Bei "Roter Flu�" von Daniela Knor handelt es sich um einen historischen DSA-Roman. Die Handlung spielt also nicht in der DSA-Gegenwart, sondern im Jahre 597 nach Bosparans Fall (umgerechnet 396 vor Hal).

Aktuelle Geschehnisse zu behandeln birgt immer die Gefahr mit sich, denjenigen zuviel zu verraten, welche dazugeh�rige Abenteuer mit ihren Helden spielen wollen. Oder aber es stehen alle auf dem Schlauch, die den Kontext nicht kennen, weil es viel zu viel zu erkl�ren gibt, bis man die Hintergr�nde verstanden hat.

Stattdessen ein St�ck DSA-Chronik mit Leben zu f�llen und aus einer Randnotiz in den aventurischen Geschichtsb�chern ein ganzes Buch zu machen, kann die reizvollere Alternative darstellen: Es gibt ohnehin schon so viele Seiten in Spielhilfen, welche sich nur mit Geschichte befassen, die bei Abenteuern aber praktisch keine Rolle spielt. Umso erfreulicher ist es, da� diese seitenlangen, dr�gen Abhandlungen �ber die Entwicklung Aventuriens von der Schaffung Deres bis heute als Steinbruch f�r ein Buch mit einem interessant erz�hlten Stoff genutzt wurden.

"Roter Flu�" spielt vor dem Hintergrund des zweiten Orkensturms, der sowohl Thorwal als auch das Mittelreich in arge Bedr�ngnis brachte. Die Schwarzpelze, sonst nur in kleinen, schlecht ausger�steten marodierenden Banden unterwegs, ziehen diesmal zu Tausenden los, um zuerst mehrere kleinere Siedlungen der Menschen im Orkland dem Erdboden gleichzumachen. Doch dann hei�t es: Angriffsziel Myrburg! In dieser gro�en Stadt, welche heute den Namen Phexcaer tr�gt, leben Thorwaler gemeinsam mit Mittelreichern. Auch wenn sich die Einwohner einer Stadt mitten in der Wildnis traditionell gut gegen manche Gefahr r�sten: Einer gut organisierten orkischen �bermacht hat man wenig entgegenzusetzen.

Solche Szenarien sind schon �fters in Fantasy-Romanen behandelt worden. Da tut es gut, da� ein wesentlicher Teil der Handlung im Umland stattfindet und abwechselnd Ereignisse in der Stadt und im Orkland geschildert werden.

Hauptheld ist ausgerechnet Hjalgar Herjulfsson, Swafnirkind und Ausgesto�ener, der sich als �berlebensk�nstler in der Wildnis durchschl�gt, indem er die Orkst�mme mit Waffen und Alkohol beliefert und im Gegenzug Felle und Gold nach Myrburg schafft. Eine entscheidende Rolle in der Geschichte soll noch Lysmina Berian spielen, eine B�uerin aus einem Geh�ft nahe Myrburg. Aigur Skrajar�ter, Sippenoberhaupt und Verfechter des traditionellen Thorwalschen Lebensstils, wittert die Gefahr, tut sich aber schwer damit, die breite Masse der Myrburger davon zu �berzeugen. Am falschen Platz zu sein scheint Gorwin Eichhafner, ein Praiosgeweihter und ehemaliger Holzf�ller aus Andergast, welcher auf eine Strafexpedition zu den Thorwalern geschickt wurde, um die nicht besonders praiosgl�ubigen Nordm�nner zu bekehren. Und inmitten des drohenden Chaos versucht Sivas Deriak, ein alternder Dieb und H�ndler, seine Haut zu retten.

"Roter Flu�" enth�lt so viele liebevollen Details, da� man sich als Leser �ber den kompletten Index am Ende freut, der alle Spezialausdr�cke aus Aventurien erl�utert. Wer das Computerspiel "Die Schicksalsklinge" gespielt hat, f�hlt sich direkt zu Hause. Die anderen h�tten sich vielleicht �ber eine Karte Thorwals gefreut, auf der man erkennen kann, wo Orte wie Groenvelden und Bodon liegen.

Im Vergleich zur alten Thorwalbox und dem Nachfolger "Unter dem Westwind" f�llt der Roman sehr treffend aus, was die Thorwaler und ihre Geschichte angeht. Was die Inhalte der Orklandbox betrifft, welche nicht nur �ber die Region, sondern auch �ber die Stadt Phexcaer berichtet, kann ich keine Aussage treffen, da ich diese Spielhilfe leider nicht kenne.

Es kommt sehr gut r�ber, wie die verschiedenen Menschen tief verwurzelt in ihrem Glauben an die Zw�lfg�tter bzw. Swafnir leben und die Orks ein Dasein in ewigem Konkurrenzkampf und Kastenwesen f�hren. Dabei wird auch zwischen verschiedenen Orkst�mmen unterschieden, so da� die gesamte Spanne von den blutd�rstigen Kriegern bis zu relativ friedlichen Handelspartnern abgedeckt wird. Die Orks sind zudem nicht dumm, sondern gehen bei der Belagerung bisweilen recht geschickt vor. Es wird auch eine Erkl�rung daf�r geliefert, warum ein Walw�tiger zum Ausgesto�enen wird, anstatt in der Obhut eines Swafnirpriesters leben zu k�nnen.

Das Buch schildert keine bombastischen Ereignisse von epischen Ausma�en, sondern �berzeugt stattdessen durch Helden mit Fehlern und Schw�chen und Charaktere, die sich ihrer Begrenztheit bewu�t, aber lernf�hig sind. Gegen Ende verlieren die Helden ihre Beschr�nkungen und wachsen angesichts der Gefahr �ber sich hinaus.

Das Titelbild pa�t einigerma�en zur Geschichte, auch wenn die Szene so nicht vorkommt (Thorwaler k�mpfen auf Fl��en gegen Orks - allerdings "oben ohne" und ohne Schild). Von einigen sehr verschachtelten S�tze am Anfang abgesehen, gibt es nicht viel zu kritisieren. Zwar bleibt z.B. unklar, ob sich Askir und Lysmina jemals begegnen (immerhin stammen sie vom selben Wehrdorf und teilen das gleiche Schicksal!). Ebenso wird nicht gekl�rt, was aus Hardger wird. Allerdings ist das auch relativ unwichtig f�r die Geschichte.

Daniela Knor hat keine langatmige Trilogie um die Belagerung Myrburgs geschrieben, sondern ein nettes, gutes DSA-Buch, wie man es immer wieder gerne liest. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, wie man die DSA-Kulisse f�r stimmungsvolle Einzelb�cher nutzen kann.


Weiterf�hrende Quellen:
Aventurisches Geschichtsbuch
insbesondere:
- Spezialthemen -> Thorwal -> Aufschwung und Niedergang
- Fehlerliste -> Nr. 80 "Myrburg und der Riese Orkfresser"
- Fehlerliste -> Nr. 71, "Gr�ndung von Myrburg"

Im Geschichtsbuch wird steht folgende Passage:
"369 vor Hal: Myrburg wird nach halbj�hriger Belagerung durch die Orks vom Riesen Orkfresser gerettet; der Legende nach war es die B�rgerin Lysmina Berian, die den Riesen derart bewegte, da� er sein B�ndnis mit den Schwarzpelzen brach und ihr Heerlager vernichtete"

Demnach hat Daniela Knor die Geschichte ein wenig abgewandelt und aus einer halbj�hrigen Belagerung einen mehrere Tage dauernden Sturm auf die Stadt gemacht. Zudem gibt es im Buch kein offizielles B�ndnis zwischen dem Riesen und den Orks.

In der Wiki Aventurica wird als Quelle f�r Informationen �ber Orkfresser die alte Orklandbox genannt, genauer "Seite 14 in dem Abschnitt 'Die Riesen'".


Zum geschichtlichen Hintergrund:

In dem Buch sind die Thorwaler sind besonders gut auf B�rger des Mittelreiches zu sprechen. Das hat folgende Gr�nde: Die Hjaldinger, welche die Vorfahren der Thorwaler waren, wurden von den Canterern aus ihrer urspr�nglichen Heimat G�ldenland vertrieben. Die Mittelreicher sind die Nachfahren dieser G�ldenl�nder. Klar, da� das zu Konflikten f�hrte. Etwa eineinhalb Jahrhunderte lang stand Thorwal sogar unter mittelreichischer Vorherrschaft. In diese Epoche f�llt die Gr�ndung Myrburgs. Die gemeinsame Stadtgr�ndung 685 vor Hal stellt aber eine Ausnahme dar, denn die Priesterkaiser des Mittelreiches wollten die Stellung der Praioskirche in Thorwal durchsetzen und unterdr�ckten den traditionellen Swafnirkult der Nordm�nner. 562 vor Hal, also etwa 200 Jahre vor der Belagerung Myrburgs, gelang es schlie�lich den Thorwalern in einer Seeschlacht vor Salza, die mittelreichische Flotte vernichtend zu schlagen. Seitdem war Thorwal wieder frei.

Der Kampf um Myburg stellte einen historischen Wendepunkt dar. Er fand w�hrend des sog. 2. Orkensturms statt, in dessen Verlauf die Orks s�mtliche Siedlungen der Menschen im Bodirtal dem Erdboden gleichmachten und zweimal bis in die Stadt Thorwal vordrangen. (In vielen alten Quellen wird die Belagerung Myrburgs auf 369 vor Hal datiert. Einleuchtender w�re allerdings 396 v.H., wenn man die Daten der in den Folgejahren gefallenen Siedlungen betrachtet. "Roter Fluss" benutzt die fr�here Jahreszahl, denn diese entspricht 597 BF.) Wenige Jahre sp�ter waren 1/3 der Bev�lkerung tot, von Seuchen dahingerafft. Parallel zum Niedergang des Mittelreichs versank Thorwal in der Bedeutungslosigkeit.

Dies �nderte sich erst gut 300 Jahre sp�ter, als man wieder Aktivit�t der Nordm�nner im S�den vermeldete: Hetmann Hyggeliks Raubz�ge in den verha�ten Sklavenhalterst�dten.

Der 3. Orkensturm im Jahre 17 Hal schlie�lich h�tte beinahe Thorwal getroffen, wenn nicht eine Gruppe tapferer Helden die Zholochai zwischen Phexcaer und Einsiedlersee aufgehalten h�tten. Doch das ist eine andere Geschichte, die sich in "Die Schicksalsklinge" nachspielen l��t...


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