Am Dienstag war ich endlich in Miami Vice... da Ralf ja schon einiges dazu geschrieben hat, werde ich meine Bewertung in Antwort auf seine verfassen. Allgemeine Spoilerwarnung sei hiermit gegeben!

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Aber abgesehen von den Namen und dem Beruf der beiden Protagonisten sowie dem Handlungsort Miami hat "Miami Vice" der Kinofilm mit "Miami Vice" der TV-Serie sowieso nichts mehr zu tun.

Genau deswegen frage ich mich, warum der Film "Miami Vice" heißt. Selbstverständlich wollte ich keine serientreue Umsetzung, aber wenn man den Film schon nach der Serie benennt, hätte man doch neben den Namen der Leute doch wenigstens auch die Charaktervorlagen nehmen können... statt sie nahezu ganz außer Acht zu lassen. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/suspicion.gif" alt="" />
Abgesehen von Crockett und Tubbs, die wenigstens relativ gut herübergerettet wurden, stimmt so gut wie nichts... Lt. Castillo z.B. ist eigentlich ein Vietnam-Veteran, der durchtrainiert ist und Kampfsport meisterhaft beherrscht - das war einer der wichtigsten Episoden überhaupt! - aber im Film wird er vom guten, aber sehr beleibten Barry Shabaka Henley verkörpert... paßt absolut nicht.
Ein weiteres Beispiel: Gina Calabrese, die hellhäutigere der beiden Kolleginnen. Die Frau erschießt in der Serie einen Menschen und ist dann total am Boden zerstört... eine ganze Folge lang geht es nur darum, wie sie sich wieder fängt.
Aber im Film ist sie eine toughe SWAT-mäßige Frau, die dem Gegner ohne mit der Wimper zu zucken in den Hals schießt.
Zito... so leid es mir tut, der Mann ist tot - ebenfalls zwei der besten Episoden überhaupt. Da hätte man sich auch dranhalten und den Mann weglassen können oder gar müssen.

Wie gesagt, an der Umsetzung an sich habe ich nichts auszusetzen, da ist den Machern jede Freiheit gegeben, aber die Charaktere der Serie hätte man besser übernehmen müssen. Das hätte am Film selbst nichts geändert, aber als Serien-Fan wäre ich weniger erbost.


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Regisseur Mann hat wieder einmal sein Faible für düstere Stoffe und beinahe ebenso düstere Szenen ausgespielt - Miami ist hier fast nur nachts zu sehen und außerdem ist ständig im Hintergrund ein Gewitter zu beobachten. Das wirkt visuell ausgesprochen gut, was aber sowieso auf den gesamten Film zutrifft

Auch da muß ich wieder mal was zur Serie sagen... in einigen Kritiken habe ich jetzt gelesen, daß dieses Düstere am Film einen Unterschied zur Serie darstellt, weil die ja durch ihre knalligen Farben berühmt geworden sei - von der Thematik ganz zu schweigen... im Film würde die Undercover-Aktivität der Cops deutlich dargestellt werden, was in der Serie - laut Michael Mann selbst - nicht der Fall war.
Das ist meiner Meinung nach ausgesprochener Unsinn. Klar waren schrille Farben in der Serie zu sehen, aber dieses Düstere, das den Film auszeichnet, ist auf jeden Fall auch in der Serie enthalten. Natürlich nicht durchgehend, das hätte man bei einer Serie kaum machen können, aber mit die besten Sequenzen sind die bei Nacht oder in der Dämmerung z.B. - und die gibt es! Zudem ist gerade Miami Vice die Serie schlechthin gewesen, in der die Undercover-Thematik eine zentrale Rolle gespielt hat. Und ich muß sagen, im Film kommt dieses Problem bei weitem nicht so gut rüber wie in der Serie - aus dem einfachen Grund, daß es viel zu schnell geht. Sie bekommen den Auftrag, Crockett schläft mit der Frau und schon diskutieren sie, ob er nicht zu sehr in der Sache drinsteckt. Eindeutig zu schnell!


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Interessant ist dabei, wie Mann diese Action-Szenen gefilmt hat: Während in Hollywood momentan ja die wacklige Handkamera sehr in ist, die u.a. dafür sorgt, daß brutale Schießereien weniger brutal wirken als sie sind (da man ja vor lauter Rumgewackel kaum etwas erkennen kann), geht Mann einen ganz anderen Weg. Zwar nutzt auch er die Handkamera für die Action-Sequenzen, allerdings aus einem ganz anderen Grund - er macht es eher wie Steven Spielberg am Beginn von "Der Soldat James Ryan": Die Bilder, die die Handkamera liefert, wurden nicht auf Hochglanz poliert, sondern wirken eher, als ob sie aus einer dieser amerikanischen Polizei-Reality-Shows kämen.

Und der Vollidiot vor mir im Kino meinte, daß das Finale wie ein schlechtes Homevideo ausgesehen hätte... leider hatte ich nichts zu trinken dabei, was ich ihm über den Kopf hätte schütten können.

Denn ganz klar ist das Finale sehr schön gemacht und nur ganz klein wenig schlechter als die Schießerei in HEAT. Das einzige Problem ist, daß eigentlich kein Polizist dran glaubt, sondern nur die Bösen sterben. Zito wird angeschossen und das war es. Gleichzeitig wird Halb Russland dezimiert. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> Das ist erstaunlich unrealistisch würde ich sagen.


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Bei den Darstellern können vor allem Jamie Foxx (dem ich sonst eher skeptisch gegenüberstehe) und Gong Li überzeugen. Es ist zwar schon etwas kurios, daß mit Gong Li ausgerechnet DIE chinesische Leinwandlegende schlechthin eine südamerikanische Ureinwohnerin spielt - aber was soll´s? Sie ist eine sehr gute Schauspielerin, sieht toll aus, also warum darüber meckern? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Auch die Nebenrollen sind mit u.a. Ciarán Hinds, Justin Theroux, Naomie Harris, John Ortiz und Barry Shabaka Henley gut besetzt.

Immerhin sah ja Gong Lis Filmmutter wie eine Asiatin aus... insofern geht das wohl in Ordnung. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" /> Aber die schauspielerische Leistung ist ganz allgemein in der Tat als gut zu bewerten. Ich persönlich fand Jamie Foxx manchmal etwas zu... wie soll ich sagen... überdreht und gleichzeitig aufgesetzt cool. Aber im Großen und Ganzen war er gut (auch wenn er natürlich an Philip Michael Thomas nicht heranreicht <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />).
Erstaunlicherweise fand ich Colin Farrell sehr gut; er hat sein bestes gegeben, um den Sonny Crockett zu spielen, den man aus der Serie kennt. Dazu paßt halt auch die Frisur, die theoretisch keine echte Vokuhila-Matte ist, denn die Haare sind mehr oder minder gleich lang nur halt unglücklich frisiert. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />

Alsooo... als Michael-Mann-Film ist Miami Vice gut. Die Story ist etwas schwach, es gibt ein paar unlogische Sachen (z.B. die Frage, wo Crockett die Granate her hat, als sie bei Yero vorstellig werden), aber dafür ist der Film audiovisuell ein Genuß. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" /> 8 Punkte.

Als Fan der Serie kann mir der Film allerdings aus den genannten Gründen nicht so gut gefallen. Hätte man nur ein wenig mehr Serientreue bei den Charakteren bewiesen, wäre das Endergbnis deutlich besser als 5 Punkte ausgefallen. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/down.gif" alt="" />

Also alles in allem (8+5)/2 = 6,5 Punkte. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"