Auf diese Beleidigung eines jeden Rambo-Fans werde ich nicht eingehen. Stattdessen:

Pünktlich zur Oscar-Verleihung möchte ich heute Abend fünf Filme auf einmal bewerten und gebe eine allgemeine Spoiler-Warnung aus!


ABBITTE:

Ralf hat die Geschichte schon angesprochen, deswegen spare ich mir das und komme gleich zu einer wichtigen Frage: Wie konnte dieser Film jemals als heißer Kandidat für den Oscar gelten? <img src="/ubbthreads/images/graemlins/suspicion.gif" alt="" />

Die Voraussetzungen sind zwar durchaus gegeben - die Schauspieler sind allesamt gut, die Story strotz nur so vor Emotionen, auch die Dramatik kommt dank der Kriegszeiten nicht zu kurz - aber das Endresultat kann mich überhaupt nicht überzeugen. Das Ganze wirkt eher wie ein wild zusammengewürfeltes Etwas, vor allem im zweiten Teil während der Kriegstage. Da wird relativ kurz das Leid der Soldaten an der Front gezeigt, in einigen kurzen Szenen auch sehr drastisch, wie etwa im Krankenhaus als die Verwundeten ankommen. Auch die lange und zusammenhängende Kamerafahrt, als Robbie mit seinen Kameraden an der französischen Küste ankommt, ist schön gemacht und gibt einen ungefähren Eindruck darüber, wie sich die Soldaten da gefühlt haben mögen. Aber das alles wirkt nicht flüssig, nicht aus einem Guß... wenn man solch einen Gefühlsfilm in eine Kriegsrahmenhandlung betten will, muß das meiner Meinung nach schon etwas gekonnter inszeniert sein und nicht so halbgar wie in diesem Fall. Da gefällt mir der erste Teil, den Ralf als Soap bezeichnet hat, zumindest von der Stringenz her deutlich besser, wenn auch dort die Handlung mehr oder weniger auf der Stelle tritt und man stattdessen relativ unwichtige Details in die Länge zieht, was dem Ganzen einen cineastischen Eindruck verleiht, aber nichts Essentielles für den Film selbst liefert.

Ich könnte mir vorstellen, daß der Film als solcher eindrucksvoller und stimmiger gewesen wäre, wenn die vereinzelten Zeit- und Ortssprünge zum Leitmotiv gemacht worden wären und man damit die Erzählstruktur von Anfang an aufgelöst hätte. Mit unkenventionelleren Mitteln, in die dann auch - sozusagen als aufschreckende Abwechslung - fast schon stakkatoartig Kriegsszenen eingestreut hätten werden können. Evtl. hätte das dem Ganzen mehr Pepp verliehen, wenn schon die Tiefe auf der Strecke bleibt.

Immerhin überzeugen die Schauspieler größtenteils, wie auch Ralf schon festgestellt hat. Vor allem James McAvoy spielt seine Rolle hervorragend, wie ich finde. Fand ich ihn letztes Jahr in "Der letzte König von Schottland" noch leicht überfordert, macht er seine Sache in diesem Film schon besser und kann durchaus beeindrucken. Keira Knightley ist ebenfalls gut, wenn ich auch bei ihr eine gewisse Abwechslung in der Art vermisse, wie sie ihre Rollen spielt. Das dürfte hoffentlich mit den Jahren dann kommen, so daß man nicht Keira Knightley mit immer ähnlichem Gesichtsausdruck und konstanter Stimme sieht, sondern tatsächlich die gespielte Rolle genießen kann.

Dennoch: Der schwächste der 5 nominierten Filme, denke ich. Daher schließe ich mich Ralfs Fazit an:

Quote
Fazit: "Abbitte" ist ein wunderbar gemachter Film, der aber unter einer Story leidet, die im Buch wohl zu komplex ist, um sie wirklich umsetzen zu können und daher auf der Leinwand gehetzt und oberflächlich wirkt. 6,5 Punkte.




JUNO:

Die 16jährige Juno MacGuff (Ellen Page) ist schwanger von ihrem Mitschüler Paulie Bleeker. Da sie sich nicht bereit für ein Kind fühlt, entscheidet sie sich dafür, ihr Baby nach der Geburt zur Adoption freizugeben - und findet in einer Anzeigenzeitung auch schon das perfekte Paar dafür: Die etwas verklemmt wirkende Vanessa Loring (Jennifer Garner) und der zwangsdomestizierte Alt-Rocker Mark Loring (Jason Bateman, zuvor schon in "Operation: Kingdom" mit J. Garner vor der Kamera).
Unterstützung während der Schwangerschaft bekommt sie von ihrer resoluten Stiefmutter (Allison Janney, vor allem bekannt geworden durch ihre Rolle in der TV-Serie "The West Wing") und ihrem sympathischen Vater (J.K. Simmons, der cholerische Zeitungsboss in Spiderman 1-3).

Viel gibt es zur Geschichte nicht zu erzählen... es gibt ein, zwei kleine inhaltliche Wendungen, die ich nicht verraten möchte, aber das alles verläuft in vorhersehbaren Bahnen; gegen Ende kommen leicht tragisch-dramatische Töne in die Komödie, aber das trügt den Gesamteindruck nicht, sondern paßt von der Storyentwicklung her gut.
Doch der Film zieht seinen ganzen Charme aus den teilweise recht skurril-derben und fast immer witzigen Dialogen sowie aus der Leistung des Darstellerriege. Allen voran die erst 21jährige Ellen Page, die die eigentlich überforderte, aber immer schlagfertige Teenagerin mit beeindruckender Verve und zugleich Zerbrechlichkeit spielt, daß es eine Freude ist, ihr dabei zuzuschauen. Es gibt wohl natürlich auch andere Schauspielerinnen aus anderen Filmen, die eine Oscar-Nominierung verdient hätten, allerdings ist E. Page meiner Meinung nach völlig zurecht nominiert. Es ist eine Überraschung durchaus, aber immerhin eine sehr nette Abwechslung.
Hinzu kommt die sehr witzige Rolle von Vater MacGuff, den J.K. Simmons mit herrlich trockenen Sprüchen und zugleich warmer Mimik perfekt darstellt. Die restlichen Rollen sind nicht überragend, aber gut gespielt. Der eigentlich als Loser wirkende Paulie Bleeker wird vom 19jährigen Michael Cera erstaunlich professionell gespielt - die Leistung der beiden jungen Darsteller sollte aber nicht allzu sehr überraschen, da sie nicht ganz neu im Geschäft sind.

Die Nominierung für den besten Film und die beste Regie finde ich bei aller Freude allerdings etwas zu übertrieben. Man wollte wohl auch einen kleinen positiven Klecks in der Liste, denn bis auf einige kurze Teile ist der Film durchaus als positiv zu betrachten - es gibt keine bösen Leute, keine Feindschaften, keine Action, keine bösen Politiker, keine schlimmen Verschwörungen... nur eine einfache Geschichte aus dem Leben. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />

Von mir gibt es eine Wohlfühlnote von 7.5; erinnert vom Eindruck vor den Oscars her an "Little Miss Sunshine" aus letztem Jahr, den ich aber noch besser fand. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />



MICHAEL CLAYTON:

Michael Clayton (George Clooney) arbeitet als "Saubermacher" für eine erfolgreiche Anwaltskanzlei. Am Anfang des Films bekommt er einen einfachen Auftrag - er soll einem fahrerflüchtigen Klienten behilflich sein, aus der Sache herauszukommen. Das wird recht schnell erledigt, daraufhin rast er in seinem Mercedes durch die Morgendämmerung, als er auf einer Weide ein paar Pferde sieht... er steigt aus, um sie sich anzusehen - auf eine traurige Art und Weise, die man sich da noch nicht erklären kann. Was für ein Glück er dabei hat - denn wenige Minuten später fliegt sein Auto dank einer Sprengladung in die Luft!

Schnitt - vier Tage zuvor. Clayton wird von seinem Chef (Regie-Altmeister Sydney Pollack) auf seinen Kollegen Arthur Edens (Tom Wilkinson, oscar-nominiert) angesetzt. Dieser ist ein begnadeter Anwalt und momentan mit der Verteidigung eines großen Lebensmittelkonzerns betraut, ein milliardenschweres Verfahren, von dessen erfolgreichem Ende auch eine lukrative Fusion der Anwaltskanzlei mit einer anderen Kanzlei abhängt. Eigentlich eine einfache Angelegenheit - wenn, ja wenn Arthur Edens sich nicht wie ein Verrückter aufführen würde. Bei einer Anhörung von Zeugen legt er einen Strip hin und tanzt auf dem Tisch, was per Kamera festgehalten wird. Danach geht es noch wilder weiter... als ob das nicht genug wäre, scheint er auch die Seiten wechseln und die Anklage gegen den Lebensmittelkonzern antreiben zu wollen.
Wie gesagt, Clayton wird beauftragt, die Sache wieder in Ordnung zu bringen, seinen alten Freund zur Raison zu bringen und das Verfahren und damit die Milliarden zu retten. Parallel dazu fühlt sich die Assistentin des Lebensmittelkonzerbosses - gespielt von Tilda Swinton, ebenfalls oscar-nominiert - ebenfalls gezwungen, ihre eigenen Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Firma vor einer Blamage zu bewahren.

Es wurde ja schon genannt: "Michael Clayton" ist ein überaus konventioneller Film und erinnert in seinem Erzähltempo und der Charakterzeichnung an Filme aus den 70ern. Eine häufige Kritik am Film dabei lautet, daß die Story nicht gerade vom Hocker reißt, daß man solcherlei Geschichte um bösen Konzernen und dunklen Geheimnissen um sie schon oft und manches Mal auch deutlich besser gesehen hat. Das stimmt. Die Story wird nur langsam weiter entwickelt, es gibt keine großen Überraschungen, man kann sich schon recht bald ein Bild über die Verstrickungen machen und dann dem Ende des Films entgegenfiebern.

Der Reiz auch dieses Films geht jedoch meiner Meinung nach ebenfalls von den Darstellern aus.
Tilda Swinton als die nervöse, kühle Karrierefrau, die sich immer wieder beweisen muß und auf keine Fall einen Fehler machen will, ist überzeugend und wohl zurecht oscar-nominiert.
Tom Wilkinson als Superanwalt, der zwar reichlich spät, aber dafür umso eindrucksvoller sein Gewissen findet und diesem mit einem Hauch von Wahnsinn folgt, ist oberflächlich gesehen zwar eine schwierige Rolle, dürfte für aber einen solch erfahrenen Schauspieler wie Wilkinson kein allzu großes Problem darstellen. Es ist, so denke ich, eine dankbare Rolle - denn diese leicht irren Charaktere sind mit etwas Talent leichter zu spielen, als total verschlossene oder ganz durchschnittliche Personen. Nichtsdestotrotz macht Wilkinson seine Sache wenig überraschend sehr gut.

Und schließlich George Clooney, der für diese Rolle zum dritten Mal insgesamt und zum ersten Mal als bester Darsteller für den Oscar nominiert wurde. Wenn man bedenkt, daß der Film mehr oder weniger auf der Figur des Michael Clayton und damit auf der Leistung von G. Clooney aufbaut, muß er diese Aufgabe ja recht gut erfüllt haben, wenn er dafür auch noch für den Oscar nominiert wurde. Und ja, das hat er in der Tat. Die Figur des Michael Clayton wird dabei glücklicherweise nicht nur als disziplinierter Saubermacher-Anwalt der Kanzlei dargestellt, sondern auch mit anderen Facetten - z.B. als bemühter, aber nicht wirklich überzeugender Vater... oder als leicht verzweifelnder Bruder. Immer wenn er alleine seinen Job macht, ist Michael Clayton durch und durch Profi und top, aber im Zusammenspiel mit anderen Menschen merkt man, daß auch er gewisse Schwächen hat. Sehr deutlich wird auch, daß Clayton eigentlich nicht wirklich zufrieden ist mit seiner Rolle in der Kanzlei... lieber wäre er normaler Anwalt im Gerichtssaal und nicht der zwielichtige Mann für alles. G. Clooney schafft es, diese kleine Zerrissenheit des Charakters beinahe unprätentiös wiederzugeben. Sein Minenspiel und seine Leinwandpräsenz sind beeindruckend und er trägt in der Tat den Film - zumindest meiner Meinung nach.

In dem Zusammenhang sollte eine weitere Kritik erwähnt werden, die man so liest: Über die Vergangenheit von Michael Clayton würde nicht viel verraten werden... seine dunkle Vergangenheit, die nicht ganz so legalen Aktionen, mit denen er seinen guten Ruf in der Branche aufgebaut hat, würden nicht thematisiert. Das ist richtig. Aber kann keine ernst gemeinte Kritik sein. Was hätten sie machen sollen? Immer wieder mal Dialogfetzen wie "Weißt du noch Michael, wie du vor 5 Jahren diesem Mann die Beine hast brechen lassen?" Nein, ich finde es gut, wie die Charaktere ohne sehr viel Hintergrund eingeführt werden. Man muß ja nicht alles wissen.

Vom Handwerklichen her muß sich der Film ebenfalls nicht viel gefallen lassen... wenn man sich nicht unbedingt auf die genannten Kritikpunkte versteifen möchte. Die Regiearbeit überzeugt, der Film trägt eine eindeutige, teils düstere, teil beklemmende, teils triste Handschrift, die Kameraführung ist unauffällig und gut, die musikalische Untermalung passend zur aufgebauten Atmosphäre.

Alles in allem ein durchaus konventioneller, behäbiger Thriller, der weniger Wert auf die Story legt - die in anderen Filmen sicher besser erzählt wird - sondern durch seine gefällige Inszenierung und seine guten Schauspieler überzeugt. Kein überragendes Werk, aber mir hat er durchaus gefallen - aber ich bin auch ein überzeugter Clooney-Fan. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Note: 8.



NO COUNTRY FOR OLD MEN:

Irgendwo in Texas... Jäger Llewelyn Moss (Josh Brolin) stößt auf seiner Jagd in der texanischen Steppe auf die Überreste eines Drogendeals, der wohl nicht ganz so wie geplant verlaufen ist. Ein paar Pickups, einige Leichen, ein Überlebender (der Wasser will, was er ihm nicht bieten kann) eine Ladefläche voll Drogen und ein Koffer mit 2 Mio. Dollar - das ist die Szenerie, die er vorfindet. Er nimmt den Koffer mit in seinen Wohnwagen. In der Nacht plagt ihn sein Gewissen, er nimmt einen Kanister voll Wasser und geht nochmal zum Tatort, um dem Überlebenden das Wasser zu geben. Als er dort ankommt, wird er von mexikanischen Killern überrascht, die ihrerseits Jagd auf ihn machen. Aber er kann ihnen doch noch entkommen, indem er leicht verwundet in den nächsten Fluß springt. Ab da befindet er sich mit dem Geld auf der Flucht und gleichzeitig auf der Jagd nach seinen Häschern.

Parallel dazu wird auch die Geschichte des psychopathischen Killers Anton Chigurh (Javier Bardem, oscar-nominiert) erzählt. Dieser kann gleich am Anfang aus der polizeilichen Obhut entkommen und zieht mit seiner Sauerstoffflasche und einem Druckluft-Tötungsapparat durch die Lande. Sein Ruf ist mittlerweile fast schon legendär, so daß er von denjenigen, denen das Drogengeld gehört, engagiert wird, dem Geld auf die Spur zu kommen - glücklicherweise haben sie einen Signalgeber im Koffer angebracht, so daß es nur noch eine Frage der Zeit, bis Chigurh dem Geld auf die Spur kommt.

Ebenfalls parallel dazu und eher als übergeordnetes Rahmenwerk folgen wir den Ermittlungen durch den alternden Sheriff Ed Tom Bell (Tommy Lee Jones), der durch seine unaufgeregte, teilweise sarkastische, oberflächlich desinteressiert wirkende, aber von der Weisheit, die das Alter und der Job mit sich gebracht haben, geprägte Art auffällt.

Dies alles und noch etwas mehr spinnen die Coen-Brüder zu einer filmischen Reise in die Abgründe der menschlichen Seele zusammen... vor allem durch den Charakter Chigurh dargestellt, der zwar ein wahnsinniger Killer ist, dabei aber scheinbar seine Prinzipien hat und diese auch strikt einhält. Llewelyn Moss erscheint hierbei zwar als der "Gute" im Film, ist aber auch nicht so der astreine Mensch, den man sich als Schwiegersohn wünschen würde. Immerhin fängt die ganze Geschichte ja damit an, daß er der Versuchung nicht widerstehen kann, das Drogengeld zu nehmen.

Auf jeden Fall schaffen es die Coen-Brüder, ein Netz aus Story-Fäden zu spinnen, das den Zuschauer fesselt und sehr spannend ist. Man will wirklich wissen, wie sich dieses ungleiche Duell zwischen Psychopath und dem unaufdringlichen Jäger entwickelt - und vor allem, wie es sich auf ihre Umwelt auswirkt. Ohne die überraschenden Elemente der Story zu verraten, kann man zumindest sagen, daß die Coen-Brüder wie gewohnt einiges Unerwartete aufbieten, bis es zum Ende kommt, das viele Menschen verstört und unbefriedigt zurückgelassen haben soll. Ich finde es jedoch durchaus passend. Abgesehen davon zeigen sie ihre unnachahmliche Art, einen Film mit kleinen, teilweise innovativen Details zu bereichern. Dazu gehören die superbe Kameraarbeit, der trockene Humor, das Spiel mit Objekten und den Lichteffekten etc.

Abgesehen davon überzeugt natürlich auch hier der Cast. Allen voran Javier Bardem als wie erwähnt psychopathischer, jedoch überwiegend gesittet auftretender Killer, der lediglich seinen eigenen Prinzipien folgt und vor nichts und niemandem zurückschreckt. Die in kurzen Phasen fast schon diabolische Präsenz von Bardem als Anton Chigurh wurde dabei vollkommen zurecht für den Oscar nominiert. Gleich am Anfang, als er sich aus der Obhut der Polizei befreit, sieht man das mit am deutlichsten.
Auch T.L. Jones und J. Brolin sind sehr gut in ihren Rollen. Vor allem J. Brolin gefällt mir als teilweise lethargischer, sturer und tougher Ex-Soldat-Jetzt-Jäger.

Aber ich hatte ehrlich gesagt deutlich mehr von diesem Film erwartet... von dem, was ich darüber gelesen habe, war das ein ganz klarer 10er-Kandidat für mich, zumal ich großer Fan der Coen-Brüder bin. Aber dazu reicht es nicht. Dafür wäre mehr nötig gewesen als nur gute Schauspieler, gewohnt ungewöhnliche Erzählweise und die kleinen Details... ich denke, sie hätten mehr aus dem Film machen können, wenn es keine Roman-Adaption gewesen wäre und sie deutlich mehr ihres schriftstellerischen Genies in den Film hineingesteckt hätten. Dies ist aber nicht der Fall, was den Film fast schon normal werden läßt. <img src="/ubbthreads/images/graemlins/smile.gif" alt="" />
Dennoch ein sehr guter Coen-Bros-Film, der jedoch noch Luft nach oben hat. Note 8.5



THERE WILL BE BLOOD:

Ralf hat ja eigentlich alles schon dazu gesagt. Göttlicher Daniel Day-Lewis, fantastische Musik, teilweise elegische, dann wieder druckvolle Inszenierung, sonst gute Schauspieler, enorme Tiefe des Werks = 10 Punkte.

Und ich gehöre zu den wenigen, die den Charakter des Daniel Plainview sogar vorwiegend positiv finden. Klar, er ist krankhaft gierig, aber das ist seine "einzige" Schwäche in meinen Augen, auf deren Basis andere weniger gute Charakterzüge entstehen. Aber die Quelle des Charakters ist die Gier. Und die Gier ist größer als seine Liebe zu seinem Ziehsohn - die sich bis zum Ende des Films zeigt, selbst als die beiden im Zorn sich trennen. Das von Ralf erwähnte Zitat, daß er den Jungen nur angenommen hätte, um damit bessere Geschäfte zu machen, ist auch nicht ernst gemeint, denke ich... aber in der Gier hat er sich eben nicht so unter Kontrolle, wie man das erwarten könnte. Dabei ist diese Gier nicht nur auf das Geschäft gerichtet - da er seinem Sohn vorwirft, daß sie ab dann Konkurrenten wären - sondern auch auf den familiären Zusammenhang. Ich glaube, daß er seinen Sohn einfach nicht verlieren will - und da das nicht möglich ist, geht er wie ein gehetztes Tier in die verletzende Offensive. Meiner Meinung nach ein ganz eindeutiges Zeichen von nicht ganz so selbstloser, aber umso hilfloser Liebe zum Ziehsohn, die auch in der Realität nicht selten auftritt. Wie viele Eltern gibt es, die in der Angst, sich von ihren Kindern endgültig lösen zu müssen, verletzend werden? Er spricht zwar in einer Szene davon, daß er alle Menschen haßt und am liebsten fernab von allen leben würde (was er am Ende ja auch erreicht), aber ich bezweifle, daß diese Einstellung sich auf wirklich alle Menschen bezieht - mit Sicherheit nicht auf seine Familie.

Also: Die Liebe zu seinem Ziehnsohn ist für mich ganz deutlich... selbst in der Szene, in der er ihn in den Zug setzt und dann weggeht. Man kann ihm den Schmerz, den er empfindet, geradezu ansehen.
Darüberhinaus gibt es noch andere Anzeichen dafür, daß er im Grunde genommen ein Familienmensch sein müßte, wenn die Gier ihn nicht total beherrschen würde. Z.B. wie rührend er mit Mary, der Tochter von Abel, umgeht. Oder wie er dem Typen von Standard (Oil?) droht, ihn umzubringen, weil er sich in seine Familienangelegenheiten einmischt. Oder wie er seinem Henry von dem einen Haus erzählt, das er unbedingt besitzen wollte... und - noch selbst ein Kind - Kinder haben wollte, die darin herumrennen. Und ganz allgemein, wie er mit dem kleinen H.W. umgeht... vor allem als er ihm sagt, daß er ihn liebt - obwohl er taub ist und es gar nicht mitbekommt.

Die erwähnte Beziehung zu Eli Sunday ist ebenfalls in der Tat relativ beliebig zu interpretieren... ich persönlich habe beim ersten Mal anschauen die Religionskritik, die oft und gerne zitiert wird, nicht so stark gesehen. Klar, auch der Priester Eli ist ein charismatischer Seelenfänger, der seinen Einfluß so gut es geht vergrößern will. Und auch die Rolle der gespielten Religiösität von Plainview, um sein Geschäft ausbauen zu können (übrigens eine der unglaublichsten Szenen überhaupt, in der Kirche, die Beichte und Taufe von Plainview!!!), ist vordergründig gesehen so interpretierbar, daß der Film hier die Parallelen zwischen Kapitalismus und Massenreligion kritisieren will. Aber die komplizierte Beziehung von Plainview zur Religion und vor allem das den Zuschauer geradezu zermalmende Ende lassen das in meinen Augen eher unwahrscheinlich werden. Ich bin mir allerdings auch noch nicht ganz sicher, wie ich das alles zu einer einheitlichen Interpretation zusammenfassen soll, und werde den Film noch einige Male anschauen müssen und auch wollen, um da zu einem Schluß zu kommen.
Man könnte z.B. durchaus vampirische Elemente hineininterpretieren - alleine der Titel "There will be Blood" läßt dies vermuten. Dazu die Tatsache, daß der Ölmann das "Blut" der Erde leersaugt... und vor allem im Enddialog das Saugen und Trinken noch einmal hervorstellt. Plainview als der moderne Vampir in Zeiten des Kapitalismus, der die Erde, sein Umfeld und in letzter Instanz sich selbst leersaugt, wobei seine unstillbare Gier seinen Vampir-Fluch darstellt? Dazu würde auch seine eher indifferente bis feindselige Haltung zur Religion passen...
Wie gesagt, den Film muß man mehrfach anschauen, um ihn in Gänze erfassen zu können, denke ich. Daher halte ich mich vorerst mit großen Interpretationen einfach mal zurück.

Mit Superlativen kann man sich jedoch auch schon nach dem ersten Mal anschauen nicht zurückhalten. Daniel-Day Lewis wird seinem Ruf wieder einmal gerecht und spielt Plainview nicht, sondern er ist Plainview. Und dabei zieht er alle Register seiner Schauspielkunst. Von reduziertem, aber eindrucksvollem Minenspiel (z.B. am Anfang im Zug mit H.W. oder später als er am Strand nach einer Fangfrage seinen angenommenen Halbbruder entlarvt) bis hin zu fast schmervoll-wahnsinnigem körperlichem Einsatz (z.B. in der besagten Kirchenszene oder am Ende beim Finale mit Eli) - er kann alles und er setzt alles ein. Als Bill the Butcher in "Gangs of New York" war er schon überragend, aber die Rolle war fast schon eindimensional. Als Daniel Plainview in "There will be Blood" ist er überwältigend und durchaus differenziert. Ich behaupte einfach mal, daß wir es hier mit einem Charakter zu tun haben, mit dem DDL auch noch in 50 Jahren zurecht identifiziert werden wird. Alles andere als der Oscar für diese epochale Leistung wäre eine Beleidigung jedes Cineasten!

Die anderen Schauspieler können gegen diese wuchtige Präsenz, die selbst die besten Leistungen des jungen Marlon Brando z.B. oder etwa Robert de Niro in seinen eindrucksvollsten Rollen noch übertrifft, naturgemäß kaum ankommen. Dennoch schaffen es Dillon Frasier als der junge H.W. und auch Paul Dano als Paul und mehr noch als Eli Sunday, ihre Rollen eindrucksvoll genug zum Leben zu erwecken.

Nicht minder beeindruckend ist die Kameraarbeit und die Regie. Selbst wenn man die handwerklichen Zitate klassischer Kinowerke nicht erkennt, kommt man nur schwer umhin, von der Kamerarealisierung ergriffen zu werden. Virtuos wird verstanden, schwelgerische Naturaufnahmen, düstere Shots im Dunkeln der Erde oder der Nacht und vor Kraft strotzende Ereignisablichtungen zu kombinieren, und damit visuell einen ähnlich zerrissen-differenzierten Eindruck zu hinterlassen, den man auch mit dem Charakter von Plainview hat.
Und die Krönung des Ganzen ist die schon erwähnte fast schon geniale musikalische Untermalung. Dadurch, daß sie eher einem europäischen Autorenfilm entstammen könnte, verstärkt sie die Kopflastigkeit des Films, die trotz der klassischen Hollywood-Visualität eindeutig evident ist.

Kurz: Ein Meisterwerk. Wie schon gesagt: Note 10.

Und damit ergeht der Befehl an jeden, der sich auch nur etwas für Kino und Film interessiert, dieses Werk mindestens einmal im Kino anzuschauen - und selbst wenn es nur dazu dient, daß man ihn am Ende nicht gut findet.


Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"