Auch wenn in diesem Artikel hauptsächlich die amerikakritischen Töne herausgestellt werden:
Hochverdient! Eine beeindruckende Frau, mit einer ebenso beeindruckenden Rede, die die Ursachen für die Differenzen (nicht nur die aktuellen - sie begann mit einem Verweis u.a. auf
de Torqueville, einen der bedeutendsten europäischen Amerikareisenden- und beobachter bereits der ersten Hälfte des
19. Jhdts.!!) zwischen Europa und den USA in "intriguing depth" beleuchtete, und im zweiten, dem abschließenden Teil noch sehr interessante Einblicke, aus persönlicher Anschauung, wie bei der scharfen Beobachterin üblich, gab auf die Art wie Meinungen, Klischees, Vorurteile zustandekommen - und aber auch wieder aufgelöst oder gewandelt werden können.
Die Anekdote hierzu war, daß in ihrer Kindheit gerade ein deutsche Literatur bewundernder WW1-Verteran ihr Deutsch-Lehrer war, die Wertschätzung auf der einen Seite für die dazugehörigen Schriftsteller und Intellektuellen weckte, während ein im Norden ihres Geburtsstaates gelegenes Lager mit "Nazi-Deutschen" Soldaten ihr Alpträume bereitete, sie, die jüdischer Herkunft war - wenn auch die Familie schon lange sekular geprägt war - und die ihren könnten bei einem möglichen Ausbruch das Schicksal der Opfer in Europa teilen müssen.
Der Zufall wollte es, daß ihr später erster Verleger in Deutschland, der eher gegen seinen Willen in der Wehrmacht gelandet war, dafür aber glücklich an den schlimmsten Schrecknissen dieser Zeit vorbeitrieb, justament in ebendiesem Lager Gefangener gewesen war und ihr erzählte, daß sein einziger Halt Bücher gewesen waren, hauptsächlich englisch-amerikanische Klassiker.
Ihre wichtigste Aussage war, das nicht so sehr die für gut gehaltenen eigenen Überzeugungen und (scheinbare!) Gewißheiten entscheidend sind, sondern daß sie nur dadurch Wert bekommen, daß man sie ständiger Überprüfung aussetzt - unnötig zu erwähnen, wen sie - u.a. - als Negativ-Beispiel anführte... <img src="/ubbthreads/images/graemlins/winkwink.gif" alt="" />
Ihr zufolge sei es daher auch nicht verwerflich, eine eigenen Meinung zu haben, dazu zu stehen, ggf. sie aber auch, nach eingehender Überprüfung, zu ändern, wobei sie Vorwürfe in der Heimat gegen letzteres bei ihrer Person eben nur mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen könne.
Das Ganze in einer engagierten, aber nicht ereifernden Rede, sachlich, von scharfem Verstand und Segnung mit einer genauen Beobachtungsgabe zeugend, in ruhiger, aber betonender Artikulation.
Auch wenn man glaubte, es würde nun recht lang, erging sie sich kaum in Worthülsen, was sie sagte hatte einfach zu viel Koherenz und Aussagekraft, als daß man mit seiner Aufmerksamkeit es wirklich wagen wollte abzuschweifen.
FRIEDENSPREISTRÄGERIN SONTAGHöchstwürdig und ein Erkenntnisgewinn! <img src="/ubbthreads/images/graemlins/up.gif" alt="" />
Ragon
P.S.: Und hier hat jemand offensichtlich (versucht) sie genau beobachtet:
Susan Sontags Stärke