Verhält man sich wie ein echter Rollenspieler und handelt nach eigenem Empfinden "richtig", auch wenn das (in der Regel sowieso minimale) Nachteile mit sich bringt? Oder verhalte ich mich so, daß ich auf jeden Fall das Beste bekomme? Wäre es so leicht, sich immer "gut" zu verhalten, weil es keinerlei Nachteile mit sich bringt, dann wäre es ja schließlich keine moralische, rollenspielerische Entscheidung mehr ...
"Echte Rollenspieler" verhalten sich eigentlich nicht nach dem eigenen Empfinden "richtig", sondern nach dem Empfinden des Characters, den sie übernommen haben. Schließlich kann ein Priester z.B. Dinge anders beurteilen als ein ruchloser Mörder - und beides sollte man in einem "echten" Rollenspiel spielen können.
Was die Moral angeht, bin ich sowieso mittlerweile völlig desillusioniert in Computer-RPGs. Denn worauf basieren diese Entscheidungen im Normalfall in CRPGs? Doch meistens auf der Frage, die du, Ralf, auch ansprichst: Welche Reaktionen, welche Belohnung, welche Konsequenzen, welche Beute, welche Informationen etc. erhält der Spieler nach der entsprechenden Entscheidung. Das hat nichts mit der Frage zu tun, ob etwas moralisch ist oder nicht. Das sind Einzelentscheidung auf Basis von (egoistisch-)utilitaristischen Gedanken, also quase im Rahmen von Einzelethik.
Moral hingegen ist nicht das, was ein Mensch einfach so als gut oder schlecht bezeichnet, sondern entsteht in der Regel aus der Gesellschaft - aus der großen Schnittmenge der jeweiligen Einzelethiken. Die Mühlen der Gesellschaft und der Traditionen erzeugen schlußendlich Sätze wie "Das macht MAN nicht!" oder "Das sollte MAN machen!"
Wenn sich die Entscheidungen der Spieler darauf beziehen würden - also auf den sozialen Background der gespielten Charaktere - und nicht auf die schnöden Einzelbeziehungen zwischen ein paar Charakteren im Spiel, würde ich von moralischen Entscheidungen sprechen.
In unseren P&P-Runden wurde dementsprechend nicht jenes Verhalten "belohnt", welches wir persönlich gutheißen, sondern solches, das am ehesten dem jeweiligen Charakter entspricht. So würde mein Öko-Terrorist in Shadowrun nicht zwei Mal darüber nachdenken, einem Typen, der seinen Giftmüll im Wald ablädt, einen Pfeil zwischen die Augen zu verpassen... dafür würde er persönlich belohnt werden durch den Spielleiter (vllt. nicht gleich direkt, aber er würde es sich merken). Im Spiel selbst könnte es natürlich wiederum schwerwiegende Konsequenzen geben, weil gerade jemand ermordet wurde... aber der Charakter hätte nach seinen Überzeugungen und nach seiner moralischen Sozialisation gehandelt.
Ein gewiefter Geschäftsmann würde Bilder von der Abfall-Aktion machen und den Umweltsünder erpressen. Ein gutgläubiger Narr würde hingehen und ihn bitten, seinen Müll doch bitte woanders zu entsorgen. Usw. usf.
In normalen CRPGs gibt es grob gesagt vllt. 3 Varianten: Gegen den Umweltsünder kämpfen, den Umweltsünder überzeugen, dsa Ganze ignorieren. Alle drei Varianten werden für alle Spielcharaktere gleichermaßen bei der Berechnung der Konsequenzen herangezogen (sofern sie aufgrund ihrer Fertigkeiten überhaupt alle Möglichkeiten haben). Fertig.