Der DSA-Roman "Der Letzte wird Inquisitor" von Jesco von Voss wurde mir sowohl von meinem Bruder als auch hier im Forum wärmstens empfohlen. Ein sympathischer Praios-Geweihter als Hauptheld - das klang interessant! Daher wurde es Zeit, sich einen eigenen Eindruck zu machen.

Die Handlung spielt sich Anfang 27 Hal, also kurz nach Borbarads Angriff, im Osten Aventuriens ab, genauer gesagt in den Städten Beilunk, Perricum und der näheren Umgebung. Während sich alle für den bevorstehenden Krieg rüsten, wird Zoltan Imfelde, ein ehemaliger Hauptmann und Spätberufener im Dienst des Götterfürsten, auf eine geheime Mission nach Perricum geschickt. Verrat liegt in der Luft! Heimlichtuerei und üble Machenschaften sind den Dienern des Herrn der Wahrheit und des Lichts verhaßt, besonders natürlich, wenn es sich beim Gegner um einen von Borbarads Schergen handelt. Der eifrige, aber unerfahrene Praios-Novize bekommt daher vorrübergehend den Rang eines Inquisitors und Verstärkung durch eine Gruppe Bannstrahler, um im wahrsten Sinne des Wortes Licht in die Sache zu bringen. Nebenbei verdient sich eine klassische Heldengruppe ihr Geld als Informationsbeschaffer und sowohl die Kaiserlich-Garethische Informations-Agentur (KGIA) als auch ein sehr bekannter NSC haben einen kurzen Gastauftritt. Außerdem gibt es noch Anspielungen auf vergangene Abenteuer ("Verrat auf Arras de Mott" sowie die Gezeichnetenkampagne)...

Ein typisches Abenteuer mit einer ungewöhnlichen Heldentruppe: Daraus wußte der Autor etwas zu machen. Interessant wird's, weil die Vorgehensweise der Charaktere anders ausfällt. Denn wenn Praiosdiener als Protagonisten auftreten, bedeutet das viel Befehlsgewalt und Autorität, aber wenig Handlungsspielraum, was Magie oder gar Streunermethoden betrifft.

Die Ermittlungen im Praios-Tempel erinnern an "Der Name der Rose". Hier zeigt sich auch sofort das Hauptproblem der Helden: Ihr Glauben schreibt ihnen Wahrheit, Offenheit und Direktheit als Handlungsmaxime vor. Nun sind diese Eigenschaften zwar sehr lobenswert, nur leider ein wenig hinderlich, wenn es um die Aufdeckung einer Verschwörung geht, bei der die Heimlichkeit in der Natur der Sache liegt, um den Feind nicht zu warnen. Auch die Frage, wie man mit höherstehenden Verdächtigen umgehen soll, stellt die Ermittler vor ein theologisches Problem. Die ideologischen Grenzen werden auch am angedeuteten Konflikt zwischen Praios- und Rondrakirche deutlicher, als dem Anführer der Mission lieb ist.

Der Ablauf des Buches gleicht dem eines Krimis: Die Suche nach dem Täter, schnelle Verdächtigungen, falsche Fährten, plötzliche Auflösung... es gibt keine parallelen Erzählstränge oder Zeitsprünge wie in anderen Fantasybüchern. Bis auf Pro- und Epilog wird praktisch nur aus der Perspektive des Protagonisten berichtet, der die Rolle des Detektivs übernimmt.

Um auf ungewöhnlichen Pfaden zu wandeln, muß der Held natürlich selbst ein wenig anders sein als die anderen: Als ehemaliger Krieger besitzt er Kampferfahrung und Offenheit gegenüber der Rondrakirche. Seine praktische Denkweise und seine kritische Haltung gegenüber einigen Angehörigen des eigenen Ordens machen ihn zu einem untypischen Vertreter des Praios-Kultes.

Was ihn letzten Endes sympathisch macht und das Buch funktionieren läßt, ist seine Empathie. Er sorgt sich um seine Leute und fühlt sich für sie verantwortlich. Zoltan ist alles andere als perfekt und weiß das auch. Es wirkt sehr menschlich, wenn seine Gedanken abschweifen oder er voreilige Schlüsse zieht. Ein perfekter Ermittler à la Sherlock Holmes, der immer alles besser weiß, würde den Leser weniger interessieren. Auch verfolgt Zoltan nicht alle Spuren weiter. Andererseits sind nicht alle Details und Merkwürdigkeiten relevant. Stattdessen ist viel Unwichtiges dabei - wie in einem guten Abenteuer!

Es sind Detailschwächen, welche das Lesevergnügen ein wenig mindern:
- Völlig ohne Erklärung bleibt, wieso nach einem Kampf mit einem Gestaltwandler dessen vorletztes Opfer am Boden liegt, obwohl er offensichtlich den Körper schon viel früher übernommen hatte. (Zur Erinnerung: Ein Gestaltenwandler kann sich immer nur in sein letztes, und zwar totes Opfer verwandeln.) Zu diesem Zeitpunkt hätte der Gestaltenwandler die Leiche doch längst entsorgt!
- Zwischendurch werden die Alibi-Namen der KGIA-Agenten vertauscht. Plötzlich heißt die Frau Sturmfels und der Mann Fuxfell.
- Das Titelbild - grüngekleidete, bärtige Bogenschützen schießen auf einen nicht sichtbaren Feind, Galottas (?) Grinsen vor rotem Hintergrund - hat mal wieder nichts mit der Geschichte zu tun. Hier hätte man sich mehr Mühe geben können, zumal das Buch genügend spannungsgeladene Szenen liefert.

Von diesen Fehlern abgesehen bereitet "Der Letzte wird Inquisitor" eine Menge Freude. Das Buch bietet genügend Anknüpfungspunkte für eine Fortsetzung, ohne das allzu zwingend herauszufordern. Zum Vergleich bietet es sich an, "Koboldgeschenk" von Gun-Britt Tödter zu lesen - das spielt auch in Perricum und enthält außerdem einen Stadtplan! Eine Rezension habe ich bereits früher in diesem Faden geschrieben.

P.S.: Ob "Alchim von Bergthann" eine Anspielung auf "Alrik von Blautann" ist? Ich lese übrigens bereits das nächste DSA-Buch.


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