SATINAVS AUGE von Tobias Radloff:

Vinsalt, kurz vor dem Tod der Kaiserin (der seit etwa einem Jahr den üblichen Thronfolgestreit zurfolge hat, hier aber eben nicht thematisiert wird): Auf der großen Einweihungsfeier des neuen Hauptsitzes des Heiligblutordens treffen sich die Wege der jungen und hitzköpfigen Gardistin Silvanessa und des tolpatschigen Zauberlehrlings Anconio. Anconio rettet Silvanessa eher ungewollt das Leben, worüber diese sich ob des gewaltsamen Todes ihres großen Bruders wenig später aber kaum freuen kann. Silvanessa kennt fortan nur ein Ziel: Rache! Doch dafür muß sie erst einmal herausfinden, wer für den Tod ihres Bruders verantwortlich ist. Dabei trifft sie zufällig erneut auf Anconio und fortan machen sie gemeinsame Sache ...

Erstmals seit längerer Zeit hat wieder mal ein etablierter DSA-P&P-Autor einen DSA-Roman veröffentlicht. Das läßt den geneigten Leser auf Großes hoffen, erinnert er sich doch freudig an die Werke von DSA-Autoren wie Karl-Heinz Witzko, Ulrich Kiesow, Lena Falkenhagen oder Bernhard Hennen. Doch für Radloff sind diese Fußstapfen im Roman-Bereich noch eindeutig zu groß!
Das Vinsalt-Setting ist zunächst mal eine willkommene Abwechslung in der sonst doch eher Mittelreich-zentrierten Roman-Reihe, doch leider macht der Autor daraus viel zu wenig. Würde die Handlung stattdessen in Gareth stattfinden, würde man das abgesehen von den Vinsalt-spezifischen Namen und Institutionen (sowie dem Rapier als Haupt-Fechtwaffe) kaum bemerken. Das typisch horasische Flair kommt in "Satinavs Auge" einfach viel zu wenig rüber.
Auch die Handlung selbst kann nur teilweise überzeugen. Für Begeisterungsstürme ist die klassische Krimi-Story viel zu altbacken, auch wenn sich schon recht bald und nicht wirklich unerwartet herausstellt, daß es noch um viel mehr geht als "nur" einen simplen Mordfall. Die Charaktere sind zwar im Großen und Ganzen glaubhaft, aber auch recht klischeebeladen: Die stürmische Gardistin, der ungeschickte Zauberlehrling, der sinistre Kirchenmann, der arrogante Hofmagier, der Gentleman-Dieb ... da ist nichts wirklich Originelles dabei.

Dazu kommt, daß dem Roman irgendwie die nötige Stringenz fehlt. Auf (durchaus vorhandene) sehr gelungene Kapitel folgen unfaßbar langweilige (es sei denn, man findet die Wirkungsweise von Uhren so ungemein spannend wie offenbar der Autor ...), auf vergnügliche Dialoge -meist zwischen Silvanessa und Anconio, deren gemeinsame Kapitel auch die absoluten Highlights des Buches sind - folgen platte oder solche, die wohl eher unfreiwillig komisch geraten sind ("Bei Rondra, bluten kann ich später!").
Immerhin ist die Geschichte aventurisch sehr authentisch sowie insgesamt gut durchkonstruiert und flüssig geschrieben. Ich habe auch schon deutlich schlechtere DSA-Romane gelesen - nur um das klarzustellen. In seinen guten Phasen weiß "Satinavs Auge" sehr wohl zu unterhalten. Aber ich hatte mir deutlich mehr erwartet.

Note 4+

Damit gibt es nun erstmals seit dem Wechsel der Reihe zu FanPro zwei Romane am Stück, die mich nicht überzeugen konnten - hoffentlich nur eine Mini-Krise ...