MARASKENGIFT von Markus Tillmanns:
Tja, mein lieber Schweige, so einig wir uns sonst auch meistens sein mögen - bei Markus Tillmanns scheinen sich unsere Geister doch zu scheiden ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Tillmanns´ erste Romane "Das Daimonicon" und "Todgeweiht" haben mir beide gut gefallen. Seine Fähigkeiten wurden darin schon klar ersichtlich: Er hat einen gut lesbaren, flüssigen Schreibstil, einen erfrischenden Humor und vor allem die Fähigkeit, eine unheimlich spannende, gruselige Atmosphäre aufzubauen!
Ebenso offensichtlich wurde aber auch seine große Schwäche: Daß er nämlich bislang nicht wirklich in der Lage ist, eine durchgehend überzeugende, stringente Handlung zu ersinnen. Das hatte auch zur Folge, daß ich beiden Romanen über weite Strecken begeistert war, aber je näher das Ende kam, desto enttäuschender wurde die Story und ihre Auflösung - und gerade der Schluß bleibt dem Leser natürlich besonders im Gedächtnis.
Nun, eines muß ich Tillmanns lassen: In "Maraskengift" hält er das Niveau der Geschichte bis zum Ende auf annähernd gleichbleibendem Level - nur ist das leider nicht allzu hoch ...
Zur Handlung hat Schweige ja schon etwas erzählt, deshalb erspare ich mir das.
Jedenfalls war ich sehr frohgemut an das Buch herangegangen, zumal es Tillmanns gelungen ist, selbst Pflichtaufgaben wie das Glossar oder die Dramatis Personae mit humorigen Sprüchen aufzulockern und lesenswert zu gestalten. Und der Kniff mit den beiden Erzählern, die die Geschichte etwas anders im Gedächtnis haben - sehr vielversprechend!
Leider kam schon bald die Ernüchterung. Die Idee mit den Erzählern ist zwar grundsätzlich gut - in der Art ihrer Ausführung aber über weite Strecken komplett überflüssig. Die veränderten Details beschränken sich auf Dinge, die für die Geschichte fast grundsätzlich unwichtig sind und die je nach Kapitel veränderten Namen bzw. Geschlechter der Figuren verwirren letztlich eher - was zugegebenermaßen auch daran liegt, daß gerade der Name des Protagonisen Brindijin bzw. Brindijian immer wieder vom Autor (bzw. dem Lektor) selbst verwechselt wird!
Zwar halte ich FanPro zugute, daß die aktuellen DSA-Romane wesentlich weniger Tippfehler u.ä. enthalten als die ersten, aber dafür wirken die verbleibenden gerade in solchen Situationen natürlich umso nerviger ...
Aber letztlich ist diese Erzählstruktur in meinen Augen zwar überflüssig bzw. ihr Potential verschenkt, aber das schadet dem Buch eigentlich noch nicht.
Schlimmer ist, daß ich "Maraskengift" weder so amüsant noch so spannend wie die Vorgänger fand! Die dämonischen Perversionen von Schwarzmaraskan sind zwar glaubhaft rübergebracht (auch wenn die Beschreibung manchmal sehr oberflächlich bleibt, v.a. beim Monster in der Höhle), aber irgendwie habe ich die Raffinesse vermißt, die Tillmanns im "Daimonicon" und in "Todgeweiht" ausgezeichnet hat.
UND ich fand die Hauptfigur Brindijin/Brindijian nicht nur etwas naiv - in vielen Situationen war sie schlichtweg so dämlich, daß es mir fast schon körperliche Schmerzen bereitet hat ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Und schließlich, wie üblich, das Finale. Daß die Auflösung letztlich in einem seitenlangen Monolog á la Hercule Poirot besteht, wo alle Details zusammengeführt werden, mag ja manchem Gefallen. Aber ich finde so etwas eher nervig, zumal dann, wenn die Auflösung zwar durchaus logisch ist - aber für den Leser alleine schlicht und ergreifend nicht zu finden ist! Das ist eine Gängelung des Lesers, die in Krimis zwar nicht selten ist, ich aber einfach absolut nicht abkann, sorry.
Davon abgesehen werden mir in diesem Finale auch zu viele Fragen nicht zufriedenstellend beantwortet.
Aber immer mit der Ruhe! Das waren jetzt viele Kritikpunkte, doch SO schlecht ist das Buch nun beileibe auch wieder nicht.
In der Tat sind Tillmanns´ Fähigkeiten ja nicht einfach verschwunden. "Maraskengift" IST durchaus amüsant und auch spannend - nur halt nicht in dem Ausmaß wie in seinen vorangegangenen Romanen (zumindest aus meiner Sicht - Schweige scheint das ja etwas anders zu sehen <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />).
Aber das mit Abstand größte Verdienst von Markus Tillmanns ist es definitiv, daß er hier einen wahrhaft aventurischen Roman vorgelegt hat! "Maraskengift" strotzt nur so vor aventurischen und natürlich speziell maraskanischen Details, daß es für einen DSA-Fan eine wahre Freude ist (das fand ich übrigens auch am besten an der ansonsten arg konstruierten Auflösung). Witzig auch, daß das Buch Karl-Heinz Witzko gewidmet ist, dessen beliebte Romanfigur Scheijian sogar einen kleinen Gastauftritt hat. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />
Fazit: Meiner Meinung nach ist "Maraskengift" Markus Tillmanns´ bislang schwächstes Buch. Ich vermute fast, er hat sich vielleicht so sehr darauf konzentriert, seine große Schwäche (die fehlende Konstanz des qualitativen Niveaus der Geschichte) auszumerzen (was ihm recht gut gelungen ist), daß er dabei seine großen Stärken (Humor und Spannung) etwas vernachlässigt hat.
Deshalb hat er nach zwei IMHO guten Büchern mit Schwächen nun ein sehr durchschnittliches Buch geschrieben, das weder positiv (abgesehen vom aventurischen Detailreichtum) noch negativ sonderlich aus der Masse herausragt. Aufgrund meiner persönlichen Abneigung gegen die spezielle Art der Auflösung des Krimiplots fällt meine Bewertung noch ein klein wenig schlechter aus, das ist aber wirklich rein subjektiv.
Note 3-.
Dennoch bleibe ich dabei, daß der noch junge Autor Tillmanns (der ja immerhin erst bei einem DSA-Kurzgeschichtenwettbewerb entdeckt wurde!) ein großes Talent ist, von dem man noch viel erwarten kann.
Last edited by Ralf; 12/11/05 01:54 PM.