NO COUNTRY FOR OLD MEN:
Texas, 1980: Vietnam-Veteran Llewelyn Moss (cool wie eine Hundeschnauze: Josh Brolin) stößt während eines Jagdausflugs in der Wüste auf die Überreste eines Massakers: Offensichtlich ging ein Drogendeal gewaltig daneben, nun sind alle tot und sowohl Drogen als auch das dafür bestimmte Geld ($2 Mio.) liegen herrenlos herum. Llewelyn läßt sich nicht zweimal bitten und nimmt das Geld mit.
Damit sorgt er jedoch dafür, daß ein Mann auf seine Spur angesetzt wird, den niemand gerne im Nacken haben will (schon wegen DER Frisur :D): Anton Chigurh (Javier Bardem), Beruf: Killer. Lieblings"waffe": Ein Luftdruck-Schlachtschußapparat!
"No Country for Old Men" ist ein seltsamer Film. Selbst für die Verhältnisse von Joel und Ethan Coen - und das will bei den Erschaffern von "The Big Lebowski", "Oh Brother, where art thou" oder "The man who wasn´t there" schon was heißen!
Der Beginn ist gewöhnungsbedürftig. Natürlich ist man von früheren Coen-Filmen exzessive Gewaltdarstellungen gewöhnt. Nur sind die in Filmen wie "Fargo" oder "The Big Lebowski", ja selbst in "Ein (un)möglicher Härtefall" eigentlich immer so lustvoll übertrieben und oft schwarzhumorig inszeniert, daß man sie kaum ernstnehmen kann. In "No Country for Old Men" ist das anders. Hier sind die Gewaltszenen kurz, aber umso schmerzhafter ausgefallen. Das ist gerade zu Beginn nichts für schwache Nerven (später geschieht das meiste in dieser Richtung dafür außerhalb der Leinwand).
Nach diesem anstrengenden Beginn nimmt der Film aber so richtig an Fahrt auf. Llewelyns eigentlich ziemlich gut durchdachte Flucht und seine Verfolgung durch Chigurh sowie einige andere Parteien ist häufig minimalistisch und fast ohne musikalische Untermalung, aber umso mitreißender in Szene gesetzt - und auch der für die Coen-typische skurrile, oft boshafte Humor wird dezent eingesetzt (wobei ich nicht weiß, ob der eventuell auch schon in der Roman-Vorlage von Cormac McCarthy vorkommt).
In Gedanken überlegte ich mir bereits, ob ich 8,5 oder 9 Punkte vergeben soll - aber dann kam alles ganz anders. Es gibt nicht den erwarteten klassischen Showdown, nein, stattdessen zeigen die Coens dem staunenden Publikum ein dermaßen antiklimaktisches Finale, daß es fast schon eine Frechheit ist.
Über dieses Ende ist schon seit dem US-Kinostart eine heftige, kontrovers geführte Debatte entbrannt - leider muß ich sagen, daß ich mich zu jenen zähle, denen es nicht allzu sehr gefällt. Grundsätzlich bin ich ein absoluter Anhänger unkonventioneller Filmauflösungen und ich will auch nicht behaupten, daß diese ein totaler Reinfall ist. Aber insgesamt funktioniert sie für mich einfach nicht. Das liegt nicht mal an eventuellen offenen Fragen (die ja viele Zuschauer nicht leiden können). Ich finde einfach, daß das Ende nicht zum vorherigen Geschehen paßt - weder inhaltlich noch stilistisch. Dafür muß ich natürlich einiges an der Gesamtwertung abziehen ...
Die an sich recht simple Story erinnert an frühere Coen-Werke wie "Fargo" und von der Atmosphäre her vor allem "Blood Simple", wird jedoch durch die von den Coens gewohnte Detailverliebtheit und gelegentliche beinahe philosophische Anflüge aufgewertet.
Ein großes Lob hat dafür Roger Deakins verdient, dessen OSCAR-nominierte, vor allem zu Beginn traumhafte Kameraarbeit kaum hinter der von Robert Elswit zurücksteht, der in dieser Kategorie für "There will be Blood" gewann.
Etwas zwiespältig fällt meine Beurteilung der Schauspieler aus - beziehungsweise des Einsatzes der Schauspieler durch die Regisseure. Josh Brolin ist zweifellos ein Highlight, die Rolle bedeutet für ihn mit Sicherheit den Durchbruch in Hollywood (mittlerweile hat ihn ja bereits Oliver Stone für die Rolle des George W. Bush engagiert!). Javier Bardem hat für seine Schurken-Rolle sogar den OSCAR als Bester Nebendarsteller erhalten. Natürlich hat der spanische Star diese Auszeichnung schon lange verdient - allerdings ist es hier weniger seine schauspielerische Leistung, die beeindruckt, sondern vor allem die ungeheure Intensität und Ausstrahlung, die er dem kaltblütigen Killer Chigurh verleiht. Viel Raum für wirkliches Schauspiel läßt diese Figur einfach nicht.
Tommy Lee Jones überzeugt als Sheriff, aber zwei andere Darsteller sind leider hoffnungslos unterfordert: Die wunderbare Kelly Macdonald als Llewelyns Frau Carla Jean sowie Woody Harrelson als eine Art Söldner, der hinter Chigurh her ist.
Möglicherweise ist das die übliche Crux einer Romanverfilmung. Vermutlich sind diese beiden Rollen im Buch wesentlich prägnanter, im Film dagegen wirkt vor allem Harrelson mit seinem besseren Cameo eher überflüssig. Gleiches gilt übrigens für Garret Dillahunt, der nach seiner bemerkenswerten Leistung in "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" hier nicht wirklich eine weitere Kostprobe seines Könnens geben kann. Schade.
Fazit: "No Country for Old Men" konnte mich nach dem gewöhnungsbedürftigen Beginn wirklich fesseln - doch das seltsame Ende ließ mich eher unbefriedigt zurück. Daher kann ich leider nicht mehr als 7 Punkte verantworten.
Vielleicht funktioniert das Ende beim zweiten Anschauen ja besser, dann wäre eine deutliche Aufwertung noch möglich ...
Leider muß ich damit im Nachhinein konstatieren, daß ich auch in diesem Jahr nicht mit dem OSCAR-Gewinner zufrieden bin. Unter den vier als Bester Film nominierten Filmen, die ich bislang gesehen habe ("Juno" folgt noch), belegt "No Country for Old Men" lediglich Platz 3 - weit hinter "There will be Blood", immer noch eindeutig hinter "Michael Clayton". Aber wenigstens sehr deutlich vor "Abbitte" ...
So langsam wird´s jedenfalls mal wieder Zeit für einen richtig tollen Coen-Film - vielleicht schafft das ja schon "Burn After Reading", zu dem die Brüder endlich wieder selbst das Drehbuch verfaßt haben. Es soll eine schwarze Komödie werden und die Besetzung mit Clooney, Pitt, Swinton, Malkovich läßt einiges erhoffen ...