GOYAS GEISTER:

Für einen Cineasten ist ein neuer Film von Milos Forman immer ein Feiertag. Denn der Mann hat wenige Filme gedreht (ganze acht in den letzten 30 Jahren), dafür aber umso bemerkenswertere: "Einer flog über das Kuckucksnest", "Hair", "Amadeus", "Larry Flynt", "Der Mondmann" - und nun "Goyas Geister".

Ich sage es gleich: Es fällt mir einfach keine Möglichkeit ein, eine angemessene Rezension zu diesem Film zu schreiben, ohne ganz extrem spoilern zu müssen. Da ich das nicht will, werde ich mich mit einer sehr oberflächlichen Handlungsbeschreibung begnügen.

"Goyas Geister" konzentriert sich auf die Lebenswege dreier Personen in Spanien zwischen etwa 1790 und 1810. Der berühmte Maler Francisco Goya (Stellan Skarsgard) verdient seinen Unterhalt mit Portraits reicher Leute - von der königlichen Familie bis hin zu Kirchenleuten. Gleichzeitig verbreitet er jedoch Kupferstiche (glaube ich zumindest ...), in denen er sich über die spanische Inquisition lustig macht. Das gefällt der Kirche nicht wirklich.
Doch einer von Goyas Kunden ist Bruder Lorenzo (großartig wie immer: Javier Bardem), der seine schützende Hand über den Maler hält.
Als Goya Lorenzo bittet, der von der Inquisition unschuldig inhaftierten Ines (Natalie Portman), der schönen Tochter eines reichen Kaufmanns, der ebenfalls zu Goyas Kunden und Freunden gehört, zu helfen, nutzt der Priester seine Position schamlos aus - ohne Ines befreien zu können.

Das ist im Grunde genommen nur die Ausgangssituation des Films. Was den Fortgang der Handlung betrifft, möchte ich es bei ein paar Stichworten belassen: Die spanische Inquisition und ihre äußerst unchristlichen Methoden sind ein zentrales Thema, doch auch die "Befreiung" Spaniens durch Napoleon (bei der Lorenzo eine gänzlich unerwartete Rolle spielt) steht im Mittelpunkt der Erzählung. Aber letztlich gilt das Hauptaugenmerk Formans stets den drei zentralen Protagonisten der Story mit ihren Eigenheiten.

Javier Bardems Spiel ist wieder einmal OSCAR-verdächtig, wie charismatisch und mitreißend er seine zwielichtige Rolle verkörpert, ist wirklich erstaunlich. Skarsgard spielt den Maler eher zurückhaltend, was auch dazu paßt, daß Goya eigentlich vor allem ein weitgehend machtloser Beobachter der Geschehnisse ist. Und die immer besser werdende Natalie Portman zeigt eine wahre Tour de Force als Unschuld in Person, die durch Folter und menschliche Bosheit gebrochen wird (übrigens nach "V wie Vendetta" bereits der zweite Film in Folge, in dem Portman gefoltert wird - ob das was zu bedeuten hat? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />).

Wie man es von Milos Formans Filmen kennt, sticht die Detailverliebtheit der Inszenierung ins Auge, die authentische und unsentimentale Darstellung einer lange vergangenen, sehr schmutzigen Zeit und Welt.

"Goyas Geister" ist ein guter Film geworden. Doch zu einem Meisterwerk fehlt mir eine gewisse Stringenz in der Handlung. Vermutlich liegt es auch an dem recht großen Zeitraum, den der Film abdeckt, jedenfalls gelingt es ihm nur selten, den Zuschauer wirklich mitzureißen. Aber natürlich gibt es einige großartige Szenen, die zudem von einem extrem bösartigen schwarzen Humor durchzogen sind, der aber natürlich hervorragend in diese zynische Zeit paßt.

Fazit: "Goyas Geister" ist ein gelungener, mitunter packender Historienfilm und zugleich Studie dreier Charaktere, die - jeder auf seine ganz eigene Art und Weise - bemerkenswert und erinnerungswürdig sind, nicht zuletzt dank ihrer hervorragenden Darstellung durch drei große Schauspieler. Milos Forman zeigt erneut, daß er immer noch ein großer Regisseur ist. Das gewisse Etwas, das aus einem richtig guten Film ein wahres Meisterwerk macht, fehlt diesmal jedoch leider.
8 Punkte.

P.S.: Der gesamte Abspann ist übrigens mit Goya-Gemälden unterlegt! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 29/11/06 05:09 PM.