Heute gibt´s seit längerem mal wieder einen Doppelpack: <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

SUNSHINE:

In relativer naher Zukunft: Die Sonne ist erloschen, der Menschheit droht der Untergang. Als letzter Ausweg wird das Raumschiff "Ikarus II" mit acht Astronauten auf die lange Reise zur Sonne geschickt, ausgerüstet mit einem riesigen Hitzeschild, einem eigenen Garten zur Sauerstoffgewinnung - und vor allem einer Mega-Bombe, für die alles auf der Erde noch verfügbare nukleare Material verwendet wurde und die die Sonne quasi mittels eines kleinen Urknalls wieder anzünden soll (oder so ähnlich - Physik ist nicht meine größte Stärke ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />).
Als der Film einsetzt, ist das Raumschiff bereits jahrelang unterwegs und nicht mehr weit von seinem Ziel entfernt. Doch als eben der Merkur passiert wurde, fangen die potentiellen Retter der Menschheit einen Notruf auf - von der "Ikarus I", die das gleiche Ziel hatte, aber vor sieben Jahren verschwand, ohne die Bombe gezündet zu haben. Und somit beginnen die ersten ernsthaften Konflikte innerhalb der Mannschaft (abgesehen vom unvermeidlichen Lagerkoller): Was soll man tun? Stur die so unendlich wichtige Aufgabe erfüllen und das Notsignal einfach ignorieren? Oder eine kleine Richtungsänderung unternehmen, um der Sache nachzugehen? Zumal das den Vorteil hätte, daß man womöglich erfahren ging, was bei der "Ikarus I" schiefging. Ganz zu schweigen davon, daß man deren Bombe an Bord nehmen könnte und somit für den Notfall einen Ersatz hätte.
Dann unterläuft einem Crewmitglied ein dummer, aber sehr folgenschwerer Fehler und die ganze Mission geht den Bach runter - oder doch nicht?

Die meisten Kritiker und sonstigen Zuschauer sind sich dahingehend einig, daß die ersten etwa 70 Minuten des neuen Werks von Danny Boyle ("Trainspotting", "28 Days Later") sehr, sehr gut sind. Über das große Finale in der letzten halben Stunde gehen die Meinungen jedoch komplett auseinander. Und das ist nachvollziehbar, denn in dieser Zeit vollzieht der Film eine 180°-Kehrtwendung. Und das nicht nur inhaltlich, sondern sogar das Genre betreffend. Man könnte sagen: Aus "2001" wird "Alien" ...
Zudem überschlagen sich in dieser Phase die Ereignisse, weshalb man gar nicht mehr richtig zum Nachdenken kommt. Dennoch habe ich das Gefühl, daß am Ende nicht mehr alles ganz logisch ist. So gesehen könnte es natürlich gewollt sein, daß man nicht mehr alles mitbekommt, denn so kann man logischerweise auch nicht allzu lange über eventuelle Handlungslöcher nachdenken. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Aber noch einmal zurück zu den ersten 70 Minuten: Die Trailer lassen ja eher eine Mischung aus "Armageddon" und "The Core" erwarten, aber das ist eigentlich sehr irreführend. Denn während die genannten zwar durchaus unterhaltsame und actionbetonte, dabei aber ultimativ sinnfreie Filme waren, ist "Sunshine" eher das Gegenteil. Eine Art Kammerspiel im All, mit zunächst nur wenigen Actionsequenzen, dafür recht ausführlicher Vorstellung der acht erfreulich gleichwertig dargestellten Astronauten (gespielt u.a. von Cillian Murphy, Michelle Yeoh und Rose Byrne, besonders gut gefiel mir aber Cliff Curtis aus "Whale Rider") und ihrer Probleme untereinander und bezüglich des Umgangs mit den auftretenden Hindernissen.
Herausragend sind die visuellen Effekte und auch die Musik von John Murphy und der (durch Danny Boyles "Trainspotting" berühmt gewordenen) Band Underworld ist ausgesprochen gelungen.
Streng genommen ist die Handlung bis zu jenem ominösen Wendepunkt nach 70 Minuten nicht allzu originell, aber dafür umso überzeugender - teilweise richtiggehend begeisternd! - in Szene gesetzt.

Und was ist nun mit diesem seltsamen Finale? Gehöre ich zu jenen, die es schrecklich finden? Nein. Finde ich es toll? Hm, auch nicht wirklich. Ehrlich gesagt bin ich mir immer noch nicht so richtig sicher, was ich davon halten soll. Es hat mir den Filmbesuch jedenfalls NICHT ruiniert, auch wenn ich nicht sicher bin, ob der Film nicht ohne diese Wendung noch besser geworden wäre - andernfalls würde ich ihm dann dafür das absolut Besondere fehlen. Wirklich schwierig, das Ganze zu beurteilen ...
Fakt ist jedenfalls: "Sunshine" hat mich insgesamt richtig beeindruckt und mir einmal mehr bewiesen, daß Danny Boyle ein außergewöhnlicher Regisseur ist.
9 Punkte.

ROBERT ALTMAN´S LAST RADIO SHOW:

Garrison Keillor ist in den USA seit Jahrzehnten Gastgeber der Radiosendung "A Prairie Home Companion" (so auch der Originaltitel des Films), die jeden Samstag ausgestrahlt wird und laut Wikipedia rund 5 Millionen Zuhörer erreicht. Die Sendung ist eigentlich ein Relikt aus früherer Zeit, eine live und vor Publikum ausgestrahle Sendung, in der Keillor singt (darunter zahllose Jingles von Sponsoren der Sendung) und Witze und Geschichten erzählt, zudem gibt es stets musikalische Gäste (meist Folk und Country-Musik).
Irgendwann kam es Keillor dann in den Sinn, ein Drehbuch zu schreiben über eine fiktive letzte Show vor Einstellung der Sendung. Das Drehbuch gelangte zu Regie-Legende Robert Altman und der übernahm dann auch gleich die Regie - mit Garrison Keillor in der Hauptrolle als er selbst!

Im Grunde genommen zeigt "Last Radio Show" einfach nur diese Sendung, unterfüttert mit "Backstage-Aufnahmen", in denen sich die Crewmitglieder und die Gastmusiker alte Anekdoten erzählen und mehr oder weniger melancholisch auf das Ende warten. Zu diesen musikalischen Gäste zählen die Johnson Girls, gespielt von Meryl Streep und Lily Tomlin, sowie die singenden Cowboys Dusty & Lefty, herrlich schräg dargestellt von Woody Harrelson und John C. Reilly.
Glücklicherweise wurden die zahlreichen Songs nicht synchronisiert, sondern untertitelt, was gerade bei den anzüglichen und vor Wortwitz sprühenden Liedern von Dusty & Lefty ein wahrer Segen ist. Um den Sprung von "liquor" zu "lick her" gedanklich hinzubekommen, habe ich bestimmt eine Minute gebraucht, zumal es der erste Gag dieser Art war und er daher völlig unerwartet daherkam (die Übersetzung in den Untertiteln fiel übrigens deutlich harmloser aus). <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />
Lobend hervorzuheben ist dabei, daß sämtliche Darsteller und Musiker (die überwiegend die gleichen wie in der echten Radiosendung sind) live vor dem Publikum gesungen und gespielt haben. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />

Es ist ganz eindeutig: "Last Radio Show" lebt von seinen teils skurrilen, aber immer liebenswerten Charakteren - darunter auch Kevin Kline als ziemlich schusseliger Ex-Detektiv und aktueller Sicherheitschef der Show Guy Noir (und er fühlt sich seinem Nachnamen eindeutig verpflichtet, was zu etlichen lustigen Szenen führt <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />), Virginia Madsen als "gefährliche Fremde" und Tommy Lee Jones als "Vollstrecker".
Die Chemie der Darsteller und der echten Radioleute untereinander ist wirklich beeindruckend.

Highlight des Films war für mich eine Szene, in der Keillor eine Panne überbrücken muß und das mit einer hinreißenden Improvisation tut, der sich dann auch einige andere anschließen. Der Kinosaal lag vor Lachen sprichwörtlich am Boden! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" /> (und das nicht nur in dieser Szene)

Fazit: "Robert Altman´s Last Radio Show" ist ein unspektakulärer, aber ein ausgesprochen warmherziger Film mit viel Musik (die hierzulande nicht jedem gefallen wird, aber davon sollte sich dennoch niemand abhalten lassen) und Humor. Ein melancholischer, nostalgischer Film, letztlich ein Film über das Abschied nehmen - und somit ein geradezu unglaublich perfekter letzter Film eines der größten und einflußreichsten Regisseure aller Zeiten: Robert Altman, verstorben am 20. November 2006 im Alter von 81 Jahren. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/sad.gif" alt="" />
Ein wahrlich würdiges Vermächtnis, auch wenn es leider ein zu "kleiner" Film ist, um noch einmal eine echte Chance bei den diesjährigen Preisverleihungen zu haben (immerhin gab es bereits 2006 einen Publikumspreis bei der Berlinale). Ebenfalls 9 Punkte.

Last edited by Ralf; 23/04/07 06:27 PM.