DAS WAISENHAUS:

Laura (Belén Rueda) zieht mit Mann und Sohn wieder in das ehemalige Waisenhaus, in dem sie aufgewachsen ist. Dort will sie ein Heim für behinderte Kinder eröffnen. Doch bereits vor der Ankunft der ersten Kinder findet Sohn Simón Gesellschaft in Form imaginärer Freunde. Bloß, so richtig imaginär scheinen die gar nicht zu sein, jedenfalls geschehen plötzlich die seltsamsten Dinge im Haus - und dann geschieht eine Tragödie ...

Erwartet hatte ich von diesem von Guillermo del Toro produzierten spanischen OSCAR-Beitrag einen im besten Sinne altmodischen, ruhig erzählten, athmosphärischen Gruselfilm.
Geboten bekam ich einen lauten, klischeehaften und unlogischen Schocker! Und als dann auch noch völlig unmotiviert eine Wackelkamera-Sequenz eingefügt wurde, hatte ich in Gedanken das Eintrittsgeld bereits als verschwendet abgehakt.
Doch dann, nach immerhin bereits 40 Minuten, wurde viele anders. Besser. Viel besser! Plötzlich paßte das Timing der (eigentlich weiterhin nicht sonderlich kreativen) Schockmomente perfekt, die Geschichte wird interessant und sogar recht originell und ein überraschender Gastauftritt von Geraldine Chaplin bringt zusätzliches Pfeffer in das bis dahin fade Horror-Gericht.
Leider kann der Film diese vorübergehende Hochstimmung nicht bis zum Ende durchhalten, aber trotz einiger Längen und fragwürdiger Handlungsweisen vor allem von Laura fühlt man sich bis zum Ende gut unterhalten - etwas, das man nach den ersten 40 Minuten nicht mehr zu hoffen gewagt hatte ...

Ein großer Pluspunkt ist dabei Hauptdarstellerin Belén Rueda ("Das Meer in mir"), deren leidenschaftliches Spiel auf der ganzen Linie zu überzeugen weiß. Kaum zu glauben, daß es sich erst um den dritten Film des 42-jährigen Ex-Models handelt!
Eine große Schwäche von "Das Waisenhaus" ist dagegen die Musik von Fernando Velázquez. Die ist zwar teilweise durchaus schön anzuhören. Beziehungsweise wäre es auf CD. Im Film ist sie jedoch meist viel zu laut, zu melodramatisch und zu plakativ eingesetzt.

Insgesamt bleibt festzuhalten, daß "Das Waisenhaus" auf jeden Fall das Potential gehabt hätte, sich in der ersten Reihe der vielen (und nur relativ selten wirklich guten) Spukhaus-Filme einzuordnen. Nötig wäre dafür jedoch vor allem ein besserer oder zumindest erfahrener Regisseur als Debütant Juan Antonio Bayona gewesen. Selbst das zwar teilweise vorhersehbare, aber insgesamt sehr schöne Ende wird durch eine zu lange Inszenierung noch etwas verwässert. Ohne die letzten fünf Minuten würde das Ende IMHO eine noch etwas bessere Wirkung erzielt als es - zugegeben - auch so tut. Aber Bayona ist eben kein Paul Thomas Anderson und deshalb muß natürlich alles noch genau erklärt und ausgewälzt werden ...
Ach, hätte del Toro doch nur selbst die Regie übernommen.

Also: "Das Waisenhaus" ist eine etwas unentschlossen wirkende Mischung aus Grusel- und Horrorfilm, deren eigentlich gelungene Story samt hervorragender Hauptdarstellerin leider vor allem durch handwerkliche Schwächen und ein in den Details etwas unausgegorenes Drehbuch beeinträchtigt wird.
6,5 Punkte.

Last edited by Ralf; 26/02/08 08:50 PM.