DER UNTERGANG:
Wer in den letzten Wochen nicht komplett ohne Medien ausgekommen ist, dürfte sowieso schon wissen, worum es geht. "Der Untergang" handelt von den letzten knapp zwei Wochen des Dritten Reichs und basiert auf Joachim Fests gleichnamigem Buch und den Aufzeichnung von Hitlers Sekretärin Traudl Junge.
Der Film konzentriert sich einerseits auf die klaustrophobische Atmosphäre im Führerbunker und andererseits auf den hoffnungslosen Kampf gegen die weit überlegenen Russen um Berlin.
Absolut brillant ist dabei vor allem der Schweizer Bruno Ganz. Seine Darstellung von Adolf Hitler wirkt fast schon beängstigend authentisch. Er vermeidet es, Hitler als Karikatur zu spielen (wie das bei Hollywoodgrößen wie Alec Guinness und Anthony Hopkins wirkte) und überzeugt dabei nicht nur bei den berühmten Wutausbrüchen, sondern vor allem auch in den ruhigen Situationen.
Kaum weniger gut ist jedoch Ulrich Matthes als Goebbels. Seine Kaltblütigkeit zerrt fast noch mehr an den Nerven der Zuschauer als Hitlers Wutanfälle.
Auch der Rest der Besetzung ist diesem Film mehr als angemessen. Ich denke, es ist keine Übertreibung, wenn ich behaupte, daß seit "Das Boot" kein deutscher Film mehr so sehr von hervorragenden Schauspielern lebte. Man kann gar nicht alle nennen, aber stellvertretend möchte ich noch Corinna Harfouch als fanatische Magda Goebbels, Christian Berkel als Arzt Dr. Schenck, Michael Mendl als desillusionierten General Weidling und Thomas Kretschmann als Hitlers Schwager Fegelein hervorheben.
Was die Handlung selbst betrifft, muß man ehrlich sagen, daß gar nicht so richtig viel passiert. Zudem kennt der geschichtsbewußte Zuschauer sowieso schon die meisten Fakten.
Diese Fakten jedoch nun so exzellent und vor allem extrem intensiv in Bilder gefaßt zu sehen, ist ganz einfach nur beeindruckend und teilweise verstörend.
Dabei gelingt es Regisseur Hirschbiegel und Produzent und Drehbuchautor Eichinger glücklicherweise, die meisten Klischees zu umlaufen. Auch die Gefahr, daß man als Zuschauer mit einigen der größten Massenmörder der Menschheitsgeschichte sympathisiert, wurde geschickt umschifft. Zwar stimmt es, daß Hitler in einigen Szenen sehr freundlich und mitfühlend gezeigt wird. Aber durch die zahlreichen anderen Szenen, die Hitlers Größenwahn und Weltfremdheit illustrieren, besteht sicherlich keine Gefahr, daß jemand Sympathien oder echtes Mitleid für ihn empfinden könnte (außer, wenn er sowieso schon Nazi ist ...).

(Insofern halte ich übrigens auch die Vorwürfe einzelner Kritiker für Blödsinn, die die "menschliche" Darstellung Hitlers für "gefährlich" halten. Viel gefährlicher wäre es IMHO, wenn Hitler als im wahrsten Sinne des Wortes unmenschliches Monster gezeigt würde. Denn das würde doch nur zum Glauben verleiten, daß so etwas nie wieder passieren könne. Es ist stattdessen meines Erachtens sogar sehr wichtig, ihn so zu zeigen, wie er (nach vielen Augenzeugenberichten) wirklich war. Auch manchmal freundlich. Eben ein Mensch. Und deshalb besteht IMMER die Gefahr, daß es einmal einen neuen Hitler geben könnte.)

Natürlich setzt der Film dennoch auf einige Sympathieträger, anders wäre es wohl auch kaum möglich. Doch dabei beschränkt man sich auf Leute wie den erwähnten Arzt Dr. Schenck oder Traudl Junge (Alexandra Maria Lara). Es besteht also ebenfalls keine Gefahr der fehlgeleiteten Heldenverehrung von Verbrechern.

Insgesamt ist "Der Untergang" also ein Film, der trotz seiner relativ gering ausgeprägten Handlung aufgrund der ungewöhnlich dichten Atmosphäre und der herausragenden Schauspieler voll und ganz überzeugen kann. Der Behauptung vieler Kritiker, der Film sei der wichtigste deutsche Film seit "Das Boot", kann und will ich jedenfalls nicht widersprechen.
Gespannt bin ich vor allem, wie das internationale Publikum "Der Untergang" aufnehmen wird (internationale Premiere war am Mittwoch beim Festival in Toronto) - winken vielleicht sogar OSCAR-Nominierungen? Wir werden sehen.
Jedenfalls gebe ich "Der Untergang" volle 10 Punkte und wenn ich mich nicht irre, dürfte das damit der erste deutsche Film sein, dem ich in diesem Forum die volle Punktzahl gönne. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Was mich übrigens besonders freut: Im Kino war heute auch mindestens eine Kinoklasse. Was ich normalerweise überhaupt nicht mag. Aber diesmal haben sich die Schüler nicht nur überwiegend ruhig verhalten (daß die Wutausbrüche Hitlers gelegentlich zu leichtem Gelächter führen würden, war zu erwarten) und am Ende applaudiert, viele davon haben beim Verlassen des Kinos sogar sehr ernsthaft darüber diskutiert. Das hätte ich kaum zu hoffen gewagt und falls diese Reaktion nicht atypisch war (was ich nicht glaube), wäre alleine dieses Erreichen einer Generation, die überwiegend nicht mehr viel Ahnung hat vom 2. Weltkrieg (und nur zu oft bei der Wahl auf NPD oder DVU zurückgreift) ein großes Verdienst des Films. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />