MIAMI VICE:
Sonny Crockett (Colin Farrell) und Ricardo Tubbs (Jamie Foxx) bekommen den Auftrag, undercover ein mächtiges Drogenkartell zu infiltrieren. Zunächst läuft alles glatt, doch dann verliebt sich Crockett in die Freundin (Gong Li) des Drogenbosses und dessen rechte Hand (John Ortiz) traut den beiden sowieso nicht ...
Diese kurze Zusammenfassung deutet schon an, daß auch "Miami Vice" unter dem gleichen Problem leidet wie so viele Sommer-Blockbuster dieses Jahres vor ihm: Der Film ist nahezu perfekt inszeniert, aber beim Drehbuch wurde offenbar massiv gespart. Selbst eine durchschnittliche Folge der "Miami Vice"-TV-Serie hatte mehr Originalität aufzubieten als diese Kinoversion von Michael Mann ("Heat", "Ali", "Collateral").
Aber abgesehen von den Namen und dem Beruf der beiden Protagonisten sowie dem Handlungsort Miami hat "Miami Vice" der Kinofilm mit "Miami Vice" der TV-Serie sowieso nichts mehr zu tun.
Regisseur Mann hat wieder einmal sein Faible für düstere Stoffe und beinahe ebenso düstere Szenen ausgespielt - Miami ist hier fast nur nachts zu sehen und außerdem ist ständig im Hintergrund ein Gewitter zu beobachten. Das wirkt visuell ausgesprochen gut, was aber sowieso auf den gesamten Film zutrifft (einmal abgesehen von Colin Farrells Frisur <img src="/ubbthreads/images/graemlins/badsmile2.gif" alt="" />).
Überhaupt kann der Anfang des Films voll überzeugen: Die ersten 20 Minuten sind schlichtweg brillant und auch die letzten 40 Minuten sind sehr gelungen. Dummerweise erstrecken sich dazwischen gut 60 Minuten geballter Langeweile ...
Das ist die Zeit, in der Crockett und Tubbs sich ihren Weg in die Drogenorganisation bahnen und nebenbei ihren Liebschaften frönen. Da gibt es wirklich nicht mehr als wenig aufregende Dialoge und ein wenig nackte Haut zu sehen. Für ein paar Minuten ganz okay, aber eine Stunde ist definitiv zu viel!
Umso glücklicher ist der Zuschauer, wenn sich die Handlung endlich ihrem furiosen Showdown nähert - und der finale Shootout ist dann auch eine wahre Augenweide.
Interessant ist dabei, wie Mann diese Action-Szenen gefilmt hat: Während in Hollywood momentan ja die wacklige Handkamera sehr in ist, die u.a. dafür sorgt, daß brutale Schießereien weniger brutal wirken als sie sind (da man ja vor lauter Rumgewackel kaum etwas erkennen kann), geht Mann einen ganz anderen Weg. Zwar nutzt auch er die Handkamera für die Action-Sequenzen, allerdings aus einem ganz anderen Grund - er macht es eher wie Steven Spielberg am Beginn von "Der Soldat James Ryan": Die Bilder, die die Handkamera liefert, wurden nicht auf Hochglanz poliert, sondern wirken eher, als ob sie aus einer dieser amerikanischen Polizei-Reality-Shows kämen. Kurz gesagt: Sie verstärken die Intensität des Gezeigten, ziehen das Publikum mitten ins Geschehen und gaukeln größtmögliche Realitätsnähe vor - ohne irgendetwas zu verheimlichen (wie es die erwähnten Reality-Shows natürlich tun müssen). Die Schießereien sind hart und brutal inszeniert und definitiv nichts für Kinder ...

Bei den Darstellern können vor allem Jamie Foxx (dem ich sonst eher skeptisch gegenüberstehe) und Gong Li überzeugen. Es ist zwar schon etwas kurios, daß mit Gong Li ausgerechnet DIE chinesische Leinwandlegende schlechthin eine südamerikanische Ureinwohnerin spielt - aber was soll´s? Sie ist eine sehr gute Schauspielerin, sieht toll aus, also warum darüber meckern? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Auch die Nebenrollen sind mit u.a. Ciarán Hinds, Justin Theroux, Naomie Harris, John Ortiz und Barry Shabaka Henley gut besetzt.
Lediglich Colin Farrell konnte mich nicht ganz überzeugen - aber vielleicht lag das auch daran, daß ich mich den gesamten Film über über seine wirklich grauenerregende Vokuhila-Frisur geärgert habe ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />

Gut gefallen hat mir auch, daß Crockett und Tubbs nicht etwa als komplette Einzelkämpfer agieren (wie das bei vielen vergleichbaren Filmen der Fall ist), sondern ein komplettes Team um sich haben - das allerdings für meinen Geschmack zu sehr im Hintergrund bleibt. Ich hätte sehr gerne mehr davon gesehen.
Schließlich bleibt noch zu erwähnen, daß der Soundtrack absolut phantastisch ist - aber auch das ist nicht wirklich eine Überraschung bei einem Film von Michael Mann. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Fazit: Eigentlich ein toller Thriller im typischen Michael-Mann-Style. Wenn dazwischen nicht diese eine Stunde Langeweile und zudem die dünne Story wären. Betonen möchte ich auch noch einmal, daß "Miami Vice" eher etwas für Mann-Fans als für Fans der 80er-Jahre-Serie ist.
Tja, und wie bewerte ich solch einen zwiespältigen Film nun? Eine Hälfte toll, die andere stinklangweilig: Da bleiben am Ende 6,5 Punkte.
Und das auch nur, weil das gelungene Ende einen bleibenderen Eindruck hinterlassen hat als das Gegurke davor. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />

Übrigens läßt das Ende des Films durchaus Raum für eine Fortsetzung. Daß es zu der kommt, bezweifle ich allerdings. Zwar läuft "Miami Vice" gerade in Europa ziemlich gut, aber das US-Ergebnis blieb doch deutlich unter den Erwartungen der Produzenten. Das ist besonders insofern schade, als der Film durchaus beweisen konnte, daß immer noch einiges Potential im Franchise und auch in dieser Neuausrichtung liegt.

Last edited by Ralf; 29/08/06 04:42 PM.