MÖRDERLIED von Stefan Schweikert:

Ein Serienmörder geht um in Gareth, doch lange hat es niemand gemerkt. Erst als der Sohn einer angesehenen Adelsfamilie ermordet wird, bemerkt der eigenbrötlerische, aber intelligente Stadtgardist Torm, daß es einen Zusammenhang zu einigen früheren ungeklärten Mordfällen gibt: Allen Opfern wurde vom Mörder ein Finger abgetrennt. Geronius Bosko, erfahrener Inspector der Garether Criminal-Cammer und berühmt-berüchtigt für seine unkonventionellen Ermittlungsmethoden, wird mit der Aufklärung der Mordserie beauftragt und macht sich gemeinsam mit Torm an die Arbeit. Doch der Fall ist höchst rätselhaft und daß Bosko sich zudem mit den Intrigen des übelmeinenden Inspectors Marnek herumärgern muß, macht die Angelegenheit nicht einfacher ...

Nachdem Geronius Bosko in Schweikerts gelungenem DSA-Roman-Debüt "Über den Dächern Gareths" eine durchaus erinnerungswürdige Nebenrolle spielte, wurde er für "Mörderlied" flugs zur Hauptperson befördert. Zumindest theoretisch und zu Beginn. Daß sich der Fokus des Autors im Handlungsverlauf weg von Bosko verschiebt und zunehmend zerfasert, ist denn auch einer meiner Hauptkritikpunkte an "Mörderlied".

Bosko ist schlicht und ergreifend ein so guter und interessanter Protagonist, daß er es verdient hätte, die gesamten 400 Seiten über klarer "Hauptdarsteller" zu sein. Damit will ich nicht sagen, daß ich mir eine One-Man-Show gewünscht hätte, keineswegs. Es gibt ja auch noch den kaum weniger unterhaltsamen Torm, dazu den mit Torm verfeindeten heißblütigen Jung-Inspector Hane und natürlich den mysteriösen Mörder, aus dessen Perspektive jeder Kapitelbeginn geschildert wird. Das wären schon mal vier wichtige Figuren, auf die man die Handlung hätte aufteilen können, auch mit fünf oder sechs hätte ich gut leben können.

Leider sind es letztlich in etwa doppelt so viele und nicht alle sind auch nur halb so interessant wie Bosko, Torm, Hane oder der Mörder. Vor allem der immer stärker an Gewicht gewinnende Handlungsstrang um Inspector Marnek, der unbedingt Bosko diskreditieren will, hat mir doch mächtig auf den Magen geschlagen. Einerseits, weil dadurch die eigentlich sehr spannende zentrale Mördersuche zunehmend an den Rand gedrängt wird. Andererseits, weil Marnek in meinen Augen keine psychologisch stimmige Figur ist. Anfangs scheint es noch so, daß er lediglich von einer geradezu praiotischen Regelfanatismus getrieben wird und deshalb Bosko, der die Regeln gerne mal kräftig beugt und auch mit Kleinkriminellen zusammenarbeitet, um an die ganz schweren Jungs heranzukommen, loswerden will. Also quasi aus Prinzip und Sturheit, was zwar höchst unsympathisch, aber noch nachvollziehbar wäre. Doch sehr schnell wird aufgrund von Marneks Wahl der Mittel klar, daß dieser Erklärungsansatz ins Leere läuft. Und einen einleuchtenderen bekommen wir nicht wirklich präsentiert, weshalb Marnek bis zum Schluß wenig greifbar und sein Verhalten wenig nachvollziehbar bleibt.

Dazu kommt noch, daß Marneks Intrigen ehrlich gesagt ziemlich dämlich sind. Ich gebe gerne zu, daß ich bei dieser Thematik sehr anspruchsvoll bin: Um mich zu überzeugen, müssen Intrigen richtig gut, hochintelligent in der Planung und mit allen Wassern gewaschen in der Ausführung sein. Ob sie dann auch wirklich erfolgreich sind, ist für mich gar nicht so wichtig, der Weg ist das Ziel, sozusagen. Und bei Marnek ist dieser Weg nicht überzeugend. Seine Intrigen sind nicht übermäßig gerissen, sondern einfach nur hinterhältig, dazu macht er mitunter dämliche Fehler und wird nur durch glückliche Zufälle beziehungsweise durch noch dämlichere Fehler seiner potentiellen Opfer auf Kurs gehalten. Ein glaubwürdiger oder gar faszinierender Intrigant (wie im DSA-Universum v.a. die Al´Anfaner Granden) ist Marnek nicht ansatzweise - auch wenn seine Methoden durchaus erfolgversprechend sind.

Und deshalb ist "Mörderlied" für mich ein seltsam zwiespältiger DSA-Roman: Der Teil mit Bosko und der Mörderjagd ist das Beste, was ich bisher von Stefan Schweikert gelesen habe - eine stimmungsvolle, aventurisch authentische Atmosphäre, gut ausgestaltete, ambivalente Figuren, interessante Dialoge, eine ebenso spannende wie (auch dank des gelungenen Einfalls mit den Kapitelanfängen aus der Mörder-Perspektive) mysteriöse Handlung mit einer IMHO deutlich besseren und weniger vorhersehbaren Auflösung als noch bei "Über den Dächern Gareths" (die Identität des Mörders betreffend bin ich diesmal auf eine völlig falsche Spur geraten ...). Einwandfrei.
Der Teil mit Marnek und den immer mehr und leider auch immer uninteressanteren Figuren, aus deren Sicht zwischenzeitlich die Handlung vorangetrieben wird - psychologisch wenig überzeugend, mit teilweise unfaßbar dämlichen Verhaltensweisen der Charaktere, zudem ziemlich vorhersehbar.

Fazit: Für den Bosko-Part gibt es die Note 2+, für den Marnek-Part nur die Note 4. Im Schnitt also eine 3+.