SIEBEN WINDE von Matthias A.W. Ott:
Ein seltsames Buch.
"Sieben Winde" erzählt die Lebensgeschichte des Thorwalers Asbahk Waskirsson, der in jungen Jahren vom berühmten Skalden Thure Hjalmarsson als Schüler angenommen wird. In den folgenden Jahren lernt er jede Menge über Musik, Geschichte, Gesetze, Runen, Kampf und einiges mehr und schließlich erlebt er auf ausgedehnten Wanderungen durch das Nordland und im Krieg gegen die Liebfelder zahlreiche eigene Abenteuer.
Warum also soll dieses Buch seltsam sein?
Nun, das liegt wohl vor allem an Otts etwas gewöhnungsbedürftiger Erzählweise, teilweise aber auch an seinem Schreibstil. So wird schon im Prolog offensichtlich, daß der gute Mann eine gewisse Vorliebe für Schachtelsätze hat.
Was ich persönlich sogar sympathisch finde, da ich als Autor selbst dazu neige ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Aber andere hassen so etwas und dem Lesefluß ist es sicher nicht immer zuträglich. Genauso wenig wie einige andere Sätze, die schlicht unnötig kompliziert sind.
(Wobei ich ehrlich gesagt die Vermutung habe, daß zumindest manche davon nur deshalb so kompliziert sind, weil ein Wort fehlt oder zuviel ist oder an der falschen Stelle steht - falls ich mich damit irre, muß ich tatsächlich zugeben, daß mein Intellekt bei einigen Sätzen nicht in der Lage war, ihre Bedeutung zu verstehen! Und das passiert mir beim Lesen von Belletristik höchst selten ...)
Aber vor allem dürfte dieser "seltsame Eindruck" wirklich an der unorthodoxen Erzählweise liegen. Nicht selten passiert es, daß Ott die Geschehnisse zielstrebig auf einen ganz bestimmten Höhepunkt zulaufen läßt - nur um diesen dann gar nicht zu beschreiben! Stattdessen geht es einfach NACH dem betreffenden Ereignis weiter (z.B. Asbahks Ottajara) und es wird nur beiläufig erwähnt, was passiert ist.
Auf der anderen Seite gibt es dafür Kapitel, in denen Ott in unglaublicher Detailliertheit die unbedeutendsten Ereignisse schildert!
Diese etwas paradoxe Vorgehensweise hat natürlich Vor- und Nachteile. Schlecht ist, daß immer wieder eine bestimmte Erwartungshaltung, eine Vorfreude auf etwas geweckt wird, die dann einfach nicht eingelöst wird! Das kann mitunter schon frustrierend sein.
Andererseits stellt diese Erzählweise dafür sicher, daß man stets mit der gebotenen Aufmerksamkeit bei der Sache bleibt, weil man wirklich NIE wissen kann, was einen im nächsten Kapitel oder selbst auf der nächsten Seite erwartet. Alles ist möglich!
Seltsam ist "Sieben Winde" auch deshalb, weil es eigentlich keine stringente Handlung gibt. Mit durchaus bemerkenswerter Konsequenz erzählt Ott das Leben des jungen Skaldenschülers - nicht mehr und nicht weniger. Aufgrund der Berühmtheit seines Lehrmeisters umfaßt dieses Leben aber immerhin zahlreiche historische Ereignisse und somit ist "Sieben Winde" zu einem Gutteil auch ein liebevoller Blick auf die Geschichte des Nordlandes der letzten etwa 30 Jahre. Auch "Promis" wie Tronde Torbensson, Iskir Ingibjarson oder Asleif "Foggwulf" Phileasson begegnen wir mit Asbahk.
Gerade Liebhaber der "Nordland-Trilogie" werden immer wieder auf Dinge stoßen, die sie mit verklärtem Blick von vergangenen Zeiten träumen lassen ... und seien es nur die kleinen, sonst fast nie erwähnten Ortschaften wie Thoss, Daspota oder Varnheim. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
In der Tat habe ich aber auch das Gefühl, daß man sich wirklich gut mit DSA auskennen sollte, wenn man das Buch komplett genießen können will. Als Leser des Aventurischen Boten konnte ich mich an die meisten historischen Ereignisse (z.B. der Brand Thorwals, die Kämpfe mit den Nostrianern um Kendrar) erinnern, aber ich bin mir ziemlich sicher, daß ich etliche Anspielungen nicht verstanden habe.
Insgesamt läßt sich sagen, daß ich "Sieben Winde" ziemlich schnell durchgelesen habe, weil ich immer wissen wollte, wie es weitergeht. Matthias Ott kann sicherlich sehr gut schreiben (wenn man sich an seine kleinen Eigenheiten gewöhnt), einige Kapitel sind unglaublich intensiv (z.B. das über das brennende Thorwal), viele Dialoge erfreulich geistreich und amüsant und die Charaktere sind ziemlich gut gezeichnet (auch wenn man die Handlungsweisen nicht immer völlig nachvollziehen kann), so daß man trotz der zahlreichen Namen nicht durcheinanderkommt.
Aber leider kommt mir das Buch insgesamt nicht wirklich komplett vor.
Es gibt zu viele Handlungsstränge, die irgendwann einfach nicht fortgeführt oder auch nur zufriedenstellend erklärt werden (Sylvgard? Die Runen? Asbahks Schicksal?). Eigentlich deutet alles auf eine Fortsetzung hin, von der mir leider bisher nichts bekannt ist und auch der Epilog scheint mir eher darauf hinzudeuten, daß es sich um eine abgeschlossene Geschichte handelt.
Sollte das tatsächlich der Fall sein, ist es ein ziemlich unbefriedigendes Ende. Gibt es aber doch eine Fortsetzung, dann bedeutet das für mich eine deutliche Aufwertung von "Sieben Winde".
Fakt ist jedenfalls, daß es mit Matthias Ott einen weiteren talentierten DSA-Autoren gibt, von dem ich gerne mehr lesen möchte - gerade auch aufgrund seiner Eigenheiten, die ihn von der Masse abheben! Dennoch ist Steigerungspotential ganz offensichtlich vorhanden und ich hoffe wirklich, daß es eine Fortsetzung von "Sieben Winde" geben wird. Nicht zuletzt, weil ich schon immer Thorwaler-Fan war ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Auch mit der Benotung tue ich mich diesmal sehr schwer. Als erstem Teil einer Reihe würde ich "Sieben Winde" eine glatte 2 geben, weil die mangelnde Stringenz der Handlung durch viele gute Einfälle und die fordernde Schreibweise kompensiert wird.
Als abgeschlossenes Buch wäre es eher eine glatte 3.
Für jemanden, der einfach nur ein Fantasy-Buch lesen will und keine große Bindung zu Aventurien oder den Thorwalern hat, wäre es vermutlich sogar eine noch niedrigere Note. Aber für die ist das Buch wohl auch gar nicht konzipiert.
P.S.: Achja, ein Tip für die Verantwortlichen bei FanPro: Angesichts der Tatsache, daß die Geschichte über viele Jahre hinweg verläuft, wäre eine gelegentliche Angabe der Jahreszahl hilfreich gewesen, idealerweise zu Kapitelbeginn. Vor allem wenn man bedenkt, daß in manch anderem DSA-Roman bei jedem Kapitel das komplette Datum angegeben wird, obwohl die Geschichte innerhalb weniger Wochen spielt ...
Last edited by Ralf; 19/04/06 05:42 PM.