OK, Zeit für eine neue Review:

Ich gebe zu, ich bin bekennender Fan von Christian "Uh-uh" Ulmen. Also habe ich meinem (durchaus ignoranten) Credo, daß ich deutsche Filme per se Scheiße finde, widersprochen und mir "Herr Lehmann" angeschaut.

Frank Lehmann, gespielt von Christian Ulmen, ist 29 Jahre alte und wird am 9.11.1989 30 Jahre alt werden (daß er jetzt deswegen von allen Herr Lehmann genannt wird, dürfte bekannt sein). Der Film fängt damit an, daß Herr Lehmann auf dem Heimweg von seiner Arbeit als Barkeeper in der Berliner Kneipe Einfall einen Hund auf der Straße trifft und sich nicht traut an ihm vorbeizugehen. Die Szene endet damit, daß Hund und Lehmann besoffen von einer Flache Ballantines auf dem Gehweg liegen und von der Polizei aufgegabelt werden. Man hat als Nicht-Kenner des dem Film zu Grunde liegenden Buches von Sven Regener den Eindruck, als ob das Leben des Herrn Lehmann durch diese Hund-Episode einen gehörigen Schock erlitten hätte... daß wir es hier mit einem Mann zu tun haben, der das beständige mag... schlicht, aber wunschlos... etwas langweilig, aber eben nicht aufregend. Doch der nächste Schock kommt per Telefonanruf: Seine Eltern wollen ihn in Berlin besuchen und ma kuckn, wat der Sohn so treibt. Daß er seinen Eltern gesagt hat, daß er Geschäftsführer eines Restaurants wäre und nicht an der Theke einer Siffkneipe steht, macht die Sache nicht erfreulicher.

Also geht er zu seinem besten Freund Karl - gespielt von Detlev Buck - der ebenfalls eine Kneipe, die "Markthalle", betreibt, und will dort wohl das Gespräch suchen. Aber da kommt der nächste und wohl heftigste Schock: die schöne Köchin Katrin, gespielt von Katja Danowski. Sie hat ne große Schnauze wie er auch, und sie streiten sich schon bei diesem ersten treffen (Lehmann: "Wenn das okay ist, dass hier so Vollidioten bis siebzehn Uhr frühstücken, dann wird das doch wohl auch okay sein, um elf Uhr einen Schweinebraten zu bestellen." ---- Katrin: "Ich würde das mal lieber andersrum ausdrücken: wenn die Welt schon mit Arschlöchern vollgestopft ist, die hier bis siebzehn Uhr frühstücken, wozu brauchen wir dann auch noch Knallchargen, die um elf Uhr schon Schweinebraten bestellen?").

Aber er verlieb sich selbstverständlich in sie.... und das ist wie gesagt erst der Anfang für diesen meiner Meinung nach wundervollen Film, der so vieles in einem zu sein scheint. Ein Kabinett skurriler Typen... eine Hommage an die Belanglosigkeit des Kneipenwesens... eine Verbeugung vor der bierseligen Pseudo-Diskussion... aber gleichzeitig auch eine sensible Darstellung eines Menschen, der an dieser gleichsam magischen Grenze zum 30. Lebensjahr eine Art Wechsel durchlebt - weg vom ewigjungen "Mal schauen, was kommt"-Leben, hin zu mehr Abwechslung und wohl auch mehr Verantwortung - der bei diesem Film in dem Fall der Mauer kulminiert. Bis dahin gibt es lustige und trotz scheinbarer Lächerlichkeit interessante Dialoge, eine Reise nach Ost-Berlin, die Romanze zwischen Herrn Lehman und der schönen Köchin, die - soviel kann man wohl verraten - kein Happy End hat (besonders in jener Szene ist Christian Ulmen übrigens hervorragend), Probleme mit Karl, der nebenher noch als Künstler tätig ist oder es zumindest versucht, und viel, viel Bier. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

In der Tat, es ist nicht die Geschichte, die in diesem Film zählt, sondern meiner Meinung nach in allererster Linie die Figuren. Z.B. Karsten Speck als Detlef, die Lederuschi, Besitzer einer Schwulen-Kneipe, der sich in Gegenwart von heterosexuellen Gästen nicht wohlzufühlen scheint. Oder etwa Hartmut Lange als Erwin, Besitzer der Kneipen, in denen u.a Lehmann und sein Freund Karl arbeiten... Erwin z.B. hat panische Angst vor der Polizei, weil die - so sagt man jedenfalls - auf der Suche nach Drogen in Kneipen ist und schon einige geschlossen hat. Was uns zu Janek Rieke als Kristall-Rainer bringt... ein unscheinbarer Kerl, der nichts anderes macht, als ein Kristallweizen nach dem anderen zu kippen, aber trotzdem von allen für einen Zivilbullen gehalten wird ("Wieso glaubt ihr jetzt alle, dass der Zivilbulle ist?" ---– "Ja wenn der auch immer Kristallweizen trinkt, ohne Zitrone.").

Aber ganz besoners die beiden herausragenden Akteure, Detlev Buck als Karl, den die Osnabrücker Nachrichten sehr treffend als eine Mischung aus Robert De Niro in "Taxi Driver" und Chief Bromden, dem stummen Indianer aus "Einer flog über das Kuckucksnest", bezeichnet, und selbstverständlich Christian Ulmen als Frank Lehmann, der den unscheinbaren, bisweilen melancholischen, immer besserwisserischen aber durchweg sympathischen Loser vortrefflich spielt. Da wird wohl auch die Tatsache mit reinspielen, daß es sehr leicht ist, einen Teil von sich selbst in diesem Durchschnittscharakter zu sehen... bei einigen mehr, bei anderen weniger. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />

Note: 8! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"