Eigentlich wollte ich zu dem Thema ja nichts mehr schreiben, weil ihr wie die meisten Deutschen sowieso schon lange eine Gehirnwäsche der Medien hinter euch habt, was das Thema betrifft, und immun gegen Argumente seid. Aber ich schätze, Steffen bezieht sich auf die Schlecker-Sache, und dazu muß ich dann doch etwas schreiben. Ich weiß, daß ich mich damit wieder mal unbeliebt machen werde, aber was soll´s. Ich bin´s ja gewohnt.

Komischerweise fällt keinem auf, wie perfide es ist, daß alle anderen Parteien die Entscheidung der FDP, sich GEGEN eine Bürgschaft für eine Transfergesellschaft zu wenden, reine Wahlkampftaktik sei. Mein Gott, was wäre das denn für eine Wahlkampftaktik, sich wissentlich dem Zorn aller Uninformierten auszusetzen, indem man vermeintlich "herzlos" handelt? Tatsächlich war die FDP hier die EINZIGE Partei, die NICHT (komplett) wahlkampftaktisch gehandelt, sondern sich an die verdammte Gesetzeslage gehalten hat. Für die Schlecker-Beschäftigten ist gemäß der Verfassung nunmal die Bundesagentur für Arbeit zuständig und die könnte/kann das auch relativ problemlos erledigen - genau wie die unzähligen Insolvenzen von mittelständischen und Kleinunternehmen in Deutschland selbst in wirtschaftlich guten Jahren! Es gibt KEINEN vernünftigen Grund, warum diese Aufgabe plötzlich die Länder übernehmen sollten. Bei Opel beispielsweise konnte man seinerzeit durchaus so argumentieren, weil da eine große Anzahl an Arbeitsplätzen in einer ganz konkreten Region verlorengegangen wäre. Zuviele, als daß die regionalen Arbeitsagenturen sich alleine darum hätte kümmern können. Aber die Schlecker-Arbeitsplätze sind ja deutschlandweit verteilt und deshalb für die Arbeitsagenturen zu bewältigen.

Die Forderung nach einer eigenen, durch die Länder finanzierten Transfergesellschaft war nichts anderes als eine populistische Wahlkampfveranstaltung der anderen Parteien, weil es hier zur Abwechslung mal nicht um "nur" zwei Dutzend gefährdete Arbeitsplätze ging oder um ein paar Hundert, sondern um mehr als 10.000 auf einen Schlag (die zudem sowieso nicht gut bezahlt waren). Das ist öffentlichkeitswirksam, das bringt Wählerstimmen, das bringt Pluspunkte in den Medien. Wen interessieren denn schon die gesetzlichen Vorgaben in Deutschland ...

Achso, wer könnte eigentlich diese gesetzlichen Vorgaben ändern? Moment, mal nachdenken ... ich hab´s gleich ... ach ja, natürlich: DIE POLITIKER! Wenn ihnen die bisherige Praxis also nicht paßt, dann sollen sie verdammt nochmal einfach die Gesetze ändern und sie nicht stattdessen immer dann ignorieren, wenn es ihnen gerade mal in den (Wahlkampf-)Kram paßt! Aber es gibt eben gute Gründe für die momentane Gesetzeslage, das WISSEN die besagten Parteien auch und deshalb werden sie sie natürlich nicht ändern. Das sagt den Wählern nur keiner.

Es gibt wahrlich vieles, wofür man die FDP kritisieren kann. Für ihre erstaunlich konsequente Haltung in der Schlecker-Thematik nicht (was zugegebenermaßen auch daran liegen dürfte, daß sie es sich bei den momentanen Umfragewerten leisten können - noch tiefer kann es ja kaum gehen). Was übrigens von führenden Vertretern der u.a. von Ddraiggy so geliebten - zumindest zu einer Zeit, als ich seine Posts noch gelesen habe - Piraten-Partei ähnlich gesehen wurde, nachdem ihnen die Faktenlage erklärt wurde ...

Übersichtlich erklärt auch hier:
Contra Transfergesellschaft
Aber da das von einem Wirtschaftswissenschaftler stammt, ist es ja sowieso nur haltloses Propagandageschwätz, im Gegensatz natürlich zu den ausgefeilten, faktengestützten Erläuterungen von Gewerkschaftern und Politikern ...

Achja, und noch was zu den angeblich gebrochenen Wahlversprechen bei der letzten Bundestagswahl. Das ist ja auch so eine Mär, die vor allem von der Opposition gerne und erstaunlich skrupellos gesponnen wird, erneut in voller Kenntnis der eigentlichen Tatsachen. Und Tatsache ist beispielsweise, daß das Wahlprogramm (vulgo die Wahlversprechen) einer Partei grundsätzlich das anzeigt, was die Partei im Falle einer ALLEINregierung umsetzen würde. Da es heutzutage selbst in Bayern keine Alleinregierung mehr gibt, sollte es eigentlich nicht so schwer zu kapieren sein, daß man in einer Regierungskoalition mit einer anderen Partei niemals alles aus dem Wahlprogramm umsetzen kann. Und wenn man - wie die FDP - Juniorpartner in einer Regierungskoalition ist, dann kann man von Glück reden, wenn man überhaupt ein paar öffentlich sichtbare Punkte des Wahlprogramms umsetzen kann. Das ist der FDP in bescheidenem Ausmaß gelungen - dummerweise hat man dabei für in der Öffentlichkeitswirkung denkbar ungünstige Punkte entschieden (Stichwort Steuererleichterungen für Hotels - in der Sache übrigens durchaus sinnvoll und in vielen anderen europäischen Ländern schon seit Jahren gängige Praxis, zu einem Zeitpunkt mitten in einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise aber natürlich eine selten dämliche Auswahl).

Speziell die Damen und Herren von den Grünen, die ja immer ganz vorne dabei sind, wenn es heißt, die FDP als Wahllügner zu beschimpfen, sollten sich doch einfach mal ihre Wahlprogramme vor der rot-grünen Regierungszeit unter Schröder anschauen und das, was sie davon umsetzen konnten (als Juniorpartner neben einem wohlgemerkt weit wohlgesonneneren Regierungspartner als die FDP ihn mit der Union hat). Es hat schon seinen Grund, daß beispielsweise ein Joschka Fischer unter "Hardcore"-Grünen als Verräter an der Sache der Partei gilt. Und es hat erst recht seinen Grund, daß viele Grünen-Wähler inzwischen zu den Piraten abgewandert sind (und in ein paar Jahren zur nächsten neuen Hoffnung weiterziehen werden, wenn sie erkennen, daß auch die Piraten keine radikal neue Politik werden umsetzen können).

Und das sage ich wohlgemerkt als jemand, der in seinem Leben weit öfter die Grünen gewählt hat als die FDP ...