhand der Person Hesinjas, die ganz eindeutig im Zentrum der Geschichte steht. Das Problem der unvermittelten Perspektivwechsel, das ich bei einigen DSA-Romanen der letzten Zeit kritisieren mußte, gibt es hier nicht, wirklich alles wird aus der Sicht von Hesinja beschrieben. Das hat den Vorteil, daß die Protagonistin sehr detailliert und überzeugend beschrieben werden kann und ein hohes Identifiaktionspotential für den Leser bietet. Allerdings geht dies leider auf Kosten sämtlicher übriger Figuren des Buches. Graf Joost wirkt noch einigermaßen lebendig, aber alle anderen Personen bleiben dem Leser fremd, ihre Motivation weitgehend ein Rätsel. Zugegebenermaßen ist das speziell bei einigen sehr reißbrettartigen Nebenfiguren (der notgeile Stallknecht, die gehässige Köchin) kein allzu großer Verlust, doch andere Personen (die Gräfin, Hesinjas Pflegeeltern, der Majordomus, einige Besucher) hätten durch eine sorgfältigere Beschreibung deutlich interessanter werden können.
Obwohl also "Salsweiler" gut 200 (der insgesamt nur knapp 280) Seiten lang eine eigentlich ziemlich uninteressante und potentiell langweilige Handlung erzählt - natürlich nur, sofern man nicht ausgemachter Anhänger dieser Art von Story ist -, gelingt es dem Autor, sie unterhaltsam zu erzählen. Hesinjas Leiden und ihre charakterliche Wandlung im Laufe der Monate sind nachvollziehbar und mitfühlend beschrieben, auch wenn sie selbst für eine 16-jährige mit (relativ) hartem Schicksal eine arge Heulsuse ist. Damit ist "Salsweiler" soweit zwar kein Highlight der Reihe, aber definitiv grundsolide, sogar vergleichsweise anspruchsvolle Unterhaltung.
Wenn ... ja, wenn da nicht die letzten ca. 60 Seiten wären! Denn ab einem bestimmten Zeitpunkt zieht das bis dahin sehr gemächliche Erzähltempo rasant an, die Geschehnisse überschlagen sich regelrecht und die Handlung wartet mit einigen Überraschungen auf. Für meinen Geschmack ist das jedoch eindeutig zu viel des Guten. Der Tempowechsel ist zu stark ausgeprägt und zu abrupt durchgeführt, um im Zusammenspiel mit dem vorherigen Text homogen zu wirken. Die Intrigen, die ans Licht kommen, sind entweder so stümperhaft, daß man sich fragt, wie irgendjemand mit einem Hauch von Verstand sie nicht spielend leicht aufdecken könnte - oder aber dermaßen abgehoben, daß selbst Sherlock Holmes´ Erzfeind Professor Moriarty sie nicht durchziehen könnte (immerhin merkt der Autor das wohl selbst und schiebt deshalb eine kleine Alibi-Erklärung ein, die zwar nicht wirklich überzeugt, aber die Kritik doch ein wenig abzufedern vermag) ...
Actionfreunde werden durch dieses finale furioso möglicherweise mit der vorherigen Langsamkeit versöhnt, aber für mich ist es kein wirklich gelungener Schluß (abgesehen vom bewegenden Epilog).
Leicht negativ ins Gewicht fallen zudem einige aventurische und sonstige Ungereimtheiten (warum macht sich in einem Dorf mit nur gut 200 Einwohnern eine Woche lang niemand Sorgen, wenn eine sonst sehr gesellige Person spurlos verschwindet?) sowie mein "Lieblingsthema", das Lektorat: Diesmal ist die Anzahl der Tipp-, Grammtik- und sonstigen Fehler leider wieder ziemlich hoch, vor allem im letzten Drittel häufen sie sich unschön (wenngleich mich die Beschreibung der Frau mit den "langen dunklen Augen" immerhin zum Lachen brachte

). Das Highlight fiel mir jedoch sogar schon vor Beginn der Lektüre auf: Laut Buchrücken wurde das Buch nämlich von einem "Alexander Nofftz" geschrieben, auf der Titelseite im Buch ist dagegen von einem "Alex Noffz" die Rede. Nun kann ich ja noch nachvollziehen, daß ein Alexander zu Alex wird - aber daß der Nachname eines Buchstaben verlustig geht, erscheint mir dann doch eher ungewöhnlich ...
Fazit: "Salsweiler" ist ein ruhiger, in sich stimmig geschriebener Roman mit einer interessanten Protagonistin. Viele blasse Nebenfiguren und das irgendwie unpassend wirkende, actionreiche Finale trüben das Gesamtbild jedoch nicht unerheblich. Note 3-.
P.S.: Dies ist der erste DSA-Roman unter Federführung von Ulisses. Das merkt man leider nicht nur am zusätzlichen Ulisses-Logo auf dem Umschlag, sondern vor allem an einer anderen Art der Bindung, die alles andere als leserfreundlich ist. Während die DSA-Romane bis dato eine ziemlich konventionelle, recht flexible Bindung hatten (im Grunde genommen wie die meisten anderen Taschenbücher), ist sie bei Ulisses nun unerklärlich steif, weshalb es beispielsweise schon schwierig ist, das Buch aufgeschlagen abzulegen, ohne daß es von selbst wieder zuklappt. Nun bin ich kein Experte in Sachen Buchbindungen und bestimmt gibt es viele mögliche Erklärungen für diese Veränderung (höhere Haltbarkeit? Umweltverträglicheres Verfahren?), aber angesichts der bisherigen Handlungen von Ulisses seit Übernahme von DSA tendiere ich deutlich zu der Vermutung, daß es so einfach billiger in der Herstellung ist ...
Immerhin scheint Ulisses entweder selbst gemerkt zu haben, daß das alles andere als leserfreundlich ist, oder sie haben auf Kundenbeschwerden reagiert, jedenfalls konnte ich zum Glück feststellen, daß es nur vier DSA-Romane mit dieser steifen Bindung gibt (darunter leider auch Schweiges "Mörderlied"), danach wurde wieder auf eine sehr viel flexiblere umgestellt. Immerhin.
