THE NEW WORLD:
Eigentlich müßte man für die seltenen Filme von Terrence Malick ("Badlands", "Der schmale Grat") eine eigene Genre-Bezeichnung einführen:
"Du, sag´ mal, was ist das eigentlich für ein Film? Eine Komödie? Ein Krimi? Oder ein Abenteuerfilm?"
"Nein, das ist ein Malick!"
"Ach so, also: phantastische Aufnahmen, eine nur rudimentäre Handlung, wenig Dialoge, aber dafür jede Menge philosophisch angehauchter Kommentare aus dem Off?"
"So isses!"
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Konkret erzählt Malick in "The New World" die alte Geschichte von Pocahontas (auch wenn der Name im Film nie erwähnt wird), aber natürlich ganz anders als Disney vor ein paar Jahren ...
Im 17. Jahrhundert landen unter der Führung von Captain Newport (Christopher Plummer) mehrere Schiffe in der "Neuen Welt" Amerika. An Bord sind Siedler aus England, die hier eine neue Heimat finden wollen. Erste Kontakte mit den Ureinwohnern laufen recht friedlich ab, doch als diesen klar wird, daß die Engländer dauerhaft in ihrem Gebiet siedeln wollen, finden sie das nicht mehr so toll.
Während Captain Newport mit den meisten Schiffen nach Europa zurückkehrt, um Vorräte zu holen, soll Captain John Smith (Colin Farrell) - der einzige erfahrene Soldat an Bord - mit den Indianern um Lebensmittel verhandeln, damit die neue Siedlung bis zu Newports Rückkehr überleben kann. Das Unterfangen scheitert und Smith wird gefangengenommen - nur die Fürsprache der hübschen Häuptlingstochter (sehr gut: die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten erst 14-jährige gebürtige Deutsche Q´Orianka Kilcher) erspart ihm einen schnellen Tod. Smith lernt die Welt der Indianer besser kennen und die Häuptlingstochter und er verlieben sich ineinander ...

Malick nutzt die (zumindest in den USA) sehr bekannte Geschichte um John Smith und Pocahontas vor allem, um wieder einmal seine Lieblingsthemen zu präsentieren: Die (selbst verschuldete) Vertreibung des Menschen aus dem Paradies und die Zerstörung der Natur. Dafür verwendet er wunderbare Aufnahmen des für den OSCAR nominierten Kameramannes Emmanuel Lubezki, die aufgrund des Themas sogar noch beeindruckender sind als bei seinem Anti-Kriegsfilm "Der schmale Grat", unterstützt von der gefühlvollen, oft schwelgerischen Musik von James Horner (und auch einigen klassischen Stücken wie der Ouvertüre zu Richard Wagners "Das Rheingold").
Anders als bei "Der schmale Grat" laufen die Stars in "The New World" nicht gleich im Dutzend herum, dennoch hat Malick sich wieder einmal die Dienste eines exquisiten Darsteller-Ensembles gesichert. Farrell ist die Idealbesetzung für John Smith, Kilcher ist eine echte Entdeckung (die für ihr Kinodebüt auch gleich mehrere Preise erhielt), dazu spielen neben Plummer auch noch Charaktermimen wie Christian Bale, Jonathan Pryce, David Thewlis, Ben Chaplin, John Savage, Wes Studi oder August Schellenberg.

Alles in allem ist "The New World" ein wunderbarer Film, auch wenn Malick zugunsten des Gesamtkunstwerks seine Charaktere des öfteren etwas unrealistisch handeln läßt. Aber: Der Film ist mit Sicherheit nichts für den Massengeschmack, er ist etwas für Zuschauer, die sich auf einen Film und seine Bilder und Assoziationen wirklich einlassen können und wollen - ein Film für Anhänger des Genres "Malick" eben!
So hat es mich auch nicht verwundert, als ich las, daß es derzeit kaum einen Film in den deutschen Kinos gibt, den so viele Zuschauer vorzeitig verlassen wie diesen ...
Wer sich aufgrund des Themas und des Trailers einen klassischen Abenteuerfilm erwartet hat, der wird auf jeden Fall enttäuscht werden. Wem aber Filme wie "Mission" oder "Aguirre, der Zorn Gottes" gefallen haben, der sollte auch "The New World" eine faire Chance geben - zumal er aufgrund der phantastischen Kameraarbeit einer jener Filme ist, die man zwingend auf einer möglichst großen Leinwand sehen sollte ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

8,5 Punkte.

Übrigens: Der Film dauert in der jetzigen Kinofassung 135 Minuten. Ursprünglich sollte er 170 Minuten dauern und selbst die erste Kinofassung ging noch etwa 150 Minuten lang. Noch NACH dem limitierten US-Kinostart hat Malick den Film weiter verkürzt. Man darf sich also mit ziemlicher Sicherheit auf einen schönen "Director´s Cut" auf DVD freuen, der den Film dann womöglich endgültig zu einer meditativen Angelegenheit macht. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />