Originally Posted by elgi
Da bist du bei mir an der falschen Adresse, denn der beschriebenen Meinung bin ich nicht.


Diese Frage ging auch nicht nur an dich wink

Originally Posted by elgi
Aber du tust doch genau das, was ich versucht habe zu kritisieren. Du denkst in Verbotskategorien, weil du offensichtlich etwas im Sinne hast, was in dieser oder jener Ansicht verbietenswert wäre. Ich hingegen stelle die Frage, warum man denn etwas machen wollen sollte, was in dieser oder jener Ansicht verbietenswert wäre.


Wenn du überlegst, was andere für verbietenswert halten könnten, um dann genau das zu vermeiden, bist doch eigentlich du derjenige, der in Verbotskategorien denkt. Ich überlege mir ja nicht, was andere für verbietenswert halten könnten, um dann genau das zu tun. Wenn man allerdings alles vermeiden wollte, was irgendein Mensch für verbietenswert hält, könnte man kaum noch etwas tun, denn bei fast allem wird es irgendjemanden geben, der dagegen ist.

Originally Posted by elgi
Ich bin mir schon dessen bewußt, daß das sehr nach Friede, Freude, Eierkuchen klingt... und auch dessen, daß man ja im Grunde genommen an aller Kritik etwas finden könnte, woran man sich stört. In der Hinsicht verallgemeinere ich, das gebe ich zu. Aber die Tatsache, daß wir von Verboten reden, ist ja genau das, was ich meine. Wenn ich etwas auf eine Art kritisiere, die erst gar nicht in die Gefahr des Verbotenwerdens kommt, erreiche ich meiner Meinung mehr, als wenn ich eine Art und Weise wähle, die so viele Menschen so sehr verletzt, daß man überhaupt an Verbote denkt. "Mehr erreichen" heißt in diesem Zusammenhang, daß man tatsächlich da eine Änderung hervorruft, wo es auch zählt: Nämlich bei den entsprechenden Menschen. Natürlich kann man auch höchstkontrovers ein Thema ins Visier nehmen und es dabei in Kauf nehmen, zahlreiche Menschen mit der - berechtigten - Kritik vor den Kopf zu stoßen. Nur was nützt das? Ja, man hat die Kritik geäußert... toll. Ändert es etwas am Kritisierten?


Ich habe gesagt, dass bestimmte Formen der Kritik erlaubt sein sollten, aber ich habe nicht gesagt, dass das die einzig möglichen Formen der Kritik sein sollten, und dieser Meinung bin ich auch nicht. Bei manchen Menschen kann man mit behutsamer Kritik viel mehr erreichen als mit scharfer Kritik, das ist richtig. Bei anderen aber kann heftige Kritik eventuell dazu führen, dass sie sich überhaupt mal mit einem Thema auseinandersetzen, während vorsichtig verpackte Kritik sie nicht dazu bringt, ihre Position zu überdenken. Ich finde, beides kann seine Berechtigung haben. Es gibt keinen "Königsweg" der Kritik, mit dem man immer und bei jedem Menschen zum Ziel käme. Dazu sind die Menschen zu verschieden.

Originally Posted by Ddraigfyre
Ich schätze das liegt daran, dass dabei generell eine andere Wertigkeit empfunden wird. Natürlich sind politische Ansichten ebenso eine private Sache - aber eher auf einer sachlichen Ebene. Sie können sich relativ schnell ändern - zumal sich auch die politischen Programme der jeweiligen Parteien relativ schnell ändern können. Gibt ja auch genug Menschen die nicht immer dieselbe Partei wählen, sondern alle paar Jahre was anderes.

Der persönliche Glaube hingegen wird weit stärker als emotionale Überzeugung empfunden und wird daher sensibler behandelt. Glaubenslehren und Dogmen ändern sich auch nicht alle Nase lang, sondern bleiben konstant. Die Leute wechseln im Gegensatz zur Politik schließlich nicht alle paar Jahre ihre Konfession.

Kurz gesagt: Politik ist eine Variable, Religion hingegen eine Konstante. Und mit Konstanten gehen wir generell anders um als mit Variablen. Nämlich ernsthafter. Ob das immer richtig ist, ist eine andere Frage.


Das klingt schon mal nach einem guten Ansatz. Mit "politischer Überzeugung" meine ich allerdings nicht die Ansichten zu tagespolitschen Themen, sondern die Grundüberzeugungen. Bin ich der Überzeugung, dass Wohlstand möglichst gleich auf alle verteilt werden sollte, oder meine ich, dass diejenigen wesentlich mehr haben sollten, die wesentlich mehr leisten? Oder die Einstellung zu "großen" Themen, die über viele Jahre in der Gesellschaft debattiert werden, wie innere Sicherheit - will ich zur Eindämmung von Kriminalität mehr Überwachung oder steht Bürgerfreiheit für mich im Vordergrund? Solche Überzeugungen bleiben meist sehr lange erhalten, daher würde ich sie schon den Konstanten zuordnen.

Etwas anderes ist es natürlich, ob ich der aktuellen Gesetzesvorlage X von Partei Y zustimme, denn da wird es öfters mal Abweichungen zur Linie einer Partei geben, selbst wenn man ihre Politik sonst für richtig hält. Aber ähnliche Abweichungen gibt es in der Religion auch: Als überzeugter Katholik kann man etwa trotzdem der Meinung sein, dass der Zölibat ein Fehler ist oder dass die Benutzung von Kondomen erlaubt sein sollte.

Abgesehen davon gibt es auch Menschen, die ihr ganzes Leben lang aus Überzeugung dieselbe Partei wählen. Kommunisten ist von den Kirchen oft genug vorgeworfen worden, sie propagierten eine Ersatzreligion. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks ist bei manchen überzeugten Kommunisten auch das ganze Weltbild zusammengebrochen, was ich durchaus mit einem religiösen Menschen vergleichen würde, der durch äußere Umstände seinen Glauben verliert. Eine stark ausgeprägte politische Überzeugung ist meiner Meinung nach schon oft eine Konstante. Auf Protest- und Wechselwähler trifft das natürlich weniger zu.

Aber so eine Abstufung gibt es in der Religion ebenfalls: Manche Menschen haben einen stark ausgeprägten Glauben, befolgen alle Gebote und beteiligen sich sehr aktiv am religiösen Leben. Andere sind zwar auch gläubig, nehmen ihre Religion aber weniger wichtig, halten sich nicht an alle Gebote und/oder beteiligen sich kaum am religiösen Leben. So klar ist die Unterscheidung "Variable/Konstante" meiner Meinung nach daher nicht.