BABEL:

Der mexikanische Regisseur Alejandro González Inárritu hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen vielfach preisgekrönten Werken "Amores Perros" und "21 Gramm" als Meister des anspruchsvollen, in sich verschachtelten Dramas etabliert. Mit "Babel" liefert er nun die Krönung seiner bisherigen Laufbahn ab!

Der Film unterteilt sich in vier Handlungsstränge überall auf der Welt, die mehr oder weniger stark miteinander verknüpft sind. In Marokko wollen zwei junge Ziegenhirten die Reichweite ihres neuen Gewehrs überprüfen, mit dem sie eigentlich Koyoten erschießen oder verjagen sollen. Testweise feuern sie auf Fahrzeuge auf einer Straße weit unterhalb ihrer Position. Plötzlich bleibt ein Bus stehen und ein verzweifelter Mann rennt auf die Straße - die beiden Jungs ahnen, daß sie großes Unheil angerichtet haben und rennen davon.
In besagtem Bus befindet sich eine amerikanische Reisegruppe, darunter das nicht allzu harmonische Ehepaar Richard (Brad Pitt) und Susan (Cate Blanchett). Susan wird durch eine der Kugeln an der Schulter verletzt und da das nächste Krankenhaus Stunden entfernt ist, fährt der Bus in ein nahegelegenes Dorf, wo es immerhin einen Tierarzt und ein Telefon gibt ...
Gleichzeitig in den USA: Die Haushälterin Amelia (für den Golden Globe nominiert: Adriana Barraza) soll sich um Richards und Susans Kinder kümmern, doch als sich deren Rückkehr nach Susans Verwundung verzögert und Amelia keine Vertretung finden kann, nimmt sie gemeinsam mit ihrem Neffen Santiago (Gael Garcia Bernal) ihre Schützlinge kurzerhand mit zur Hochzeit ihres Sohnes in Mexiko. Zwei Mexikaner und zwei weiße Kinder in einem Wagen - was wohl die Grenzbeamten dazu sagen werden?
Zunächst scheinbar unabhängig vom restlichen Film ist die japanische Episode: Hier geht es um die hübsche, aber aufgrund ihrer Taubheit und des Todes ihrer Mutter verbitterte Chieku (ebenfalls für den Golden Globe nominiert: Rinko Kikuchi), die verzweifelt nach Nähe sucht.

So verschieden diese vier Handlungsstränge auch sein mögen, so hart sind auch González Inárritus Schnitte zwischen ihnen. Hart, aber teilweise wirklich brillant!
Im Grunde empfiehlt sich der Regisseur hier mit Nachdruck als legitimer Nachfolger eines Terrence Malick; denn wie dessen Filme zeigt auch "Babel", wie sich die Menschheit selbst aus dem eigentlich leicht erreichbaren Paradies vertreibt - durch Vorurteile, durch Egoismus, durch trotz Globalisierung immer noch mangelnder Kommunikationsfähigkeit (daher auch der Filmtitel). Lediglich Malicks typischer Aspekt der Zerstörung der Natur durch den Menschen läßt "Babel" außen vor.
Obwohl ich mich des Eindrucks nicht erwehren kann, daß die Amerikaner in "Babel" noch ein bißchen schlechter wegkommen als die restlichen Beteiligten (die aber überwiegend auch alles andere als Helden sind), begeht González Inárritu erfreulicherweise nicht den Fehler, irgendjemandem die Schuld zuzuschieben. Die USA sind nicht die Bösen, die Araber genauso wenig, die Globalisierung nicht, der Kapitalismus nicht. Zumindest nichts davon alleine.
Nein, es sind vielmehr die einzelnen Menschen, deren fatale Charakterschwächen und Fehlentscheidungen im Einzelnen gar nicht mal fatal erscheinen, im Zusammenspiel aber zu der bedrohlichen Situation führen, in der sich die Welt heute befindet.
Doch "Babel" ist auch kein besserwisserischer, moralpredigender Film. Allen Widrigkeiten zum Trotz streut González Inárritu immer wieder Hoffnungsfunken ein. Auch hier sind es die kleinen Dinge, die zählen: Ein mitfühlender japanischer Polizist beispielsweise oder eine hilfsbereite marokkanische Dorfbevölkerung.
Dabei gelingt González Inárritu sogar das, was der letztjährige (höchst umstrittene) OSCAR-Gewinner Paul Haggis mit seinem "L.A. Crash" leider nicht ganz geschafft hat: Er hält nahezu perfekt die Balance zwischen frustrierender Realitätsnähe und vorsichtigem, warmherzigen Optimismus.

Alles in allem ist "Babel" nicht weniger als ein Meisterwerk! Dazu trägt übrigens auch die Musik bei und das sowohl durch Gustavo Santaolallas Score als auch die begleitenden Songs und Melodien aus drei verschiedenen Kulturkreisen.
Mein erster Kinofilm 2007 hätte besser kaum sein können. 9,5 Punkte. Und der Film, dem ich bei Golden Globes und OSCARs kräftig die Daumen drücken werde. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />