Nach dem beeindruckenden Sieg von Bayern gegen ManCity kann man denke ich ein kleines 100-Tage-Fazit zu Pep bei den Bayern ziehen:

Bisher durchaus erfolgreich und die Handschrift zeichnet sich immer deutlicher ab.

Auffällig ist meiner Meinung nach die gestiegene Flexibilität, die theoretisch natürlich bereits unter Heynckes vorhanden war, aber nicht umgesetzt wurde - weil Heynckes keine Notwendigkeit dafür sah. Und der Erfolg gibt ihm natürlich recht.

Aber Pep ist ein Schüler Cruyffs, bei dem auch grundsätzlich das System an erster Stelle stand (und nicht mal ein einziges System, sondern auch teilweise nach Bedarf angepaßt) und erst dann die Spieler kamen. Dieser Spirit fehlte den Bayern bisher - und offensichtlich auch der Medienlandschaft, wenn ich mir die immer gleichen Fragen bzgl. Lahm im Mittelfeld oder Müller im Zentrum oder Schweinsteiger halbrechts oder oder oder... offensichtlich sind die Spieler gut genug, daß sie das können, und werden durch Übung dann ja noch besser, ohne daß sie auf ihren Stammpositionen erkennbar schlechter werden. Wenn das nicht positiv ist, weiß ich auch nicht mehr.

Auch kann ich das Geschwätz über die so unglaublich hoch stehenden Außenverteidiger und dem fast schon als Libero fungierenden defensiven Mittelfeldspieler nicht mehr hören. Das 3-4-3-System, was es de facto auf dem Platz ist, ist doch nix Neues. Cruyff hat es als Spieler bei Ajax gespielt, als Trainer hat er das Barca-Dreamteam so gestaltet... van Gaal hat Ajax mit dem System zum CL-Sieg geführt. Hinzu kommt, daß man früher auch gerne im 3-5-2-System gespielt hat... also ebenfalls mit "nur" 3 nominellen Verteidigern. Wie hat man es damals bloß geschafft, nicht total unterzugehen?

Ich finde es natürlich löblich, daß die Medien immer mehr auch taktische Dinge ansprechen - solchen Seiten wie Seitenverlagerung.de sei Dank. Aber dabei stellen sie sich des öfteren so nervtötend blöd an, daß einem die Galle hochkommt.

Wie auch immer... auf jeden Fall befindet sich Bayern unter Pep auf dem Weg zu einer noch dominanteren Mannschaft als noch in der letzten Saison. Alleine durch dieses 3-4-3-System wird deutlich gemacht, daß man sich noch mehr auf Überzahl im Mittelfeld konzentrieren will, daß man noch schneller bei Ballverlusten nachsetzen will, daß man bei Ballgewinn noch schneller und dominanter den Gegner beherrschen will.
Ich gehörte anfänglich zu denen, die Angst hatten, daß das bisweilen langweilige Ballgeschiebe von Barcelona Einzug halten könnte bei den Bayern nach Peps Antritt. Aber mittlerweile habe ich den Eindruck, daß Pep nicht den Stil seiner Barca-Mannschaft kopiert hat, sondern die klassische Offensivschule holländischer Prägung (die ja auch schon durch van Gaal Einzug gehalten hat bei Bayern und von Heynckes in gewisser Weise teilweise gepflegt wurde) mit der athletischen Wucht der Bayern kombiniert.
Heraus kommt dabei zwangsläufig hoher Ballbesitz der Bayern, aber wenn das Ganze mal gut läuft, dann ist der Ballbesitz kein Selbstzweck, sondern mündet zügig in Offensivaktionen, die dank der fähigen Spieler meistens erstaunlich abwechslungsreich sind.

Das Schalke-Spiel z.B. oder heute gegen City oder auch das Supercup-Finale gegen Chelsea... das waren schon beeindruckende Partien, wenn man bedenkt, daß Pep erst seit wenigen Monaten im Amt ist.
Wenn es die Bayern schaffen, ihre traditionelle Winterschwäche relativ unbeschadet zu überstehen und ab Frühling 2014 dann erfahrungsgemäß noch besser werden, könnte es bereits in der ersten Saison unter Pep rosig aussehen für uns Bayern-Fans. smile


Und was ich ganz besonders toll an Pep finde - und zwar explizit NICHT nur als Bayern-Fan:
Er ist ebenfalls immer sehr aktiv an der Seitenlinie, aber ich habe bisher nicht erlebt, daß er sich mit dem Schiedsrichter angelegt hätte. Er richtet sein Aktionismus immer an seine eigenen Spieler. So wie es früher auch bei anderen Trainer üblich war. Nicht so wie die "neuen" hyperaggressiven Ausbrüche von Tuchel oder Klopp z.B. Und nein, Klopps Raserei gegenüber dem 4. Schiri ist für mich KEIN Zeichen von Emotionalität.


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"