Teil 3 meiner OSCAR-Woche:

PANS LABYRINTH:

Spanien, 1944: Die Faschisten haben den Bürgerkrieg gewonnen, die verbliebenen Rebellen verstecken sich in den Bergen. Der brutale Capitán Vidal (sehr bedrohlich: Sergi López) hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle Rebellen auszurotten, damit sein Sohn in eine ideale Welt geboren wird (erinnert ein wenig an Magda Göbbels in "Der Untergang" ...). Denn seine Frau Carmen (Ariadna Gil) ist hochschwanger und eben mit ihrer Tochter aus erster Ehe zu Vidal in die Berge gereist. Diese Tochter, der verträumte Bücherwurm Ofelia (sehr überzeugend: die 12-jährige Ivana Baquero), ist alles andere als angetan von ihrem neuen Vater, den sie lieber nur "Hauptmann" nennt und so ist es ihr sehr recht, als eines Tages eine Fee auftaucht und Ofelia in ein nahegelegenes, uraltes Steinlabyrinth führt. Dort trifft sie auf einen geheimnisvollen Faun (Doug Jones aus "Hellboy"), der Ofelia offenbart, sie sei in Wahrheit eine Prinzessin des Feenreiches und um dort wieder aufgenommen zu werden, müsse sie drei Prüfungen bestehen ...

"Pans Labyrinth" ist einer dieser Filme, an denen man (naja, ich zumindest <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />) schier verzweifeln möchte, denn es hätte ein wirklich perfekter Film werden können: Eine poetische, originelle Geschichte, eine makellose technische Umsetzung (von den wunderschönen Bildkompositionen über die schwelgerische Musik und die überzeugenden Spezialeffekte bis hin zur phantasievollen Ausstattung und den Kostümen) und überzeugende Darsteller.
Gerade die junge Ivana Baquero spielt so bezaubernd, daß man sofort glauben möchte, daß sie tatsächlich in das Feenreich gehört. Im Kontrast dazu steht Sergi López, der den sadistischen Vidal mit einer solchen Intensität verkörpert, daß selbst ein Oliver Kahn schreiend davonrennen würde ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Aber leider ist "Pans Labyrinth" nicht perfekt. Daß die (menschlichen) Charaktere den ganzen Film über ziemlich oberflächlich und klischeehaft bleiben, darüber könnte ich ja noch hinwegsehen. Daß die Handlung mitunter arg vorhersehbar ist, ist schon schlimmer. Richtig genervt bin ich jedoch von den unglaubwürdigen, ja geradezu dämlichen Handlungsweisen der Figuren in einzelnen Szenen. Gerade auf Ofelia trifft das zu. Nun gut, sie ist ein Kind, die tun schon mal was Dummes, mag man zurecht einwenden. Aber Ofelia wird im restlichen Film als so aufgeweckt dargestellt, daß man ihr einfach nicht abnimmt, diese unüberlegten Dinge zu tun, die sie tut. Und ähnliches trifft auf andere Filmfiguren zu.
Ich weiß sogar, warum Regisseur und Drehbuch-Autor Guillermo del Toro ("Hellboy", "Blade II") das so gemacht hat: Er mißbraucht seine Charaktere schlicht und ergreifend, um wunderbare Szenen zu kreieren. Man kann sich das richtig vorstellen, wie er überlegt: "Verdammt, das ist so eine geniale Situation, aber ich komme einfach nicht glaubwürdig dahin! Ach, was soll´s, dann handelt Figur xy halt absolut sinnlos, wird schon keiner merken ..."
Ich kann das sogar nachvollziehen, denn gerade aus diesem wenig nachvollziehbaren Verhalten entstehen einige der besten und phantasievollsten Szenen des gesamten Films! Trotzdem opfert "Pans Labyrinth" dadurch ein Stück weit seine Glaubwürdigkeit.

Obwohl der Film weltweit von Kritikern und Zuschauern sehr gelobt wird, ist ein großer Kritikpunkt, daß die erste Hälfte zu langatmig sei. In diesem Punkt muß ich jedoch klar widersprechen: Ja, es stimmt schon, es geschieht eigentlich nicht viel zu Beginn des Films. Aber das macht überhaupt nichts, vielmehr ist es umso beeindruckender, wie es del Toro gerade in dieser Phase gelingt, eine unglaublich bedrückende, realistische Atmosphäre zu schaffen. Man wartet die ganze Zeit über auf den Ausbruch der angestauten Aggressionen der Figuren, aber er will und will einfach nicht kommen. Dadurch steigert sich die Spannung bis ins Unermäßliche, bis es dann doch endlich losgeht - und das sehr heftig!
"Pans Labyrinth" wird häufig als "Märchen für Erwachsene" bezeichnet und das liegt genau an diesem Ausbruch der Gewalt und Brutalität (FSK16). Letztlich ist "Pans Labyrinth" nunmal auch eine Art Kriegsfilm und obwohl das einige Zuschauer abschrecken dürfte, sind diese Sequenzen doch besonders wichtig als Kontrast zu Ofelias märchenhafter Feenwelt. Und noch aus einem anderen Grund sind sie wichtig, den ich jedoch nicht ohne Spoiler offenbaren kann.

Insgesamt funktioniert "Pans Labyrinth" also, ganz eindeutig! Auch, wenn er eben nicht perfekt, sondern "nur" richtig gut ist. Was mir besonders gefallen hat, ist auch, daß dieser Film im Grunde genommen ein Persönlichkeitstest ist. Je nachdem, wie ein Zuschauer die Filmhandlung und speziell das hervorragende Ende interpretiert, kann man gut erkennen, ob es sich bei dieser Person um einen beinharten Realisten oder um einen hoffnungslosen Romantiker handelt (natürlich gibt es auch Zwischenstufen <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />). Daß ich eher zu den Romantikern zähle, kam für mich nicht wirklich überraschend ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />

Fazit: "Pans Labyrinth" - mit sechs Nominierungen einer der Favoriten der OSCAR-Verleihung am Sonntag, und das als nicht-englischsprachiger Film! - ist ein anspruchsvolles, handwerklich perfektes, düsteres, mitunter brutales, aber auch phantasievolles und poetisches Märchen, das allen Schwächen zum Trotz einen bleibenden Eindruck hinterläßt. Und trotzdem weine ich der verpaßten Chance auf DEN perfekten Film eine kleine Träne nach. 8,5 Punkte.

Eines verstehe ich übrigens beim besten Willen nicht: Warum wurde aus dem römischen Faun der Originalversion (der Film heißt eigentlich "El Laberinto del Fauno") in der internationalen Version der griechische Pan? Laut Wikipedia ist Pan ursprünglich zwar tatsächlich die griechische Entsprechung zum Faun (oder umgekehrt), aber der Film bezieht sich in seiner Darstellung des Wesens eigentlich ziemlich eindeutig auf die spätere Deutung als eine Art Waldgeist. Für mich ist und bleibt es jedenfalls ein Faun ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 23/02/07 10:03 AM.