Heute erneut zwei Kritiken, allerdings eine davon relativ kurz. Aber erst zu der anderen:

BROTHERHOOD:
Wieder einmal reizt der deutsche Untertitel zu spontanen Lach- (oder Heul-?)krämpfen, obwohl er inhaltlich durchaus treffend ist: "Wenn Brüder aufeinander schießen müssen" ...

Korea nach dem 2. Weltkrieg: Obwohl die Nachwirkungen des Krieges - an dem das von Japan besetzte Korea gar nicht direkt teilgenommen hat - noch immer deutlich spürbar sind (vor allem das Essen ist knapp), lebt der junge Jin-tae (Dong-Kun Jang) - dessen Traum es ist, einen Schuhladen zu eröffnen, in der Realität verdient er jedoch als Schuhputzer sein Geld - mit seiner hübschen Verlobten Young-shin (Eun-ju Lee) und dem Rest der Familie ziemlich idyllisch. Die Zeiten sind hart, aber die Familie hilft sich gegenseitig wo sie kann und ist tatsächlich: glücklich!
Doch dann beginnt der Koreakrieg, bei näherer Betrachtung vermutlich einer der tragischsten Kriege der jüngeren Vergangenheit. Wenige Jahre vorher haben noch quasi alle Koreaner gemeinsam gegen die Japaner gekämpft und plötzlich müssen Nordkoreaner gegen Südkoreaner kämpfen. Und das ist nicht etwa so wie in Jugoslawien, wo sich verschiedene ethnische Gruppen schon seit Ewigkeiten in herzlicher Ablehnung gegenüberstanden. Nein, für den Koreakrieg gab es nur einen einzigen Grund: politische Ideologie!
Besonders schlimm angesichts der Tatsache, daß die allermeisten Soldaten sowohl in Nord- als auch in Südkorea zumindest zu Beginn überhaupt keine Ahnung von diesen Ideologien hatten. Für sie war es der Kampf gegen ihre eigenen Brüder.

Im Wortsinn gilt das auch für unseren Protagonisten Jin-tae. Denn als der Koreakrieg ausbricht, werden er und sein gerade 18-jähriger Bruder Jin-seok (Bin Won) für die südkoreanische (also die "demokratische") Armee zwangsrekrutiert. Jin-tae versucht alles, um seinen kleinen Bruder wieder nach Hause zu bekommen und als sein Kommandant andeutet, er könne vielleicht etwas für ihn tun, falls Jin-tae sich durch besonderen Heldenmut gegen den Feind auszeichnet, will dieser die Chance nutzen. Fortan meldet er sich also für die halsbrecherischsten Selbstmord-Aktionen freiwillig, zum Unverständnis und Entsetzen seines Bruders.
Dessen Entsetzen wird nur noch größer, als er erkennt, wie sein Bruder und großes Vorbild zunehmend Gefallen am Heldendasein und an den Orden, die er erhält, zu finden scheint.

Und wiederum ist Jin-tae nur ein Spiegelbild fast aller Soldaten. Wo zunächst nur widerwillig gegen die "Brüder" gekämpft wurde, schüren Gräueltaten auf beiden Seiten den gegenseitigen Haß. Jin-seok ist einer der wenigen, der sich noch seinen gesunden Menschenverstand bewahrt, während ihm sein Bruder immer fremder wird ...

"Brotherhood" war in Korea ein echter Blockbuster und auch der koreanische OSCAR-Beitrag, daher hat er es nun selbst nach Deutschland geschafft. Dabei ist der Film seltsam "uneben", speziell die Qualität betreffend. Vor allem die kleinen, persönlichen Szenen um die beiden Brüder und ihre Familie sind sehr bewegend in Szene gesetzt (wenn auch mitunter etwas sehr gefühlig, was in Asien normal ist, bei europäischen oder amerikanischen Filmen jedoch eher ungewohnt). Anders die Kampfszenen im Krieg: Handwerklich tadellos und ziemlich blutig umgesetzt (wenngleich sich der aktuelle Hollywood-Trend der wackligen Handkameras offensichtlich selbst bis nach Korea herumgesprochen hat *seufz*) und stark an US-Filme wie "Der Soldat James Ryan" erinnernd, bleibt man doch seltsam unberührt davon. Vermutlich liegt das auch daran, daß dem Publikum sämtliche Charaktere außerhalb der Brüder und ihrer Familie ziemlich fremd bleiben.
Die größte Stärke von "Brotherhood" liegt jedoch in der Zurschaustellung der Sinnlosigkeit des Krieges - während man sich in der Mitte des Films schon noch fragen kann, ob das jetzt eher ein Kriegs- oder ein Anti-Kriegsfilm ist, wird diese Frage ziemlich schnell beantwortet: Mehr "Anti" geht kaum!
Das beginnt schon damit, daß die Vorgesetzten die Soldaten mit hohlen Phrasen und wenig nützlichen Sprüchen nerven (mein Favorit: "Ihr werdet diesen Hügel nur lebend wieder verlassen - oder ihr werdet hier sterben!" <img src="/ubbthreads/images/graemlins/ouch.gif" alt="" />).
Vor allem die völlig schwachsinnigen und regelrecht sadistischen Aktionen der Geheimdienste u.ä. gegenüber Zivilisten bleiben lange im Gedächtnis haften - gerade weil man weiß, daß so etwas tatsächlich passiert ist!

Auch hier ein (extremes) Beispiel:
Vor dem Krieg hat die Kommunistische Partei auch im Süden Koreas ahnungslose Menschen dazu bewegt, Mitglied zu werden und an Versammlungen teilzunehmen, indem sie dafür kostenloses Getreide erhielten. Nachdem der Krieg zwischen Norden und Süden ausgebrochen ist, werden im Süden frühere Teilnehmer an diesen Versammlungen als vermeintliche Kommunisten eingesammelt und kurzerhand ohne Prozeß an die Wand gestellt und erschossen.

Sehr demokratisch ...

Fazit: "Brotherhood" ist ein mitunter sehr bewegender und dabei erfreulich objektiver koreanischer Anti-Kriegsfilm, der an gelegentlichen Qualitätsschwankungen leiden. Zudem ist das Ende für meinen Geschmack etwas arg übertrieben dargestellt und die Musik ist insgesamt ziemlich pathetisch ausgefallen.
8 Punkte.

Lobenswert: Während es immer wieder vorkommt, daß asiatische Filme nur stark geschnitten in die europäischen Kinos kommen (z.B. der übermorgen startende "Revenge of the Warrior" mit Tony Jaa), bekommen wir von "Brotherhood" sogar den um 8 Minuten längeren Director´s Cut zu sehen! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />

HARD CANDY:
Es gibt Filme, über die sollte man einfach nichts verraten. Leider hatte ich vorher schon den Trailer gesehen und konnte daher nicht völlig unvorbelastet ins Kino gehen.
Jedenfalls, wer sich überraschen lassen will, dem sei nur so viel gesagt: "Hard Candy" ist ein emotional sehr harter Psycho-Thriller (FSK18, obwohl es nur minimale Gewaltszenen gibt), im Grunde genommen eher ein Psycho-Duell zwischen zwei Personen (gespielt von Patrick Wilson und Ellen Page). Leider wird die Handlung und vor allem das Verhalten von Wilsons Charakter mit zunehmender Dauer immer unglaubwürdiger (finde ich zumindest) und daß beide Hauptfiguren nicht gerade sympathisch sind, macht das ganze nicht besser. Außerdem ist der Film sehr manipulativ. Durchaus gerissen gemacht, aber ich mag es einfach nicht, als Zuschauer in solch hohem Maße manipuliert zu werden. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Wer doch ein bißchen mehr darüber wissen möchte, worum es geht, dem soll ein Wort genügen: <span class='standouttext'>Spoiler : </span><span class='spoiler'>Pädophilie!</span>

Nach ordentlichem Beginn war ich insgesamt enttäuscht von "Hard Candy", der aber allgemein ziemlich gute Kritiken erhalten hat - vielleicht liegt es also an mir. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Meiner Meinung nach ist das beste am Film seine Grundidee. Was er daraus macht, konnte mich dagegen (trotz eines Kurzauftritts von Golden-Globe-Gewinnerin Sandra Oh) leider nicht wirklich überzeugen. 5,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 05/07/06 10:29 AM.