300:

Wer im Geschichtsunterricht gut aufgepaßt hat, dem wird die Schlacht bei den Thermopylen noch ein Begriff sein: Dort kämpfte im Jahr 480 v. Chr. kaum mehr als eine Handvoll Spartaner an einem Engpaß gegen das gewaltige Heer der Perser von König Xerxes.
Kult-Comic-Autor Frank Miller ("Sin City", "Batman Begins") hat diese legendäre Schlacht vor knapp zehn Jahren in eine sehr erfolgreiche Graphic Novel umgesetzt, die nun vom Regisseur Zack Snyder ("Dawn of the Dead") verfilmt wurde.
Dabei wurde - wie schon bei der "Sin City"-Verfilmung - der komplette Film vor einer Blue-Screen gedreht und die (beeindruckenden) Hintergründe anschließend digital eingefügt.
Der Film hält sich an die grundlegenden historischen Fakten, ist aber ansonsten eindeutig eher Fantasy- als Historienfilm und vor allem ein grandioses Actionspektakel.
Die 300 Spartiaten ("Vollbürger", im Grunde genommen Elitekrieger der Spartaner) unter ihrem König Leonidas (Gerard Butler) stellen sich gemeinsam mit etwas mehr griechischen Soldaten gegen den Willen des Orakels und der spartanischen Ratsversammlung dem rund zwei Millionen Soldaten umfassenden Heer des "Gottkönigs" Xerxes (Rodrigo Santoro) entgegen (in der Realität sollen es laut Wikipedia etwa 170.000 Perser gegen 7.000 Spartaner und Griechen gewesen sein).
Aufgrund der günstigen Verhältnisse am Engpaß der Thermopylen können Leonidas und seine Männer sowohl die einfachen Soldaten als auch die Elitetruppen der Perser immer wieder zurückwerfen. Gleichzeitig versucht Leonidas´ Ehefrau Gorgo (Lena Headey aus "Brothers Grimm") in Sparta die Ratsversammlung davon zu überzeugen, das gesamte Heer zur Unterstützung des Königs auszusenden. Doch auch in Sparta wird die Politik von Intrigen geprägt ...

In den Medien wird "300" überwiegend als Nonstop-Gemetzel verkauft, was aber nicht ganz der Wahrheit entspricht. In den ersten rund 45 Minuten gibt es keinen einzigen richtigen Kampf, stattdessen wird dem Publikum die aus heutiger Sicht ausgesprochen fremdartige Kultur der Spartaner erfreulicherweise recht ausführlich nähergebracht. Sobald die Perser jedoch an der griechischen Küste angelandet sind, dominieren dann wirklich ausführliche Schlachtszenen, nur hin und wieder unterbrochen durch kurze Kampfpausen und Wechsel nach Sparta zu Königin Gorgo und ihren politischen Bemühungen.
Die Schlachten sind grandios inszeniert. Zunächst gibt es zwar wieder einmal die nervige Wackelkamera zu bestaunen, aber das beschränkt sich zum Glück auf den allerersten Ansturm der Perser. Anschließend sind die Kämpfe gut zu verfolgen, was auch am exzessiven Einsatz von Zeitlupen á la "Max Payne"-Bullettime liegt. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Die Kämpfe selbst sind ausgesprochen blutig, aber typisch comicartig überzeichnet, was auch die etwas überraschende FSK16-Freigabe in Deutschland erklären dürfte. Auch gibt es keineswegs abgeschlagene Köpfe im Minutentakt, wie in Teilen der Presse behauptet (einige Köpfe rollen aber natürlich schon <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />).
Das Faszinierendste ist aber nicht mal die gelungene Kampf-Choreographie allein, sondern vor allem ihr kongeniales Zusammenwirken mit den an Ölgemälde gemahnenden imposanten Hintergründen, denen man inzwischen kaum mehr anmerkt, daß sie am Computer entstanden sind. Auch die immer wieder eingestreuten Schattenspiele überzeugen auf der ganzen Linie.
Technisch und optisch ist "300" also absolut nichts vorzuwerfen, die Musik ist genau im richtigen Ausmaß bombastisch-schwülstig und die Darsteller (darunter auch David "Faramir" Wenham als Leonidas´ bester Freund) ragen nicht heraus, sind aber großteils sehr solide. Lediglich mit Xerxes konnte ich mich nicht so richtig anfreunden. Der Typ wirkt im Film einfach so unglaublich tuntig, daß zumindest ich ihn kaum ernstnehmen konnte. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" /> Ist aber nicht mal so sehr die Schuld des Darstellers Rodrigo Santoro, sonder eher der Sadomaso-"Kleidung", die der arme Kerl tragen mußte ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />
Gibt es also ein wirkliches Problem mit "300"? Leider ja! Denn es läßt sich nicht abstreiten, auch für diese Art von Film ist die Handlung ab dem Angriff der Perser einfach zu schwach. Die Passagen in Sparta wirken wie ein schwaches Alibi, um den Zuschauern mal eine kurze Pause zwischen den Kämpfen zu gönnen, und sehen dabei wie eine ganz schwache Kopie des Politik-Subplots von "Gladiator" aus. Besonders das Ende dieser Storyline stieß mir übel auf, denn daß <span class='standouttext'>Spoiler : </span><span class='spoiler'>ein spartanischer Verräter allen Ernstes die persischen Münzen, mit denen er von Xerxes bezahlt wurde, zur Ratsversammlung mitbringt, damit man ihn auch ja überführen kann, ist schon arg dämlich ...</span>

Dieser Schwachpunkt sorgt dafür, daß "300" von mir auf keinen Fall die Höchstwertung erhalten kann, fällt bei diesem visuell beeindruckenden Action-Spektakel aber natürlich bei weitem nicht so stark ins Gewicht wie in den meisten anderen Film-Genres.

Fazit: "300" ist ein spektakuläres, bildgewaltiges und stets seine Comic-Herkunft betontendes Schlachten-Epos von technischer Perfektion und mit einem gehörigen Schuß Pathos, leidet aber ein wenig unter oberflächlichen Charakteren und Dialogen sowie einer schwachen Hintergrundhandlung. 8 Punkte.

Damit wäre meine Rezension bereits zu Ende, aber ich will doch noch auf die vor allem deutsche Presse zu "300" eingehen. Der Film feierte ja bei der Berlinale seine Weltpremiere und wurde bereits dort vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert (seitdem hat sich "300" zum weltweiten Blockbuster gemausert). In Teilen der bekanntlich sowieso leicht elitären Berliner Medien und auch in einigen anderen Publikationen wurde er jedoch gnadenlos verrissen.

Zu den Vorwürfen zählte unter anderem ein Vergleich mit den Nazi-Propaganda-Filmen von Leni Riefenstahl.
Und ehrlich gesagt: Ja, dieser Vergleich ist gar nicht SO weit hergeholt. Allerdings ist das in diesem Fall gar nichts Schlechtes! Diese stilisierten, heroischen Bildkompositionen passen zu Sparta wie die Faust aufs Auge. Und es ist ja bekannt, daß die Nazi-Ideologen Sparta sogar als eine Art Vorbild sahen. Insofern ist es nur logisch, daß gewisse Parallelen durchaus vorhanden sind. Das wird aber dadurch wieder entschärft, daß der Film und die spartanische Ideologie immer wieder mal ironisch durchbrochen wird, wenn beispielsweise die Spartaner voller Überzeugung betonen, daß sie für Vernunft und Gerechtigkeit kämpfen - und sowas ausgerechnet von einem Volk, das schwächliche Kinder kurzerhand in den Abgrund wirft und seinen Lebensunterhalt von der Sklavenhaltung bestreitet ...
Ein weiterer beliebter Vorwurf ist vorhersehbarerweise der der Gewaltverherrlichung. Nunja, auch das kann man nicht gänzlich abstreiten. Wann immer in einem Film Gewalt stilisiert oder einfach "aufregend" oder spannend dargestellt wird, handelt es sich letztlich um Gewaltverherrlichung. Das ist bei "300" nicht anders als bei so ziemlich jedem anderen Actionfilm.

Mein Lieblingsvorwurf ist jedoch eindeutig der, daß "300" ein Propagandafilm für die Amerikaner und eine Allegorie auf die heutige Situation um die USA und Irak/Iran sei. Ganz ehrlich: So etwas schwachsinniges habe ich noch nicht oft lesen müssen ...
Demnach würden die heldenhaften Spartaner die Amis repräsentieren und die bösartigen, monströsen Perser eben Irakis bzw. Iraner. Auf den ersten Blick mag das gar nicht so unwahrscheinlich klingen, bei näherer Betrachtung entbehrt diese Sichtweise jedoch nicht einer gewissen Ironie: Denn die Spartaner werden im Film als größenwahnsinnig und arrogant gezeigt, sie sind haushoch in der Unterzahl und vor allem ... <span class='standouttext'>Spoiler : </span><span class='spoiler'>sie verlieren!</span> (der Spoiler gilt nur für diejenigen, die nicht wissen, wie die Schlacht endete)
Wenn DAS also ein pro-amerikanischer Propaganda-Film sein soll, dann ist es ein ausgesprochen kontraproduktiver!

Fairerweise soll aber nicht unerwähnt bleiben, daß es auch in Deutschland sehr wohl viele Kritiker gibt (z.B. bei der FAS), die in "300" nicht zwanghaft irgendetwas hineininterpretieren wollen, sondern ihn fair - mal mehr, mal weniger positiv - rezensieren.

Last edited by Ralf; 05/04/07 06:06 PM.