BROTHERS GRIMM:
Anfang des 19. Jahrhunderts ist ganz Deutschland von den Franzosen besetzt. Ganz Deutschland? Nein! Äh ... sorry, falscher Film. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />
Also, wie gesagt: 19. Jahrhundert, D von F besetzt. Die beiden Brüder Jake (Heath Ledger) und Will Grimm (Matt Damon) verdingen sich als eine Art Ghostbuster - allerdings vertreiben sie nur Gespenster, Hexen und sonstige Ungeheuer, deren Vorhandensein sie (auf Grundlage örtlicher Legenden) selbst vortäuschen. Probleme ergeben sich, als die beiden vom französischen General Delatombe (Jonathan Pryce) aufgegriffen werden, der ihre Masche durchschaut hat und sie zwingt, eine ähnliche Geschichte über einen verwunschenen Wald, eine böse Hexe (Monica Bellucci) und zahlreiche verschwundene Kinder in einem kleinen Dorf aufzuklären.
Dummerweise stellen die Gebrüder Grimm bald fest, daß es sich diesmal um wahre Magie handelt und sie mit ihren üblichen Jahrmarktstricks nicht sonderlich weit kommen ...

"Brothers Grimm" ist ein Film des einzigen amerikanischen Mitglieds der berühmten Monty Pythons. Neben John Cleese ist er der einzige, der auch nach deren Ende eine richtig erfolgreiche Karriere aufgebaut hat, und zwar als Regisseur. Seine Filme waren stets kontrovers ("Brazil", "Fear and Loathing in Las Vegas"), skurril ("Time Bandits", "Twelve Monkeys") und bewegend ("König der Fischer"), manchmal auch kommerzielle Flops ("Die Abenteuer des Baron von Münchhausen") - aber alle seine Filme waren auf ihre Art und Weise einzigartig.
Auf "Brothers Grimm" trifft das leider nur teilweise zu. Auf absolut großartige Sequenzen mit dem typischen verqueren Gilliam-Humor folgen immer wieder mal absolut belanglose und unkomische Szenen.
Das liegt wohl hauptsächlich daran, daß Terry Gilliam bei "Brothers Grimm" im Gegensatz zu seinem vorherigen Film "Don Quichote" Kompromisse mit den Produzenten einging.
"Was?", mag jetzt der ein oder andere fragen, "Don Quichote? Hab´ ich was verpaßt?" Nein, keineswegs. Denn bei "Don Quichote", immerhin mit Johnny Depp in der Titelrolle, ging Gilliam KEINE Kompromisse ein - weshalb der Film nie fertiggestellt wurde (stattdessen wurde später der preisgekrönte Dokumentarfilm "Lost in La Mancha" über die vom Pech verfolgten Dreharbeiten veröffentlicht - Ironie des Schicksals ...). Bei "Brothers Grimm" machte Gilliam nach langen Machtkämpfen mit den berüchtigten Weinstein-Produzenten-Brüdern Zugeständnisse (zwei gescheiterte Produktionen hintereinander hätten gut und gerne das Ende seiner Karriere bedeuten können!) und das merkt man dem Film auch an.
Denn so ist eine teilweise ziemlich krude Mischung aus typischem Gilliam-Film und Hollywood-Mainstream-Kino daraus geworden - glücklicherweise überwiegt aber immer noch ersteres, sodaß am Ende doch ein unterhaltsamer Film dabei herauskam.
Dennoch darf man Fehler des Films nicht nur auf die Produzenten schieben - die gigantischen Logiklöcher im Drehbuch (das Gilliam entgegen sonstiger Gewohnheiten diesmal nicht selbst verfaßt hat) lassen sich so sicher nicht erklären ... besser, man denkt erst gar nicht darüber nach, warum dies oder jenes geschieht (oder eben nicht geschieht). Außerdem konnten mich nicht alle Special Effects überzeugen (damit meine ich speziell den Wolf).
Auf der Haben-Seite zu verbuchen sind dagegen die Darsteller. Damon und Ledger machen eine wirklich gute Figur als die Gebrüder Grimm, Peter Stormares spielt seine Rolle als italienischer Folterspezialist herrlich überdreht, Lena Headey spielt überzeugend die toughe Fallenstellerin Angelika und Monica Bellucci (die leider nur ziemlich wenig zu sehen ist) verkörpert die "Mirror Queen" mit unübertroffener Schönheit, Anmut und Boshaftigkeit. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Dazu kommen die wunderschöne Musik von Dario Marianelli (auch wenn sie ziemlich an Danny Elfmans Kompositionen erinnert), die sehr gelungene Ausstattung und Kostüme sowie Gilliams zahlreiche phantasievolle Querverweise auf die Märchen der realen Gebrüder Grimm.

Fazit: Man merkt vermutlich bereits, daß es nicht ganz einfach ist, diesen Film einzuordnen. Auf jeden Fall gibt es kaum ein Werk, bei dem ich sosehr auf einen ECHTEN "Director´s Cut" hoffe wie bei diesem. Damit könnte nämlich noch eine echte Perle daraus werden.
In der vorliegenden Form ist "Brothers Grimm" ein ziemlich abgedrehtes Grusel-Abenteuer, das ein wenig an "Sleepy Hollow" oder auch "Der Pakt der Wölfe" erinnert und qualitativ stark schwankt. Die Gemütsverfassung des Autors dieser Rezension bewegte sich während der Vorführung demnach auch zwischen einem euphorischen "Ich LIEBE diesen Film!" und einem frustrierten "Was soll denn jetzt DIESE lahme Szene?" ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Das ergibt am Ende wohlwollende, wohl nicht ganz objektive 8 Punkte von einem Fan sowohl des Genres als auch des Regisseurs.
Denn trotz aller Schwächen hat mir "Brothers Grimm" letztlich besser gefallen als Gilliams "Twelve Monkeys" oder gar "Fear and Loathing in Las Vegas" (mit Gruß an Elgi <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />).

P.S.: Das Ende läßt übrigens durchaus Raum für eine Fortsetzung - die aber leider angesichts des eher mittelmäßigen kommerziellen Erfolges ziemlich unwahrscheinlich sein dürfte ...

Last edited by Ralf; 06/10/05 04:18 PM.