Mit etwas Verspätung nun doch noch:

V WIE VENDETTA:
Die Welt der nahen Zukunft (ich glaube, es war 2020, bin mir aber nicht ganz sicher): Die USA befinden sich im Bürgerkrieg und in England hat der machtgierige Kanzler Sutler (John Hurt) eine faschistoide Gesellschaft aufgebaut: Es gibt Ausgangssperren, eine Art Geheimpolizei (die machen darf, was sie will), extreme Zensur und Verbot von Homosexualität, Islam und ähnlichen "gotteslästerlichen" Dingen. In dieser Welt lebt die junge Evey (Natalie Portman), die bei einem dem Kanzler als Sprachrohr dienenden Fernsehsender arbeitet. Eines Tages wird sie nach Beginn der Ausgangssperre von der Geheimpolizei erwischt, als sie ein mysteriöser, maskierter Mann vor der drohenden Vergewaltigung und schlimmerem bewahrt. Er stellt sich ihr als "V" (Hugo Weaving) vor und berichtet ihr von seinen Ambitionen: Er will den Kanzler und seine Schergen um jeden Preis stürzen!
Wie bereits Pat vor ein paar Wochen möchte auch ich nicht mehr über die Handlung verraten, da das das Vergnügen an diesem außerordentlichen Film beeinträchtigen könnte.
"V wie Vendetta" hat allgemein positive Kritiken bekommen, von den Kinozuschauern sogar sehr positive (aktuelle IMDB-Bewertung: 8,2). Dennoch gab es auch viele negative Stimmen. Der Film verherrliche den Terrorismus, kritisieren manche. Andere werfen dem Film platte Symbolismus und verquaste Dialoge vor.
Zwar stecken in diesen Vorwürfen durchaus einige Körnchen Wahrheit, das Problem ist nur, daß diese Kritiker die Absicht des Films meiner Meinung nicht verstanden haben. Speziell der Vorwurf der Terrorismus-Verherrlichung wäre zutreffend, wenn V tatsächlich der Held der Geschichte wäre. Das ist er jedoch eindeutig nicht! V ist ein Held UND ein Terrorist, ein Idealist und ein Fanatiker, der auf seine ganz persönliche Rache aus ist. Kurz: Er ist ein äußerst vielschichtiger, ja sogar zwielichtiger Charakter. Er läßt sich nicht so einfach in irgendwelche vorgefertigten Schemata pressen. Wie auch fast alle anderen Figuren des Films nicht.
Und deshalb greift der Vorwurf der Terrorismus-Verherrlichung auch nicht. Ähnlich sehe ich das bei Vs oft ziemlich abgedrehten Dialogen. Ich habe mich dabei sogar an Luc Bessons "Johanna von Orleans"-Verfilmung erinnert gefühlt, in der Besson Milla Jovovich als Johanna so inszeniert hat, daß man nie sagen konnte, ob diese Frau wirklich "von Gott berührt" ist oder schlicht und ergreifend eine fanatische Verrückte! Und bei V weiß man nie genau, ob er nun aus Idealismus handelt oder ob er einfach nur seine Rache will. Seine Ausdrucksweise gehört zu dieser Verwirrungstaktik einfach dazu.
Nein, nicht der weitgehend skrupellose und manchmal arg selbstverliebte V ist der wahre Held von "V wie Vendetta", vielmehr betrachte ich ihn "nur" als Starthilfe und Erfüllungsgehilfe des wahren Helden der Geschichte. Und dieser wahre Held ist die Demokratie und somit das Volk!

Das mag man naiv nennen oder unrealistisch und damit läge man sicherlich noch nicht mal falsch. Doch die Geschichte zeigt, daß das Volk sich manchmal tatsächlich dazu aufrafft, seine Macht auszuspielen - und diese geballte Macht ist im Zweifelsfall nunmal kaum aufzuhalten.
Kein Wunder, daß vor allem gewisse politische Kreise diese Story nicht wirklich toll finden ...
Aber bevor wir hier in staatstheoretische Gefilde abdriften - immerhin ist "V wie Vendetta" doch nur ein Film, wenn auch ein sehr, sehr guter.

Natalie Portman zeigt in der Hauptrolle mit Sicherheit die schauspielerisch bislang beste und reifste Leistung ihrer inzwischen auch schon recht langen Karriere. Sie ist einfach umwerfen, ob mit oder ohne Haare! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Hugo Weaving ist angesichts seiner Maske naturgemäß schwerer zu beurteilen, aber die Tatsache, daß ich diese Maske irgendwann gar nicht mehr als solche wahrnahm, dürfte auf jeden Fall für Weaving sprechen.
Und auch die weiteren Rollen die amerikanisch-deutschen Co-Produktion (die in Babelsberg gedreht wurde) sind stark besetzt: Stephen Rea als auch in diesem Staat aufrichtiger Polizist, Stephen Fry als mutiger Fernsehmoderator, Tim Piggott-Smith als intriganter Untergebener des Kanzlers oder Ben Miles ("Coupling") geben alle ihr Bestes, um ihre erfreulich komplexen Rollen auszufüllen. Lediglich John Hurt hat etwas Pech, da er zwar ebenfalls sehr gut spielt, mit dem in seiner Gestik und seinen Ansprachen sehr stark an Hitler erinnernden Kanzler jedoch die einzige wirklich eindimensionale Rolle des Films spielen muß.

Ich bin von diesem Film wirklich fast restlos begeistert, aber ein paar weitere kleine Mängel muß ich dennoch ansprechen. Da wäre zum einen die Musik des in letzter Zeit sehr angesagten Dario Marinelli, die für meinen Geschmack in einigen Szenen doch etwas übertrieben dramatisch ist. Außerdem wage ich bei einigen Wendungen der Handlung doch zu bezweifeln, daß die in der Realität so funktionieren würden. Aber das ändert nichts an meiner Bewertung eines Films, den man kaum in die üblichen Genregrenzen pressen kann. Er ist ein sehr politischer Film, teilweise ein Actionfilm, in vielerlei Hinsicht aber auch ein beklemmendes Drama. Und in gewisser Weise auch eine Utopie.
"V wie Vendetta" lebt von seiner intelligenten, komplexen und äußerst vielschichtigen Story, von seinen hervorragenden Darstellern, von einer passend düsteren Optik und vor allem von seiner geballten emotionalen Wucht (die manchem vielleicht sogar ein wenig zuviel des Guten erscheinen mag, aber ich war nunmal schon immer anfällig für emotionale Filme mit einem guten Schuß Pathos <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />). 9,5 Punkte!

Eine Schande, daß dieser Film fast überall weniger Zuschauer erreicht als erwartet (und als er verdient hätte). <img src="/ubbthreads/images/graemlins/down.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 04/04/06 02:58 PM.