Der Rachefeldzug muß bei mir doch noch etwas warten, stattdessen war ich zunächst in

BROKEBACK MOUNTAIN:

Das ist er also. Der Film, der als "der schwule Western" in die Kinohistorie eingehen wird. Hat so ziemlich alle Auszeichnungen gewonnen, die es gibt, darunter auch drei OSCARs - allerdings ausgerechnet die Hauptkategorie "Bester Film" sensationellerweise nicht.
Ja, und wie isser jetzt, der Film?
Ganz ehrlich: Ich hätte ihn auch nicht als "Bester Film" ausgezeichnet! In der Tat war ich bereits mit eher gemäßigten Erwartungen in den Film gegangen und das hat einen einfachen Grund: Ich kann einfach mit diesen epischen Lovestorys á la "Vom Winde verweht" oder "Love Story" wenig anfangen. Und wenn es dann - wie in "Brokeback Mountain" - noch nicht einmal eine bezaubernde Schauspielerin in einer der Hauptrollen gibt, dann ist das normalerweise wirklich kein Film für mich. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Trotzdem hat es sich auf jeden Fall gelohnt, daß ich ihn gesehen habe. Aber zuerst doch noch kurz etwas zum Inhalt, kann ja doch noch jemanden geben, der keine Ahnung hat, worum es eigentlich geht ...
Der Süden der USA, in den 1960er Jahren. Die beiden jungen Cowboys Ennis (Heath Ledger) und Jack (Jake Gyllenhaal) ergattern beim Viehzüchter Joe Aguirre (Randy Quaid) einen Job: Sie sollen den Sommer über eine riesige Schafherde auf die saftigen Weidegründe des Brokeback Mountain führen und dort vor Wölfen, Coyoten, Menschen und ähnlichem beschützen. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> Tja, es ist einsam dort oben und nachts auch mal ziemlich kalt. Und langsam entdecken Ennis und Jack, eher widerwillig, daß sie nicht nur freundschaftliche Gefühle füreinander hegen ...
Nachdem der Job erledigt ist, trennen sich die beiden schweren Herzens voneinander. Beide heiraten und bekommen Kinder, doch ein paar Mal im Jahr treffen sie sich "zum Angeln". Und gerade in dieser kurzen Zeit wird beiden immer wieder klar, wie unglücklich sie in ihrem "normalen" Leben sind.

Nun also zur Bewertung: Die erste Stunde des 135-Minuten-Films war ziemlich genau so, wie ich es befürchtet hatte: Sehr langatmig und mit eigentlich keiner Handlung außer der sich anbahnenden, gesellschaftlich unmöglichen Liebesgeschichte. Immerhin konnte die wunderbare, OSCAR-nominierte Kameraarbeit ebenso wie der zurückhaltende, gefühlvolle (und mit dem OSCAR prämierte) Soundtrack von Gustavo Santaolalla mich etwas darüber hinwegtrösten.
Als ich dann schon zu überlegen begann, wie ich es rechtfertigen soll, einem Film, der gemeinhin als bester Film des Jahres 2005 gewertet wird, nur fünf oder sechs Punkte zu geben, kam plötzlich der Wendepunkt. Denn die zweite Hälfte von "Brokeback Mountain" ist sehr, sehr gut geworden!
Endlich gibt es eine richtige Handlung, vielschichtige und interessante Charaktere. Vor allem die schwierige Beziehung von Ennis zu seiner Frau Alma (Michelle Williams) und den beiden Töchtern ist hervorragend herausgearbeitet, aber auch Jacks Probleme mit dem ihn verachtenden reichen Vater seiner Frau Lureen (Anne Hathaway) sind interessant zu beobachten. Und dazwischen immer wieder die Treffen von Ennis und Jack, die währenddessen ständig schwanken zwischen unbändiger Freude über die kurze gemeinsame Zeit und abgrundtiefer Verzweiflung darüber, daß sie nicht zusammenziehen können/wollen, wie Jack es immer wieder vorschlägt. Gerade in diesen Szenen haben sich Heath Ledger und Jake Gyllenhaal ihre OSCAR-Nominierungen redlich verdient, denn sie spielen ihre tragischen Rollen absolut glaubhaft und immer wieder mit einer geradezu beängstigenden Intensität.
Etwas irritierend fand ich allerdings, daß gar nicht erst versucht wurde, die Hauptdarsteller irgendwann mal älter aussehen zu lassen (mal abgesehen von einem Schnurrbart bei Gyllenhaal), während ihre Kinder in jeder Altersstufe von anderen Schauspielern gespielt werden. Folglich sieht beispielsweise Ennis´ ältere Tochter am Ende des Films (wo sie sehr gut von Kate Mara gespielt wird) beinahe genauso alt aus wie Heath Ledger ...

Fazit: "Brokeback Mountain" ist sowohl tragische Liebesgeschichte als auch Gesellschaftsbild der USA von den 60ern bis in die 80er. Nach sehr gemächlichem Beginn zeigt Regisseur Ang Lee vor allem in der zweiten Hälfte gewohnte Stärken und zieht den Zuschauer immer stärker in den Bann. Und Kameramann Rodrigo Prieto hat einige wirklich phantastische Bilder geschaffen, die man nicht so schnell vergessen wird. Insgesamt reicht das für freundliche 8 Punkte von jemandem, der das Genre eigentlich nicht sonderlich mag.

An Lees frühes Meisterwerk "Der Eissturm" reicht "Brokeback Mountain" IMHO aber nicht heran.