CASINO ROYALE:

Nach der Ausbootung von Pierce Brosnan (welches immer die tatsächlichen Gründe dafür gewesen sein mögen ...) haben die Produzenten der James Bond-Reihe sich für einen (fast) kompletten Neuanfang entschieden: Ein neuer Hauptdarsteller - der Brite Daniel Craig ("Road to Perdition", "München", "Layer Cake"), der so ziemlich das Gegenteil von Brosnan verkörpert -, ein neuer Stil, der (ähnlich der "Bourne"-Reihe) verstärkt auf traditionelle, "handgemachte" Action anstatt der zuletzt üblichen CGI-Spektakel baut und bei der Handlung entschied man sich für Ian Flemings allerersten Bond-Roman "Casino Royale" als Grundlage. Der Film spielt allerdings in der Gegenwart und somit mußten auch ein paar inhaltliche Korrekturten vorgenommen werden (Bösewichte sind nun nicht mehr die Russen, sondern eine internationale Terrororganisation).

Und wie sieht die Handlung nun aus?
Der frischgebackene Doppel-Null-Agent (heißt: Er hat die Lizenz zum Töten) James Bond vermasselt einen Einsatz und wird daraufhin mehr oder weniger freiwillig in Urlaub geschickt. Bond hat jedoch seinen eigenen Willen und nutzt seinen Aufenthalt auf den Bahamas, um Hintermännern einer ungenannten Terrororganisation auf die Spur zu kommen. Dabei hinterläßt er eine Spur der Zerstörung, die bei seiner Vorgesetzten M (zum Glück immer noch von Dame Judi Dench verkörpert) wiederholtes verzweifeltes Kopfschütteln verursacht ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />
Schließlich schafft Bond es mit seinen Harakiri-Manövern, den finsteren Le Chiffre (überzeugend gespielt vom dänischen Kino-Star Mads Mikkelsen), eine Art Geldverwalter der Terroristen, in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen, sodaß dieser in Montenegro ein hochkarätiges Pokerturnier (Antrittsgeld: $ 10 Millionen pro Person) organisiert, bei dem er selbst als Teilnehmer sich das nötige Geld zurückholen will. Doch der MI6 schleust auch James Bond bei der illustren Pokerrunde ein ...

Zum Neustart der Bond-Reihe gehört auch, daß man sich fast allen bisherigen Darstellern getrennt hat - lediglich Judi Dench ist wie gesagt immer noch dabei, dagegen ist kein Q (bzw. Nachfolger R) und auch keine Miss Moneypenny oder andere Figuren der letzten Filme zu finden. Allerdings erfährt Bonds Kumpel Felix Leiter, der in vielen der frühen Bond-Filme mitgespielt hat, eine Wiederbelebung. Übrigens samt Hautfarbenwechsel, er wird nun von Jeffrey Wright gespielt. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Daniel Craigs James Bond ist eindeutig mehr Killer als Gentleman, ein zynischer, gefühlskalter und zielbewußter Geheimagent, der alles tut, um seine Aufträge zu erfüllen. Das ist ein erfrischender Gegensatz zu Brosnan oder Roger Moore und Craig ist als Schauspieler eindeutig talentiert genug, um diesen neuen Bond überzeugend rüberzubringen. Zumal er sich schließlich doch als bei weitem nicht so gefühlskalt erweist wie er es alle anderen glauben machen will: Denn die attraktive Schatz-Beamtin Vesper Lynd (Eva Green aus "Königreich der Himmel"), die ihn mit dem benötigten Kapital für die Pokerrunde ausstattet, verdreht ihm zusehends den Kopf.
In den Medien ist immer wieder zu lesen, in keinem bisherigen Bond-Film habe sich der Titelheld so sehr seinen Gefühlen für eine Frau ausgeliefert. Das stimmt so natürlich nicht, denn in "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" hat Kurz-Bond George Lazenby bekanntlich sogar geheiratet (oder wollte heiraten, ich kann mich nicht mehr erinnern, ob Diana Rigg kurz vor oder kurz nach der Hochzeit stirbt). Aber dennoch zeigt auch diese Beziehung einen neuen, deutlich vielschichtigeren Bond.
Kurz gesagt: Daniel Craig ist die perfekte Besetzung für diese Reinkarnation von James Bond, Glückwunsch an die Produzenten für ihre lange kritisierte Wahl! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />
Auch die übrigen Darsteller, die aus der ganzen Welt zusammengeholt wurden (die Französin Green, der Italiener Giancarlo Giannini, der Däne Mikkelsen, der Ami Wright, die Italienerin Caterina Murino, der Deutsche Ludger Pistor, der Ivorer Isaach de Bankolé), fügen sich nahtlos ein.

Was nun den Film selbst betrifft: Die nicht gerade seltenen Action-Sequenzen sind absolut herausragend und atemberaubend inszeniert, wenngleich immer wieder mal etwas arg übertrieben - aber das gehört ja auch irgendwo zum Bond-Franchise dazu, nicht wahr? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Die ersten 100 Minuten des mit insgesamt gut 140 Minuten zweitlängsten Bond-Films aller Zeiten (nach "Im Geheimdienst Ihrer Majestät") sind schlichtweg ein so gut wie perfekter Bond-Film! Grandiose Action, exotische Schauplätze, schöne Frauen, trockene Sprüche - alles, was man sich wünschen kann, ist vorhanden. Mit den letzten 40 Minuten hatte ich jedoch leider ein paar Probleme.
Da wäre zum einen das arg unglaubwürdige Grande Finale der Pokerrunde in Montenegro, dazu kommt, daß in den 10 oder 15 Minuten vor dem tatsächlichen Showdown für meinen Geschmack etwas sehr viel Tempo rausgenommen wurde. Dafür werden - was ich gut finde - am Ende ein paar Handlungsstränge (wie ich hoffe: bewußt!) nicht vollständig aufgelöst, was mich auf eine direkte Fortsetzung hoffen läßt, die übrigens bereits in zwei Jahren in die Kinos kommen soll.
Insgesamt also nur ein paar kleinere Kritikpunkte, die lediglich die Bestwertung verhindern. Dennoch ist "Casino Royale" meiner bescheidenen Ansicht nach der beste Bond-Film seit vielen, vielen Jahren. Und das gleiche gilt übrigens für David Arnolds absolut genialen Soundtrack: Auch er ist der beste Bond-Soundtrack seit langer Zeit!
9 Punkte. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 23/11/06 04:29 PM.