MÜNCHEN:
Während der Olympischen Spiele 1972 in München wurden insgesamt elf israelische Athleten von der palästinensichen Terrororganisation "Schwarzer September" ermordet, nachdem eine Befreiungsaktion der deutschen Polizei in einem Desaster endete.
In den darauf folgenden Jahren fielen zahlreiche Palästinenser, die mit dem Attentat in Verbindung gebracht wurden, anonymen Anschlägen zum Opfer, die mit ziemlicher Sicherheit vom israelischen Geheimdienst Mossad ausgeführt wurden.
Steven Spielberg erzählt in "München" die Geschichte dieser Racheaktion, basierend auf dem heftigst umstrittenen Buch "Vengeance" des Journalisten George Jonas (das passend zum Filmstart erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist). Inwieweit der Film (und das Buch) authentisch ist oder nicht, wird die Öffentlichkeit niemals erfahren (immerhin geht es um GEHEIMdienstaktivitäten!). Fakt ist aber, daß sowohl Palästinenser als auch Juden Spielbergs Werk scharf attackiert haben. Zurecht? Ich meine: Nein!
Ich kann mir keinen Weg vorstellen, wie man dieses heikle Thema ausgewogener präsentieren könnte als Spielberg (der selbst Jude ist) in "München".
Der junge Avner (Eric Bana) wird aufgrund seiner langjährigen Arbeit für den Mossad (allerdings in einem reinen Schreibtischjob) als Anführer einer Gruppe erwählt, die im Auftrag von Ministerpräsidentin Golda Meir (Lynn Cohen) die Vergeltungsaktion durchführen soll. Keiner aus seiner vierköpfigen Gruppe (hervorragend gespielt von Ciarán Hinds, Daniel Craig, Hanns Zischler und Mathieu Kassovitz) ist ein ausgebildeter Killer, dementsprechend zögerlich sehen sie ihrer Aufgabe entgegen.
Spielberg hat die Charaktere dieser Gruppe gut aufgeteilt: Zwei sind von der Sache überzeugt, zwei zweifeln und Avner steht irgendwo dazwischen. Dennoch hat es Spielberg leider versäumt, etwas mehr der 160 Minuten auf eine tiefergehende Darstellung der interessanten und sehr gut besetzten, aber dennoch etwas oberflächlich bleibenden Charaktere zu verwenden.
Das wäre umso besser gewesen, als die eigentliche Handlung naturgemäß doch recht dünn ist - letztlich bleibt das ganze ein Rachefeldzug, auch wenn Spielberg ihn mit thriller-typischen Wendungen (die Palästinenser lassen die israelischen Aktionen natürlich nicht ungestraft auf sich beruhen) und actionreichen Szenen gekonnt aufwertet. Das spannendste sind und bleiben jedoch die hervorragenden Dialoge, in denen sich Spielberg und seine Drehbuch-Autoren mit der moralischen Legitimierung beider Seiten beschäftigen.
Und DAS ist das größte Plus von "München": Er zeigt, daß man - wie im wahren Leben - die Beweggründe BEIDER Seiten nachvollziehen kann. Aber auch, daß die Konsequenzen, die beide Seiten ziehen, alles andere als tauglich sind, um der ewigen Spirale der Gewalt ein friedliches Ende zu bereiten! Kein Wunder, daß diese Friedensbotschaft (Spielberg selbst hat seinen Film als "prayer for peace" bezeichnet) bei israelischen Journalisten und Politikern genauso wenig freudig begrüßt wird wie bei palästinensischen ...

Fazit: "München" ist ein sehr gelungener, wichtiger Film, der allerdings aufgrund seines vorgegebenen Handlungsschemas aus cineastischer Sicht gar nicht perfekt geraten konnte. Zwar ist er formal ein Action-Thriller, eigentlich aber doch eher ein Film über Moral und Ethik und damit nicht gerade ein Genuß für zwischendurch ...
8,5 Punkte für Spielbergs besten Film seit "Der Soldat James Ryan".