ABBITTE:

England in den 1930er Jahren. Auf einem mondänen Landsitz beginnt eine lange verborgene Leidenschaft zwischen der schönen Cecilia (mit ihrer bislang wohl stärksten Leistung: Keira Knightley) und Robbie (dito: James McAvoy, "Der lezte König von Schottland", "Geliebte Jane"), dem Sohn der Haushälterin, sich heißblütig zu entfalten. Sehr zum Mißfallen von Cecilias kleiner Schwester, der altklugen angehenden Schriftstellerin Briony (überzeugend: die 13-jährige Saoirse Ronan, demnächst auch in Peter Jacksons "The Lovely Bones" zu sehen), die ebenfalls heimlich in den natürlich viel älteren Robbie verliebt ist. Als sich eines Abends die Geschehnisse überstürzen, wird der von den hohen Herrschaften stets eher mißtrauisch beäugte Robbie aufgrund Brionys Aussage der Vergewaltigung beschuldigt und kurzerhand in den Knast gesperrt. Raus kommt er erst vier Jahre später - der Zweite Weltkrieg hat begonnen, Soldaten werden benötigt!
Unterdessen versucht die mittlerweile volljährige Briony als Krankenschwester Abbitte zu leisten für das, was sie Cecilia und Robbie angetan hat ...

Joe Wrights ("Stolz und Vorurteil") Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Ian McEwen gilt als großer OSCAR-Favorit - umso enttäuschter war ich, als der Abspann begann. Ich kenne das Buch nicht, aber der Film kann nur teilweise überzeugen. Das liegt auch an der zu kurzen Laufzeit. Nun gut, 115 Minuten sind eigentlich nicht ganz wenig - aber angesichts der Tatsache, daß der Film (trotz einiger Zeitsprünge) ziemlich klar in zwei Hälften unterteilt ist (plus Epilog - das eindeutige Highlight des Films mit einer grandiosen Vanessa Redgrave!), bleiben somit weniger als eine Stunde für jede dieser recht umfangreichen Hälften. Somit bleibt die Handlung zwangsläufig eher an der Oberfläche - wer das Buch kennt, den stört das vielleicht weniger (derjenige weiß ja, was "außerhalb" des Films noch alles passiert), aber für den Nicht-Leser ist es ein echtes Problem.
Dazu kommt, daß die Handlung in der ersten Hälfte für meinen Geschmack schon extrem "soapig" ausgefallen ist. Ich meine, streng genommen basiert "Abbitte" auf der gleichen Prämisse wie das OSCAR-gekrönte Meisterwerk ... ähh ... "Road Trip" (wer den Film nicht kennt: Eine zweitklassige Teenie-Komödie)! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/evilgrin1.gif" alt="" />
Die Charaktere sind recht klischeehaft und selbst für jemanden, der ohne jedes Vorwissen in den Film geht, dürfte sehr offensichtlich sein, wie sich die Handlung in dieser ersten Filmhälfte entwickeln wird. Abgesehen von Cecilia, Robbie und Briony bleiben sämtliche übrigen Figuren (immerhin u.a. von Brenda Blethyn gespielt) so blaß, daß ihr Fehlen auch nicht weiter aufgefallen wäre.

In der zweiten Filmhälfte, die während des Krieges spielt, wird die Story dann deutlich interessanter: Wright gelingt es hervorragend und unprätentiös, die desillusionierende Situation der von den Deutschen besiegten rund 300.000 englischen Soldaten zu zeigen, die an den Stränden Nordfrankreichs ihrer Rettung aus der Heimat harren. Gleichzeitig steht mittels Cecilia und Briony (als Erwachsene übrigens von Romola Garai gespielt) auch immer wieder die Heimatfront im Mittelpunkt.
Das Problem ist erneut die zu kurze Laufzeit. Gerade mal etwa 50 Minuten reichen bei weitem nicht aus, um der Handlung die Tiefe zu verleihen, die sie eigentlich hätte. Das, was gezeigt wird, ist stark - sowohl schauspielerisch als auch technisch. Aber es geschieht alles zu schnell, zu oberflächlich, um den Zuschauer wirklich emotional zu berühren. Und erneut bleiben alle Nebencharaktere bloßes Beiwerk, aus denen mal viel mehr hätte herausholen können. Wäre die Buch-Verfilmung als Zweiteiler verfilmt worden, hätte ein echtes Meisterwerk daraus werden können. So ist es eher Durchschnitt. Wunderschön anzuschauender Durchschnitt, aber Durchschnitt.

In der Tat liegt die Stärke von "Abbitte" eindeutig abseits der Handlung. Die drei Hauptdarsteller plus Redgrave im Epilog überzeugen restlos, McAvoy und Knightley scheinen wirklich auf dem Weg zu echtem Charakter-Darsteller-Ruhm zu sein.
Technisch ist überhaupt nichts auszusetzen. Sowohl die Seifenoper-Handlung der ersten als auch die Kriegs-Story der zweiten Hälfte werden in wunderbare, atmosphärische Bilder gekleidet, die Musik von Dario Marinelli ist originell (so wird beispielsweise das Geräusch von Brionys Schreibmaschine in die Musik eingebunden) und passend und über Ausstattung, Kostüme etc. muß man sowieso nicht reden. Das können die Briten einfach! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Das alles reicht zwar nicht, um in meinen Augen aus "Abbitte" einen wirklich guten Film zu machen, es hebt ihn aber immerhin noch knapp über den Durchschnitt.

Aber zugegeben, ich bin vielleicht auch nicht ganz das richtige Publikum für diese Art Film. Wenn schon Seifenoper, dann brauche ich wenigstens viel Humor dabei. Den gibt es hier nicht und somit fehlt auch die Ablenkung von den teilweise unglaublich dämlichen Handlungsweisen der Charaktere in der ersten Hälfte.

Fazit: "Abbitte" ist ein wunderbar gemachter Film, der aber unter einer Story leidet, die im Buch wohl zu komplex ist, um sie wirklich umsetzen zu können und daher auf der Leinwand gehetzt und oberflächlich wirkt. 6,5 Punkte.