Sehr schön!
Wie bei einem einst (von beiden Seiten!) mit einigem Eifertum bestrittenen Thema sich inzwischen sich alles auf einem vernünftigen und ruhigen Level eingependelt hat, sowas wie Normalität eingekehrt ist - mit durchaus positiven Effekten, die teils nicht so erwartet waren.
Frauen und Männer: Neueste Ermittlungen im Krisengebiet - Ich habe nicht abgetrieben[/i]Im Zweifel für das Kind: Früher mobilisierte der Paragraf 218
Hunderttausende, heute ist ein Abbruch im besten Fall reine
Privatsache.[i]Steffen Kraft
Feminismus war gestern,
Patriarchat vorgestern. Heute
begegnen sich Männer und Frauen
auf Augenhöhe. Oder etwa nicht?
Eine Artikelreihe erkundet das
aktuelle Krisengebiet. Dies Beitrag
untersucht, was die Liberalisierung
der Abtreibungspraxis für die
Frauenbewegung bedeutet.
...
Das ist nur vernünftig: Zwar werden heute
weniger Frauen schwanger, doch die
Bereitschaft, ein bereits gezeugtes Kind zu
behalten, steigt.
Nicht die gezeugten Kinder sind heute ein
Problem, sondern die ungezeugten. Die Zeiten,
als zumindest das politische Bekenntnis zum
Schwangerschaftsabbruch für fortschrittliche Frauen ein Muss war, sind
vorbei.
Heute wollen viele junge Frauen selbst ein ungeplantes Kind austragen.
Eine von ihnen ist die Berlinerin Eike Braunsdorf. Als die hellblauen
Streifen auf dem Schwangerschaftstest erschienen, fragte sich die 26
Jahre alte Fotografin kurz, ob sie nicht alles zurückdrehen sollte.
Den Vater des Kindes kannte sie erst seit wenigen Wochen. Es war eine
romantische Nacht gewesen – und damals war keinem von beiden klar,
wie lange die Beziehung halten würde.
„Ein Baby – kann ich das überhaupt?“
Eike Braunsdorf verdrängte die Frage, sagte ihrer Ärztin, sie solle das
Geschlecht für sich behalten und begann, sich Namen auszudenken. Im
April wird Lola oder Lasse auf die Welt kommen. Lola oder Lasse wird
ein Baby sein, das ungeplant, aber doch gewünscht ist.
Glaubt man einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung,
sind Kinder wie Lola oder Lasse in Zukunft häufiger zu erwarten. Junge
Frauen, so die Studie, sind heute eher bereit, eine ungeplante
Schwangerschaft auszutragen, als noch zu Beginn der Neunziger.
War die Zahl der legalen Abtreibungen nach der Liberalisierung des
Paragrafen 218 1996 nach oben geschnellt, ging sie in den folgenden
Jahren wieder zurück. Zwar stieg die Zahl 2004 leicht um 1,3 Prozent
an, hatte allerdings im Jahr 2003 das niedrigste Niveau seit der
Neuregelung erreicht.
Entgegen Befürchtungen von Abtreibungsgegnern hat die
Liberalisierung keinen „Massenmord an ungeborenen Kindern“ (Meisner)
ausgelöst.
Die gesetzliche Möglichkeit, legal einen Fötus zu entfernen, scheint das
Leben paradoxerweise zu schützen. In den alten Bundesländern geben
mehr als drei Viertel aller Frauen an, dass sie ein ungeplantes Kind
austragen würden. 1992 hatten das bloß 64 von 100 Frauen gesagt.
...
Ragon