TROJA:
Ich hatte schon immer ein Problem mit Homers "Ilias": Es gewinnen die Falschen! Ich stand irgendwie stets auf Seiten der Trojaner. Zwar haben die natürlich auch ihre Fehler und sind zudem in Person von Paris verantwortlich für den Ausbruch des Kriegs. Aber wenn man sich mal die Griechen anschaut. Deren König Agamemnon ist ein ziemlicher Despot. Ihr "Superheld" Achilles ist ein (fast) unverwundbarer Halbgott, der (fast) jeden Gegner besiegt - tolle Leistung, als Halbgott könnte ich das auch ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Und der andere griechische Held Odysseus? Naja, eigentlich ganz sympathisch, bloß daß er es war, der den Krieg mit einer in meinen Augen äußerst unfairen Kriegslist entschied.
Ganz zu schweigen von etlichen weiteren unfairen Aktionen.
Insofern kann ich Regisseur Petersen eigentlich keinen Vorwurf dafür machen, daß mir der Ausgang des Films nicht gefällt - aber das wußte ich ja schon vorher.
Dennoch ist es ein Problem von "Troja". Petersen hat die Trojaner insgesamt sympathischer dargestellt, insofern deckt sich das mit meiner Interpretation der "Ilias". Dennoch führt das weitgehende Fehlen von "gut" und "böse" doch dazu, daß den Zuschauer die Kämpfe oft relativ kalt lassen. Es fehlt - wie zahlreiche Kritiker richtig bemängelt haben - die emotionale Tiefe. Sicherlich auch aufgrund der unzähligen wichtigen Charaktere, die Petersen löblicherweise nicht bzw. kaum unter den Tisch fallen ließ (sogar Aeneas hat sozusagen ein Cameo <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />).
Die zahlreichen Kämpfe und Schlachten selbst sind bildgewaltig dargestellt, wenngleich einige recht abrupte Schnitte darauf schließen lassen, daß der Film von Petersen wohl kaum für eine FSK12-Freigabe gedreht wurde ...
Aber zunächst noch ein paar Worte zur höchst illustren, aber nicht gänzlich unumstrittenen Darstellerriege.
Manche empfinden Brad Pitt in der Rolle des Achilles als glatte Fehlbesetzung. Und an Orlando Bloom scheiden sich ja sowieso die Geister.
Aber ich muß sagen, daß mir Pitt als arroganter Brutalo sehr gut gefällt. Zwar sind seine mimischen Fähigkeiten im Vergleich zu Peter O´Toole oder anderen unbestritten etwas limitiert - in der Rolle des Achilles macht das aber nicht allzu viel aus. Dafür wirkt er insgesamt richtig cool. Schade bloß, daß er einen neuen Synchronsprecher bekommen hat - wenn mich nicht alles täuscht, den gleichen wie Vin Diesel. Und diese beiden Männer haben nun wirklich nicht viel gemein. Insofern fand ich das wirklich störend.
Und Orlando Bloom? Ganz ehrlich: Ich war ziemlich begeistert von ihm! Ich fand seine Leistungen in "Herr der Ringe" und "Fluch der Karibik" schon okay, aber als verwöhnter trojanischer Prinz, Schürzenjäger und Möchtegern-Held Paris liefert er sicher die bislang beste Leistung seiner jungen Karriere ab!
Auch Eric Bana darf sich als Gewinner fühlen und dürfte durch seine Rolle als wahrer Held und eigentlich einziger echter Sympathieträger des Films Hector nach seinen Rollen in "Black Hawk Down" und "Hulk" endgültig in der Oberliga Hollywoods etabliert sein. Und sein Zweikampf mit Achilles ist wirklich furios.
Damit kommen wir zu den etwas kleineren Rollen, die allesamt exzellent besetzt sind. Peter O´Toole als König Priamos hofft mal wieder auf seinen ersten "echten" OSCAR (nach einem Ehren-OSCAR für sein Lebenswerk im vergangenen Jahr), Brian Cox gibt einen herrlich diabolischen König Agamemnon und auch über Brendan Gleeson, Diane Kruger, Julie Christie, Sean Bean (als Odysseus relativ unterbeschäftigt) oder Tyler Mane ("Sabretooth" in "X-Men", hier beeindruckend als griechischer Krieger Ajax) kann man nicht meckern. Besonders gut gefallen hat mir auch Saffron Burrows als Hectors Frau Andromache, die dem Film mit zu seinen wenigen emotionalen Highlights verhilft.
Es läßt sich also nicht leugnen: Wie so viele große Hollywood-Blockbuster lebt "Troja" vor allem von den großartigen Schauspielern und den teuren Effekten bzw. Kämpfen. Dennoch sorgt Petersen für einige wirkliche Highlights und überrascht sogar immer wieder mit Details wie den Münzen, die den Toten auf die Augen gelegt werden.
Die Musik von James Horner ist dagegen eher durchschnittlich und - wie gesagt - es fehlt dem Zuschauer irgendwie die Bindung zu den zahlreichen Charakteren. Ich könnte mir sogar vorstellen, daß Homer-Unkundige dadurch leicht überfordert werden. Groß vorgestellt werden die Figuren nämlich nicht.
Insgesamt also ein guter Blockbuster mit einigen Highlights, der aber natürlich seiner literarischen Vorlage nicht gerecht werden kann (das wäre von einem 160-Minuten-Film auch einfach zu viel verlangt).
8,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 07/06/04 03:04 PM.