DER NEBEL:

Eine amerikanische Kleinstadt wird nach einem gewaltigen Sturm auch noch von einer riesigen, dichten Nebelfront eingehüllt. Nicht nur, daß sich der Nebel entgegen der Windrichtung bewegt - er bringt auch noch etwas mit sich. Etwas Lebensbedrohliches! Eine große Menschengruppe um den Künstler David Drayton (Thomas Jane) und seinen kleinen Sohn rettet sich in einen Supermarkt. Doch mit der Zeit wachsen die Spannungen innerhalb der Gruppe und der "horror from inside" läßt den "horror from outside" beinahe harmlos erscheinen ...

Nach den Klassikern "Die Verurteilten" und "The Green Mile" ist "Der Nebel" bereits die dritte Verfilmung einer Geschichte von Horror-Großmeister Stephen King durch Frank Darabont - allerdings die erste echte Grusel/Horror-Story. Die Handlung ist ausgesprochen wendungsreich und wie angedeutet keineswegs auf den klassischen Monster-Horror beschränkt. Den gibt es zwar und wenngleich die CGI-Kreaturen nicht an Gollum-Qualität heranreichen, sind sie allemal überzeugend. Der Kern der Geschichte liegt jedoch in der Entwicklung der Geschehnisse innerhalb des Supermarkts.
Ich bin kein Psychoanalytiker, aber manchmal konnte ich die Verhaltensweisen der Menschen nicht wirklich nachvollziehen. Allerdings glaube ich, daß diese bewußt übertrieben und in die Extreme überspitzt wurden (vermutlich bereits von Stephen King), um das parabelhafte der Geschichte zu betonen.
Denn es schälen sich schnell drei klar voneinander abgrenzbare (wenngleich sehr wohl durchlässige) Fraktionen heraus: Auf der einen Seite die Ultra-Rationalisten um den Star-Juristen Brent Norton (Andre Braugher), die vermutlich noch nicht mal dann die Existenz etwas Über- bzw. Unnatürlichen anerkennen würden, wenn sie gerade davon gefressen würden. Auf der anderen Seite die extrem religiöse Mrs. Carmody (OSCAR-Gewinnerin Marcia Gay Harden) - eigentlich den Stadtbewohnern lange als "Verrückte" bekannt -, deren alttestamentarische Überzeugungen und Deutung der Geschehnisse als Bestrafung Gottes für menschliche Sündenfälle wie Mondspaziergänge (sic!), Scheidungen und Abtreibungen mit zunehmender Dauer immer mehr Anhänger unter den verängstigten Menschen finden.
Dazwischen stehen diejenigen, mit denen sich vermutlich der Großteil des Publikums identifizieren können - die "Normalen" sozusagen. Darunter David und sein Sohn, die Lehrerin Amanda (Laurie Holden lustigerweise bereits in ihrem zweiten "Nebel-Film" nach "Silent Hill" <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />), der Supermarkt-Angestellte Ollie (Toby Jones) und die alte Dame Irene (Frances Sternhagen). Sie leugnen nicht das Offensichtliche, sind aber auch nicht bereit, jegliche Vernunft über Bord zu werfen.

Wie gesagt, diese sehr schnelle und extreme Aufspaltung in drei Fraktionen ist aufgrund der etwas übertriebenen Inszenierung zunächst gewöhnungsbedürftig - aber definitiv effektiv und letztlich genau das, was "Der Nebel" von den üblichen Wald-und-Wiesen-Horrorfilmen positiv abhebt! Hier wirken die Monster von draußen nur als Katalysator für die inneren Dämonen der Menschen. Was übrigens durch einen geradezu erstaunlichen Zynismus in den Dialogen noch unterstrichen wird!

Sehr gelungen ist auch die musikalische Untermalung durch Mark Isham, dessen mitunter beinahe atonalen Kompositionen die unheischwangere Atmosphäre perfekt begleiten und betonen. Die Leistungen der bis auf Harden eigentlich nicht allzu hochkarätigen Schauspieler sind nicht OSCAR-verdächtig, aber überzeugend genug. Allzu viel mimisches Talent ist hier sowieso nicht gefragt, es reicht eigentlich, wenn man Furcht, Wut und grimmige Entschlossenheit ausdrücken kann - achja, und natürlich eine gute Sterbeszene hinbekommt. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/biggrin.gif" alt="" />

Absolut erwähnenswert ist übrigens das Ende. Ich werde an dieser Stelle natürlich nicht spoilern, aber es sei gesagt, daß Darabont das eigentliche Ende - mit Kings ausdrücklichem Segen (nach eigener Aussage war er sowieso nie hundertprozentig zufrieden damit) - verändert hat. Was einerseits wunderbar funktioniert, da dieser Schluß ein riesengroßes Ausrufezeichen setzt und sicherlich lange im Gedächtnis bleibt. Andererseits ist dieses Ende aber auch ab einer bestimmten Stelle recht vorhersehbar und insgesamt ziemlich plakativ - was eigentlich nicht schlecht zu den beschriebenen Übertreibungen paßt. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob die Subtilität des ursprünglichen Endes nicht noch besser gewirkt hätte.

Fazit: "Der Nebel" ist ein sehr gelungener Horror-Film, der zwar Anleihen bei Klassikern wie (offensichtlich) "The Fog" oder "Alien" nimmt, sich aber vor allem durch seine präzise, pessimistische Analyse der im Zentrum der Geschichte stehenden Menschen auszeichnet und somit beinahe mehr Mystery-Psycho-Thriller als Monster-Film ist. 8,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 29/01/08 10:41 AM.