TODESWANDERER von Yvonne Gees:
Zunächst eine dringende Warnung: Dieser Roman erzählt alles andere als eine Feelgood-Geschichte! Die gesamte Atmosphäre ist extrem düster gehalten und gegen Ende handelt es sich eher um einen Horror- als einen Fantasy-Roman.
Was keinesfalls als Qualitätsurteil mißverstanden werden darf, ich will bloß sagen: Dieses Buch trifft sicher nicht jedermanns Geschmack, zumal es innerhalb der DSA-Reihe vom Stil her ziemlich isoliert dasteht.
Alleine die 80 Seiten sind wahrscheinlich der deprimierendste Anfang, den ich je in einem DSA-Roman gelesen habe! Das wurde selbst mir fast zu viel, obwohl ich eigentlich auf düstere Stimmung in Büchern stehe ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Glücklicherweise wagt die Autorin dann einen kleinen Bruch (achso: wer mehr über die Handlung wissen will, sollte Schweiges obige Rezension lesen, ich will ihn nicht wiederholen) und fügt den einzigen längeren Abschnitt mit einer fast "normalen" Stimmung ein, ehe sie sich dem langen Horror-Ende widmet.
Einen Pluspunkt des Romans verschenkt Yvonne Gees leider ziemlich schnell - das relativ unverbrauchte Nivesen-Szenario. Ab Seite 80 bleibt davon außer der jungen Protagonistin nichts mehr übrig.
Sehr gut - nach einer kurzen Eingewöhnungszeit - hat mir dafür die Figur des versoffenen und ständig fluchenden Söldners Gordon gefallen (mal abgesehen davon, daß "Gordon" IMHO einer der unaventurischsten Namen aller Zeiten ist ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />). Schweige hat die Kraftausdrücke ja bereits angesprochen, über die sich sicher - wie schon seinerzeit bei Hans-Joachim Alpers´ "Piraten des Südmeers"-Trilogie - viele Leser nicht freuen werden. Aber ich sehe es wie schon damals bei Alpers: Zu dessen rauen Piraten paßte diese Sprechweise genauso gut wie bei Gees zu einem korgläubigen Söldern.
Um genau zu sein, ist Gordon meines Erachtens sogar der am glaubwürdigsten dargestellte und am wenigsten romantisierte Söldner der gesamten DSA-Reihe (mal abgesehen davon, <span class='standouttext'>Spoiler : </span><span class='spoiler'>daß auch er letztlich zum bekannten Typus "harte Schale, weicher Kern" zählt</span>).
Die leichten sprachlichen Unausgegorenheiten hat Schweige ja auch schon angesprochen, wobei ich den Eindruck hatte, daß sich das mit zunehmender Seitenanzahl deutlich gebessert hat - am schlimmsten fand ich in dieser Hinsicht eigentlich den Prolog. Entweder galt wieder mal "Übung macht den Meister" oder man gewöhnt sich einfach daran - ich tippe aber mal optimistisch auf die erste Alternative. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Fazit: Ein etwas ungeschliffener, aber sehr spannender Roman mit starken Horror-Einschlägen. Wer sich davon (und vom deprimierenden Beginn) nicht abschrecken läßt, wird mit einem lesenswerten Buch belohnt, das zwar nicht unbedingt mit einer allzu originellen Story aufwartet, diese dafür aber konsequent, nervenzerrend und emotional erzählt. Note 2.

P.S.: Ich glaube, nach meinem Studium bewerbe ich mich bei FanPro als Lektor. Die können nämlich WIRKLICH einen brauchen ...

Last edited by Ralf; 06/12/04 12:03 PM.