[b]Der letzte Service: zum Tode von Joseph Weizenbaum[/b]"Im Alter von 85 Jahren ist Joe Weizenbaum in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben. Nach einer Chemotherapie hoffte er noch an seinem Geburtstag im Januar, ein schönes Jahr verleben zu können. In einer seiner letzten Mails schrieb der große Kulturkritiker und Mitbegründer der Computer Science:
"Unser Tod ist der letzte Service, den wir der Welt leisten können: würden wir nicht aus dem Weg gehen, würden die uns folgenden Generationen die menschliche Kultur nicht wieder frisch erstellen müssen. Sie würde starr, unveränderlich werden, also sterben. Und mit dem Tod der Kultur würde alles Menschliche auch untergehen."
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Der fulminante Einstieg in das Leben eines Computerkritikers lässt sich auf den Januar 1972 datieren, als in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit Weizenbaums großer Aufsatz "Alptraum Computer" erschien, eine Abrechnung mit der Computertechnik generell, der KI-Forschung und dem Mythos vom fehlerfreien Programmieren. Weizenbaum schrieb damals: "Der meiste Schaden, den der Computer potenziell zur Folge haben könnte, hängt weniger davon ab, was der Computer tatsächlich kann oder nicht kann, als vielmehr von den Eigenschaften, die das Publikum dem Computer zuschreibt. Der Nichtfachmann hat überhaupt keine andere Wahl, als dem Computer die Eigenschaften zuzuordnen, die durch die Presse verstärkte Propaganda der Computergemeinschaft zu ihm dringen. Daher hat der Informatiker die enorme Verantwortung, in seinen Ansprüchen bescheiden zu sein."
Aus diesem Ansatz entstand 1976 das Hauptwerk von Joseph Weizenbaum, "Computer Power and Human Reason", das auf Deutsch unter dem kuriosen Titel "Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft" erschien. In diesem Buch finden sich viele Momente, die später Allgemeingut geworden sind, etwa die Beschreibung der Programmierer-Kultur, die für Außenstehende etwas leicht Irrsinniges hat oder die Kritik an den Versprechungen der Künstlichen Intelligenz. Sein Anliegen formulierte Weizenbaum so: "Ohne Frage hat die Einführung des Computers in unsere bereits hochtechnisierte Gesellschaft, wie ich zu zeigen versuche, lediglich die früheren Zwänge verstärkt und erweitert, die den Menschen zu einer immer rationalistischeren Auffassung seiner Gesellschaft und zu einem immer mechanistischeren Bild von sich selbst getrieben haben." Bis heute ist das Buch ein Standardwerk für jeden, der sich mit dem Problemfeld Computer und Gesellschaft beschäftigt. Wie einflussreich seine Computerkritik gewesen ist, mag die Tatsache belegen, dass die deutsche Ausgabe zu den 20 wichtigsten Büchern der Wissenschafts-Klassiker beim Suhrkamp Verlag gehört und darum im Jahre 2003 als gebundene Jubiläumsausgabe erschien.
..."
Ragon, der Computer-Magier