Apropos Überwachungsstaat:

DAS BOURNE ULTIMATUM:

Der Agent ohne Erinnerung (wobei er mittlerweile immerhin gelegentliche, ihn allerdings eher verwirrende Flashbacks hat) Jason Bourne ist noch immer auf der Jagd nach den Verantwortlichen für sein Schicksal und für den Tod seiner Freundin Marie im zweiten Teil. Dabei trifft er auf alte Bekannte und neue Kontrahenten und durchquert mal wieder die halbe Welt ... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Mit "Das Bourne Ultimatum" hat Regisseur Paul Greengrass nicht nur einen herausragenden Action-Thriller und einen perfekten Abschluß für die mit Sicherheit beste Trilogie des noch jungen Jahrtausends geschaffen, sondern auch einen überraschend deutlichen Kommentar zur derzeiten amerikanischen Politik im Speziellen sowie den weltweit unübersehbaren Tendenzen hin zum Orwell´schen Überwachungsstaat abgegeben.
Während in der ersten beiden Teilen die Bösewichte im Grunde genommen "nur" schwarze Schafe innerhalb der CIA waren, ist es diesmal der von David Strathairn überzeugend gespielte CIA Deputy Director Noah Vosen, der voller Überzeugung und im Auftrag seiner Vorgesetzten handelt. Dabei beweist er stets und voller Überzeugung Linientreue zu den höchst fragwürdigen weltpolitischen Ansichten von Bush, Cheney und Co. Er hat nicht einmal Probleme damit, eigene Leute eliminieren zu lassen, die er für Verräter hält, weil sie die Machenschaften von ihm und seinen Vorgesetzten aufdecken wollen.
Joan Allen als bereits in "Die Bourne Verschwörung" eingeführte Pamela Landy ist (neben Julia Stiles vielleicht, deren Nicky jedoch eher aus persönlichen Motiven handelt) Vosens Gegenstück und repräsentiert gewissermaßen die CIA, wie sie eigentlich sein sollte. So gesehen ist eine gewisse, von Elgi kritisierte Schwarz-Weiß-Malerei schon vorhanden, die aber bei genauerer Betrachtung doch einige Grautöne aufweist. Denn Vosen ist nunmal absolut überzeugt davon, daß er einer von den Guten ist und zum Besten seines Landes Bourne und nötigenfalls auch Landy beseitigen muß! Solche Charaktere wird es auch in der echten CIA zur Genüge geben ...

Zugegeben, die Story des Films ist relativ dünn und darunter leidet dann natürlich auch die Ausarbeitung der Charaktere etwas - allerdings ist "Das Bourne Ultimatum" dermaßen atemberaubend rasant in Szene gesetzt, daß ich über diese leichten Schwächen gerne hinwegsehe. Dazu trägt auch bei, daß die Charaktere trotz ihrer relativen Oberflächlichkeit markant und interessant genug sind, um das Publikum zum Mitfiebern mit ihrem Schicksal zu bewegen.

Sehr gut gefallen hat mir auch in dieser Hinsicht, daß Bourne diesmal nicht der unschlagbare Superagent ist, der (fast) alleine gegen den Rest der Welt steht und trotzdem immer einen Tick schlauer ist als seine Widersacher, die immerhin zumindest teilweise eine vergleichbare Ausbildung genossen. Diesmal gibt es mit Agent Desh Bouksani (Joey Ansah) einen ebenbürtigen Gegner und auch mit seinem Verfolger Paz (Edgar Ramirez) teilt Bourne einige schöne Szenen.
Erfreulich ist weiterhin, daß der Film stets die Kontinuität seiner Vorgänger bewahrt und die Trilogie somit wirklich als eine Einheit dasteht. Auch wenn Marie diesmal logischerweise nicht dabei ist, ist sie doch stets in Bournes Handeln und Denken präsent und so ist auch die kurze, für das große Ganze eigentlich belanglose Szene mit Daniel Brühl als Maries Bruder sehr gelungen.

Wie angesprochen spielt auch der Überwachungsstaat eine große Rolle in "Das Bourne Ultimatum": Der hochspannende Beginn des Films mit dem stets überzeugenden Paddy Considine als unwissentlich komplett von der CIA überwachter Enthüllungsjournalist offenbart auf spektakuläre (wenn auch vielleicht etwas plakative) Art und Weise die Gefahren der totalen Überwachung. Und wenn so ganz nebenbei gezeigt wird, wie dieser Journalist nur aufgrund eines einzigen bei einem Handy-Telefonat mit seinem Chef geäußerten Begriffs zur Zielscheibe der CIA wird, dann läuft einem schon ein kalter Schauer über den Rücken. Denn so unrealistisch ist das alles leider schon lange nicht mehr ...

Neben diesen Stärken und wenigen Schwächen ist es aber natürlich vor allem die authentisch inszenierte Action, die im Zentrum des Films steht. Und hier wurde erneut erstklassige Arbeit geleistet. Die zahlreichen Verfolgungsjagden zu Fuß, Motoroller und Auto sind ebenso spektakulär in Szene gesetzt wie die harten, unbarmherzigen Kämpfe. Natürlich wird wieder exzessiv mit der zum Markenzeichen der Reihe gewordenen Wackelkamera gearbeitet, allerdings empfand ich das diesmal weniger störend als in "Die Bourne Verschwörung". Die Musik von John Powell ist genauso mitreißend wie in den Vorgängern, was aber zugegebenermaßen auch daran liegt, daß sie nur in Nuancen abgeändert wurde. Aber warum sollte man an einer tollen Komposition auch großartig herumpfuschen? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Und sogar im Abspann ist wieder eine Version von Mobys bereits in den ersten beiden Teilen verwendetem Song "Extreme Ways" zu hören. Wie gesagt: Kontinuität ist überall! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />

Fazit: Wie gesagt: Ein hervorragender Abschluß für eine hervorragende, wegweisende (siehe "Casino Royale") Action-Thriller-Trilogie. Nur aufgrund der diesmal etwas zu dünnen Story gibt es leichte Abzüge und damit immer noch sehr gute 9 Punkte! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />

Bleibt noch die derzeit vieldiskutierte Frage nach einer weiteren Fortsetzung. Denn angesichts des weltweiten überwältigenden Erfolgs von "Das Bourne Ultimatum" (die ersten beiden Teile liefen außerhalb Nordamerikas eher mittelmäßig) bei gleichzeitig großem Kritikerlob dürfte außer Frage stehen, daß die Produzenten diesen Goldesel weiterführen wollen. Nur: Wie?
Matt Damon hat in letzter Zeit immer wieder betont, daß es sein letzter Bourne-Film gewesen sei. Er könne sich aber durchaus vorstellen, daß wie bei der Bond-Reihe ein anderer Schauspieler die Rolle übernimmt und die Reihe fortführt. Vor allem in Fankreisen wird auch gerne spekuliert, daß ein Nebencharakter der Trilogie ins Zentrum rücken könnte: Eventuell Julia Stiles, vielleicht sogar der unbekannte Edgar Ramirez, dessen Rolle als Paz immerhin der des Jason Bourne eindeutig am nächsten kommt?

Meine Meinung dazu ist eindeutig: Matt Damon IST Jason Bourne. Ich finde, daß die Reihe nur mit Damon in der Titelrolle funktionieren kann. Er steht für diesen Charakter, er hat ihn meines Erachtens eindeutiger geprägt als das beispielsweise Sean Connery mit James Bond getan hat!
Sollte Damon sich tatsächlich nicht mal durch einen gewaltigen Gehaltsscheck überzeugen lassen, sollte man die Reihe lieber ruhen lassen - und hoffen, daß Damon in ein paar Jahren vielleicht doch wieder Lust bekommt (und dann auch die Regisseure/Produzenten Greengrass und Liman wieder mitmachen wollen, deren Fertigkeiten natürlich ebenfalls sehr stark zum Gelingen dieser Trilogie beigetragen haben) ... hat bei Bruce Willis und "Stirb Langsam" ja immerhin auch ganz gut geklappt. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Last edited by Ralf; 01/10/07 03:34 PM.