SWEENEY TODD:

London, 19. Jahrhundert: Einst war der junge Barbier Benjamin Barker (OSCAR-Nominierung für Johnny Depp) unschuldig aus dem Land verbannt worden, weil der mächtige Richter Turpin (Alan Rickman) ein Auge auf seine schöne Frau Lucy geworfen hatte. 15 Jahre später ist Barker zurück! Nun nennt er sich allerdings Sweeney Todd und als er erfährt, daß seine Frau sich umgebracht hat und seine Tochter vom Richter adoptiert wurde, hat er nur eines im Sinne: Gnadenlose Rache! Hilfe erhält er bei seinem Vorhaben von Mrs. Lovett (Helena Bonham Carter), der Inhaberin des Fleischpastetenladens unter Todds früherem Barbiersalon, der nun wieder in blutigen Betrieb genommen wird ...

Vor dieser Verfilmung durch Tim Burton hatte ich ehrlich gesagt noch nie davon gehört, aber offenbar soll "Sweeney Todd" gerade im englischsprachigen Raum ein sehr bekanntes Musical sein. Ich glaube aber nicht, daß ich es mir jemals auf der Bühne anschauen werde - denn dafür finde ich die Filmversion nicht ganz überzeugend genug.

Das Hauptproblem ist meines Erachtens, daß die zugrundeliegende Geschichte letztlich nicht viel mehr als eine klassische, wenig originelle und ziemlich vorhersehbare Rächer-Story ist, die nicht von vornherein mitzureißen vermag.
Um das doch zu erreichen, benötigt es also mehr. Und da es sich um ein Musical handelt, sind natürlich primär die Lieder gefragt (die aus dem Musical von Stephen Sondheim übernommen wurden). Zwar ist die Musik schön bombastisch und die Schauspieler singen mit Verve und Leidenschaft (und sogar ziemlich gut!), allen voran erwartungsgemäß Johnny Depp. Doch fehlt es den meisten Songs meiner Ansicht nach an dem gewissen Etwas. Sie sind nicht allzu eingängig, auch nicht übermäßig melodiös. Mit den üblichen Musical-Melodien haben sie relativ wenig gemein, es sind düstere Songs, die musikalisch eher in Richtung Oper gehen. So weit, so ungewöhnlich und eigentlich sehr interessant. Aber Fakt ist leider: Nur wenige dieser Songs konnten mich richtig begeistern.

Regisseur Burton hat in diesem Film relativ wenig zu tun - immerhin handelt es sich um eine Bühnen-Adaption, die noch nicht mal er selbst in ein Drehbuch umgesetzt hat (sondern "Gladiator"-Autor John Logan) und da der Großteil der Handlung in Form von Liedern vorangetrieben wird, blieb sein kreativer Input letztlich mehr auf die Äußerlichkeiten und das wortwörtliche "In Szene setzen" beschränkt. Das hat er natürlich wunderbar hingekriegt: Für die Ausstattung gab es einen hochverdienten OSCAR, für die Kostüme eine nicht weniger verdiente Nominierung und auch das Make-Up ist eine Klasse für sich. Und die hochkarätigen Schauspieler (darunter auch Timothy Spall und Sacha Baron "Borat" Cohen") trieb Burton wie gewohnt zu Bestleistungen.

Und trotzdem springt der Funke nicht in dem Maße über, wie ich es sonst von den meisten Burton-Filmen gewohnt bin. Woran liegt es? Nur an den Songs? Wohl kaum.
Vermutlich auch an den fehlenden Identifikationsfiguren für das Publikum. Sweeney Todd und Mrs. Lovett sind zwar die Protagonisten des Films, doch eigentlich sind sie noch schlimmer als der bösartige Richter Turpin, dem Sweeney an den Kragen will.
Die einzigen Figuren, die ungeteilte Sympathie verdienen, sind Sweeneys Tochter Johanna und der mit Sweeney befreundete junge Seemann Anthony, der sich in sie verliebt. Doch bleiben diese beiden viel zu blaß und unterbeschäftigt, um als Identifikationsfiguren zu taugen. Es gibt also überhaupt keine.
Zwar wird das durch die großartigen Schauspieler und einen fein dosierten (meiner Meinung nach sogar ein wenig zu fein) schwarzen Humor weitgehend aufgewogen, aber gerade im Mittelteil der knapp 120 Minuten fehlt es dem Film auch deutlich an Tempo, was zu vorübergehender gepflegter Langeweile führt. Immerhin wird man dafür durch das hochdramatische Grande Finale entschädigt, aber es bleibt am Ende ein leicht bitterer Nachgeschmack: Tim Burtons "Sweeney Todd" ist zweifelsohne ein guter, in inszenatorischer und schauspielerischer Hinsicht gar brillanter Film.
Aber es bleibt das Gefühl, daß man mehr daraus hätte machen können, ja vielleicht sogar machen müssen.
7 Punkte.