MERRY CHRISTMAS:
Die wahrscheinlichste sch�nste Begebenheit in der langen und unr�hmlichen Geschichte der Kriegsf�hrung ist hierzulande bislang weitgehend unbekannt:
Im ersten Jahr des Ersten Weltkrieges kam es an vielen Stellen der Westfront an Heiligabend zu einem spontanen Waffenstillstand und einer Verbr�derung zwischen deutschen, franz�sischen und britischen (im Film, genaugenommen, schottischen) Soldaten.

Diese wahre Geschichte erz�hlt die (angemessenerweise) europ�ische Co-Produktion (neben Deutschen, Franzosen und Briten waren auch noch Belgien und Rum�nien beteiligt) "Merry Christmas" - passenderweise aus allen drei Perspektiven.
Im Mittelpunkt steht der deutsche Star-Tenor Nikolaus Sprink (Benno F�rmann, seine Gesangspassagen wurden �brigens vom echten Star-Tenor Rolando Villaz�n synchronisiert), der als einfacher Soldat an der Front eingesetzt wird und an Heiligabend gemeinsam mit seiner Geliebten (oder Frau, das habe ich nicht so ganz mitbekommen), der ebenso ber�hmten, d�nischen Sopranistin Anna S�rensen (Diane Kr�ger) f�r die deutschen Soldaten singt. Mitten in "Stille Nacht" stimmt pl�tzlich ein Dudelsack aus den in Rufweite gelegenen schottischen Sch�tzengr�ben in den Gesang ein. Und so nimmt die Verbr�derung ihren Anfang. Die Soldaten kommen aus ihren Gr�ben hervor, die Offiziere vereinbaren einen inoffiziellen Waffenstillstand und die Soldaten feiern gemeinsam Weihnachten.
Eine wahrlich unglaubliche Geschichte, die man h�chstwahrscheinlich f�r puren Unfug h�lt, wenn man nicht wei�, da� sie wahr ist (abgesehen von der Sache mit den Operns�ngern).
Dem Thema angemessen zeigt Regisseur und Autor Christian Carion den ganzen Film aus drei verschiedenen Perspektiven. Das beginnt schon mit dem beklemmenden Auftakt, wo gezeigt wird, wie jeweils ein Kind ein Propaganda-Gedicht gegen den jeweiligen Feind aufsagt, wonach man alle Deutschen bzw. Engl�nder oder Franzosen restlos ausmerzen m�sse ...
Die Besetzung ist der Rollen ist sehr gelungen. Auf Deutscher Seite spielt vor allem Daniel Br�hl sehr �berzeugend, bei den Engl�ndern Gary Lewis ("Gangs of New York") und Alex Ferns, bei den Franzosen Diane Kr�gers Ehemann Guillaume Canet und Altstar Bernard Le Coq.
Erfreulicherweise ist die bewegende Geschichte von Carion erstaunlich unpr�tenti�s und mit nur wenig Pathos und Kitsch inszeniert worden. Auch verzichtet er darauf, die Schrecken des Krieges zu deutlich darzustellen, was Vor- und Nachteile hat: Einerseits ist dieser Weihnachtsfilm dadurch auch f�r Leute geeignet, die sonst nicht das geringste mit Kriegsfilmen am Hut haben (und der Film ist zurecht bereits ab 12 Jahren freigegeben). Andererseits wirkt es auch ein klein wenig verharmlosend und die zwischenzeitliche Verbr�derung der feindlichen Soldaten nicht so au�ergew�hnlich, wie sie es tats�chlich ist - es fehlt doch irgendwo der eindeutige, krasse Gegensatz zwischen Kriegs- und Friedensszenen.
Dennoch wird auch nicht vers�umt, die Absurdit�t der ganzen Situation herauszustellen, was kurz vor Schlu� in einigen gelungenen Szenen gipfelt, die durchaus an Stanley Kubricks Meisterwerk "Dr. Seltsam" erinnern. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />
Problematisch ist daf�r wiederum, da� "Merry Christmas" ganz offensichtlich ein Wohlf�hlfilm sein will, eben ein echtes Weihnachtsm�rchen. Aber nat�rlich kann die Geschichte nicht gut ausgehen. Denn die Verbr�derung findet irgendwann ein Ende und der Krieg geht weiter. Regisseur Carion hat sich daher f�r einen Kompromi� entschieden: Er verheimlich seinem Publikum zwar nicht, da� die K�mpfe bald fortgef�hrt werden - er zeigt sie aber auch nicht. Im Grunde genommen endet der Film mittendrin und man erf�hrt nicht mal etwas �ber die (fiktiven) Schicksale der sympathischen Protagonisten. Mir pers�nlich w�re da ein etwas dramatischerer Schlu� doch lieber gewesen.
Aber davon abgesehen ist "Merry Christmas" - der f�r Frankreich an den Start geht im Rennen um den diesj�hrigen Auslands-OSCAR - ein wirklich gelungener und handwerklich gut gemachter Weihnachtsfilm, an dem das sch�nste die Tatsache ist, da� er eine wahre Geschichte erz�hlt.
8 Punkte

P.S.: Anhand dieser wahren Geschichte kann man �brigens auch sehen, wie wichtig die Pressefreiheit ist: Denn w�hrend englische Zeitungen offen �ber diese "Weihnachtsgeschichte" berichtet haben, wurden die Geschehnisse in Frankreich und Deutschland rigoros unter Verschlu� gehalten. Viele der damaligen Soldaten und auch einige Geschichts-Experten sind der Ansicht, da� der Erste Weltkrieg an diesem Weihnachten 1914 ein schnelles Ende h�tte finden k�nnen, wenn auch das franz�sische und das deutsche Volk von dieser spontanen Verbr�derung erfahren h�tten ...
P.P.S.: In der Sendung "Aspekte" im ZDF gab es zum Film noch eine interessante Meldung: Adolf Hitler war damals ja einfacher Gefreiter in der deutschen Armee. Auch er war an diesem Heiligabend an der Westfront, doch er sprach sich klar gegen die Verbr�derung aus - als Folge wurde er von seinem Vorgesetzten weg von der Front versetzt und konnte den Krieg so �berleben. Dumm gelaufen f�r den Rest der Welt. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/disagree.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 25/11/05 03:10 PM.