Heute wieder ein Zweierpack:

GOOD NIGHT, AND GOOD LUCK.:
Die USA in den 50er Jahren. Nach 2. Weltkrieg und Koreakrieg bläst der fanatische Senator Joseph McCarthy zur Jagd auf Kommunisten und sonstigen Unpatrioten und schreckt dabei nicht davor zurück, nur aufgrund von Hörensagen und erpressten Denunziationen rechtschaffene Bürger zu diffamieren, um den Beruf und teilweise sogar ins Gefängnis zu bringen. Selbst das traditionell eher linksgerichtete Hollywood ist davor nicht gefeit und so gibt es im ganzen Land nur wenige, die öffentlichen Protest gegen McCarthys Machenschaften wagen.
Zu diesen wenigen zählt der populäre CBS-Nachrichtensprecher Edward R. Murrow (zurecht für den OSCAR nominiert: David Strathairn). Mit der Unterstützung seines Teams (gespielt u.a. von George Clooney, Robert Downey Jr. und Patricia Clarkson) und unter Duldung seiner Vorgesetzten (Frank Langella, Jeff Daniels) greift er einige besonders abstruse Beispiele von McCarthys Hexenjagden auf und attackiert den Senator unverhohlen. Der läßt sich das natürlich nicht gefallen und auch Teile der Medien schießen sich auf Murrow und den gesamten Sender ein ...

Nach seinem meiner Meinung nach eher durchwachsenen Regiedebüt "Confessions of a dangerous mind" hat sich George Clooney bei seinem zweiten Film an ein sehr viel ernsteres Thema gewagt - und ein Thema, das ihm selbst sehr am Herzen liegt. Die McCarthy-Ära zählt sicherlich zu den dunkelsten Kapiteln der amerikanischen Geschichte und ist von daher schon einen Film wert (zumal es bislang erstaunlich wenige zum Thema gibt), doch Clooney geht es auch oder sogar vor allem um die offensichtlichen Parallelen zur heutigen Zeit. Besonders augenscheinlich wird das gleich in der ersten Filmszene, die ein paar Jahre nach der sonstigen Filmhandlung spielt und eine Rede zeigt, die Murrow angesichts einer Ehrung für ihn hält. Diese Rede ist ein flammender Appell an die Verantwortung der Medien für die Gesellschaft, an die Verantwortung, die Bürger objektiv und ausführlich zu informieren und das Vorgehen der Politiker kritisch zu untersuchen.
Wohl zu keiner Zeit galt dieser Appell mehr als heute, wo gerade in den USA ein Großteil der Medien zum unkritischen Sprachrohr der Regierung verkommen ist und die wenigen, die tatsächlich investigativen Journalismus betreiben, schon allein in der schieren Masse an Fernsehsendern, Zeitungen und Magazinen untergehen. Würde heute etwas wie "Watergate" von mutigen Journalisten aufgedeckt - es würde mit ziemlicher Sicherheit vom großen Rest der Medien schlicht ignoriert und damit auch für den prominenten Übeltäter nicht zum Fallstrick (ich erinnere nur an die Präsidentschafts-Wahl 2000 ...).

George Clooney hat diesem Thema einen ganzen 90-minütigen Film gewidmet, den er in Schwarz-Weiß und authentischen Kulissen gedreht hat. Schon kurios, einen Nachrichtensprecher zu sehen, der während der Sendung ständig eine brennende Zigarette in der Hand hält - heutzutage undenkbar! Murrow ist eindeutig der Held des Films, insofern kann man Clooney eine gewisse Parteilichkeit sicherlich unterstellen - die dieser natürlich gar nicht erst dementiert, immerhin wollte er genau dieses Heldenportrait drehen! Die Geschichte ist nüchtern und realistisch erzählt, der Film lebt komplett von seinen Dialogen und den Schauspielern (lustigerweise haben in den USA übrigens einige Zuschauer den Darsteller von McCarthy als "übertrieben fanatisch" und damit unglaubwürdig kritisiert - dabei ist das gar kein Schauspieler, Clooney hat ausschließlich Archivaufnahmen des ECHTEN McCarthy in sein Werk integriert!). Charakterentwicklung gibt es kaum (außer bei einer sehr gelungenen Nebenhandlung um einen mit Murrow befreundeten Journalisten, gespielt von Ray Wise), Handlung im eigentlichen Sinne auch nicht. Im Grunde genommen ist "Good Night, and Good Luck." beinahe eine verfilmte Dokumentation, wenngleich Clooney es geschafft hat, immer wieder mal ein bißchen seines typischen Humors durchblitzen zu lassen.
Leider ist der Film mit seinen etwa 90 Minuten etwas kurz geraten. Vermutlich gab es einfach nicht mehr aus Murrows Geschichte zu erzählen, aber es bleibt festzuhalten, daß damit natürlich nur ein kleiner Ausschnitt aus der McCarthy-Ära präsentiert wird. Meiner Meinung nach hätte man da doch etwas mehr vom "Drumherum" zeigen können.

Fazit: "Good Night, and Good Luck." ist ein außergewöhnlicher Film zu einem äußerst wichtigen Thema. Von George Clooney erstaunlich routiniert und mutig inszeniert, aber aufgrund seiner Nüchternheit wohl nur für Zuschauer geeignet, die sich für die Geschichte oder allgemein für politisches Kino interessieren. 8,5 Punkte.

MORD IM PFARRHAUS:
England in den 60er Jahren: Eine junge, schwangere Frau wird für den Mord an ihrem Ehemann und dessen Geliebten verurteilt und landet im Gefängnis. 43 Jahre später wird sie freigelassen und ergattert unter dem falschen Namen Grace Hawkins (grandios wie immer: Dame Maggie Smith) eine Anstellung als Haushälterin bei einem protestantischen Vikar.
Dabei handelt es sich um den schusseligen Reverend Walter Goodfellow (erfreulich zurückhaltend spielend: Rowan "Mr. Bean" Atkinson), der nur vordergründig ein perfektes Leben lebt. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, daß seine vernachlässigte Frau Gloria (Kristin Scott Thomas) drauf und dran ist, eine Affäre mit dem amerikanischen Golflehrer Lance (wunderbar schmierig: Patrick Swayze) zu beginnen, während die bildschöne 17-jährige Tochter (ich bin gespannt, ob sie ihr Starpotential ausschöpfen wird: Tamsin Egerton, demnächst in der Jugend-Fantasy-Verfilmung "Eragon" zu sehen) jede Woche einen neuen Freund präsentiert und der schüchterne Sohn Petey (Toby Parkes) von seinen Schulkameraden tyrannisiert wird.
Auch nach über 40 Jahren im Knast hat die gute Grace noch immer keinerlei Skrupel und sorgt somit auf ihre ganz eigene, höchst unmoralische (und ungesetzliche) Art und Weise dafür, daß die Familie Goodfellow wieder auf den rechten Pfad zurückfindet ...

Regisseur Niall Johnson hat mit "Mord im Pfarrhaus" eine typisch britische Komödie mit jeder Menge schwarzem Humor geschaffen. Vor allem Maggie Smith brilliert wieder einmal, hoffentlich bleiben sie und Judi Dench dem Kino noch lange erhalten. Offenbar ist es in England wirklich leichter, als Schauspielerin in fortgeschrittenem Alter ein Star zu werden oder bleiben als in Hollywood, wie anders würden sich die immer neuen, tollen Rollen für diese beiden großen alten Damen des britischen Kinos erklären lassen? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />
Aber ich schweife ab: Wenn man "Mord im Pfarrhaus" etwas vorwerfen kann, dann das mitunter arg gemächliche Tempo. Aber ganz offensichtlich war der Film auch gar nicht als Gag-Revue gedacht, sondern eben als gehobenes Vergnügen für ein erwachsenes Publikum, Anleihen bei Klassikern wie vor allem "Arsen und Spitzenhäubchen" inklusive.
7,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 11/04/06 03:43 PM.