Heute gibt´s seit längerem mal wieder einen Doppelpack.

CHARLIE UND DIE SCHOKOLADENFABRIK:
Wie viele Filme von Tim Burton ("Big Fish", "Sleepy Hollow", "Beetlejuice") ist auch die Kinderbuchverfilmung "Charlie und die Schokoladenfabrik" vor allem eines - eine riesengroße Wundertüte: Man weiß nie genau, was als nächstes kommt; aber man kann davon ausgehen, daß es genial ist!
Der junge Charlie (Freddie Highmore aus "Wenn Träume fliegen lernen") lebt mit seinen Eltern und Großeltern in einem winzigen Haus. Sie sind arm, aber trotzdem eine zufriedene Familie. Eines Tages findet Charlie in einer Schokoladentafel eine von fünf "Goldenen Eintrittskarten" für die legendäre Schokoladenfabrik von Willy Wonka (Johnny Depp). Fünf Kinder bekommen von Wonka eine exklusive Führung durch die Fabrik und eines von ihnen wird noch einen ganz speziellen Extrapreis bekommen ...
Tim Burton scheint momentan wirklich in der Form seines Lebens zu sein. "Big Fish" ist ein Meisterwerk und "Charlie ..." kommt IMHO fast an dessen Qualität heran. Der gesamte Film sprüht nur so vor originellen Ideen und skurrilen Einfällen. Vor allem optisch hat sich Burton (und die dafür zuständigen Experten) wieder einmal selbst übertroffen. Die Bilder der winterlichen Stadt sind schon von umwerfender Schönheit, aber das knallbunte Innere der Schokoladenfabrik droht die Sinne endgültig zu überfordern.
Das kann man gar nicht wirklich beschreiben, das muß man einfach gesehen haben!
Es gibt umwerfend komische Musicalnummern (die in der Originalversion übrigens Burtons Leibkomponist Danny Elfman höchstpersönlich singt), spritzige Dialoge und sogar eine grandiose "2001"-Veräppelung.
Danny Elfmans typisch schräge Musik ist wunderbar und vor allem die Darsteller der Kinder sind perfekt gecastet. Johnny Depp spielt den Willy Wonka mit beinahe kindlicher Freude (manche Kritiker meinen übrigens, die Rolle erinnere an Michael Jackson - kann ich nicht nachvollziehen!) und in Nebenrollen brillieren bekannte Gesichter aus Burtons großem Freundeskreis wie der immer noch erfreulich frisch aussehende Christopher Lee oder Helena Bonham Carter.

Alles also wunderbar, dennoch kann ich mich Pats 10er-Wertung nicht ganz anschließen. Allerdings kann man meine Kritikpunkte eigentlich nicht Burton anlasten, sondern Roald Dahl, dem Autor der Buchvorlage. Denn v.a. die Rollen der Kinder sind sehr klischeehaft, eigentlich sogar Karikaturen. Vielleicht ist das sogar gewollt (auf jeden Fall ist es sehr amüsant anzusehen), aber eine etwas größere Differenziertheit hätte ich da schon gerne gesehen. Außerdem wird die Moral von der Geschicht´ (Familie ist viel wichtiger als Geld) regelrecht mit dem Holzhammer auf einen eingeprügelt. Da hätte man IMHO durchaus ein bißchen subtiler vorgehen können.
Aber das sind nur winzige Schwächen, die von Burtons überquellendem Einfallsreichtum fast komplett in den Hintergrund gedrängt werden!
9 Punkte.

DON´T COME KNOCKING:
Der alternde Westerndarsteller Howard Spence (Sam Shepard, der gemeinsam mit Regisseur Wim Wenders auch das Drehbuch verfaßt hat) gerät in eine Sinnkrise und verschwindet einfach auf einem Pferd vom Set des Westerns, den er gerade dreht.
Er versteckt sich bei seiner Mutter (Eva Marie Saint), die er seit 30 Jahren nicht mehr besucht hat. Dort erfährt er auch, daß er Vater eines erwachsenen Kindes ist.
Also macht sich Howard auf, um es zu suchen und schon bald wird er bei seiner früheren Geliebten Doreen (Jessica Lange) und ihrem Sänger-Sohn Earl (stark und ein ziemlich talentierter Sänger: Gabriel Mann) fündig. Doch Earl will nichts von seinem Vater wissen ...
Außerdem gibt es da noch einen Versicherungsagenten (Tim Roth), der Howard an den Filmset zurückbringen soll. Und eine hübsche junge Frau (großartig: Sarah Polley), die scheinbar keine Verbindung zur Geschichte hat und ständig mit der Urne unter dem Arm herumläuft, in der sich die Asche ihrer verstorbenen Mutter befindet.

Wim Wenders´ Karriere läßt sich in gewisser Hinsicht durchaus mit der von Woody Allen vergleichen. Beide haben in den 70er und 80er Jahren wunderbare Filme gedreht, mit denen sie weltweit berühmt wurden. In den 90ern haben beide eine Schwächephase durchlebt, doch jetzt scheinen sie langsam wieder in Fahrt zu kommen. Woody Allen wurde für "Melinda & Melinda" schon gelobt und sein neuester Film "Match Point" erhielt in Cannes sogar standing ovations. Wim Wenders konnte zuletzt mit "Land of Plenty" wieder punkten und erhielt für "Don´t come knocking" ebenfalls in Cannes sogar sensationelle 20 Minuten stehenden Applaus!
Tatsächlich ist "Don´t come knocking" ein deutlicher Fortschritt für Wenders, auch wenn er nicht an Klassiker wie "Der Himmel über Berlin" oder "Bis ans Ende der Welt" heranreicht.
Gemächlich erzählt er hier die unspekatuläre Geschichte seines Protagonisten und bezaubert das Publikum mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen und einem mitreißenden Soundtrack. Die Schauspieler sind größtenteils gut, auch wenn ich Jessica Lange ein wenig übertrieben hysterisch fand.
Dafür zeigt Sarah Polley wieder einmal, welche phantastische Schauspielerin sie ist - jede Szene, in der sie auftaucht, dominiert sie unangefochten, da kann selbst der alte Haudegen Shepard nicht mithalten.
Es ist wirklich eine Schande, daß die meisten Filmfans diese Frau noch immer nicht kennen - und das, obwohl sie letztes Jahr mit "Dawn of the Dead" sogar erstmals eine Hauptrolle in einem typischen Sommer-Blockbuster übernommen hat.
Aber zurück zu Wenders und "Don´t come knocking". In der ersten und vor allem in der wunderbaren letzten halben Stunde gibt es einige Momente, die diese typische Wenders´sche Magie atmen, zudem gibt es - eher Wenders-untypisch - sogar richtig amüsante Szenen. Aber die 60 Minuten dazwischen sind leider etwas sehr langatmig geraten.
Wenders und Shepard bemühen sich in dieser Zeit vor allem darum, die eigentlich recht trostlose Hauptfigur Howard dem Publikum näherzubringen und zu entwickeln. Aber letztlich erfährt man eigentlich doch nicht viel mehr als daß dieser Howard an sich ziemlich unsympathisch ist. Das hätte man aber auch locker in 30 Minuten und einer gestraffteren Erzählweise vermitteln können.

Insgesamt ist "Don´t come knocking" also ein guter Wenders. Kein überragender, aber ein guter. Ein wenig Geduld sollte man als Zuschauer allerdings schon mitbringen. Dann wird man aber vor allem am Ende dafür belohnt.
8 Punkte.