Rashida duckt sich tief in die Nische. Es tut gut, nicht allein zu sein. Doch inwieweit kann sie den anderen trauen? Sie fühlt intuitiv, dass sie im Moment wohl niemand absichtlich töten würde. Aber sie kennt die Kampfweise der anderen nicht und kann auch nicht abschätzen, wie trainiert sie sind. Sie selber steht ja erst recht am Anfang ihrer Laufbahn als heilige Kriegerin!

Bevor ihre Gedanken abschweifen können, stoppen die Schritte.

Nun herrscht wieder absolute Stille. Welch mächtiger Zauber dafür nötig ist! Und wie geht es Alrik und Bodasen? Hoffentlich haben sie sich verstecken können.

Der Stille folgt Dunkelheit. Absolute Dunkelheit. Bodasens Zauber ist einfach verloschen.

Leise murmelt Rashida: "Big Claw, ich fürchte, Euer Zauber hilft uns wohl nicht viel..."

Leise entzünden sich kleine Flammen. Es entsteht ein Kreis aus Kerzenflammen in dem Raum.

Die drei Beobachter stehen in der Nische und zumindest Rashida hofft, nicht entdeckt zu werden.

Es werden Gestalten erkennbar, jede mit einer schwarzen Robe mit silbernen Stickereien verziert angetan. Wie Funken glitzern die Fäden deutlich im Kerzenlicht. Dann erhebt sich leise ein Gesang, der so widernatürlich klingt, dass es Rashida die Nackenhaare sträubt.

Die Melodie hallt durch den Raum, kommt bei den Recken vorbei und zieht durch das gesamte Gewölbe. Sie lässt Blut zu Eis gefrieren. Kein lebendiges Wesen kann ihr entkommen oder ihr widerstehen. Alles Leben erstarrt innerhalb der Reichweite des Gesanges.

Mit den Tönen kehren auch die Schatten wieder. Langsam ziehen sie durch die Gänge, füllen Ecken und Nischen. Ein behutsames Wispern setzt ein, man meint, den Satz: "Endlich! Endlich sehen wir unseren Meister wieder!" verstehen zu können.

Und wahrhaftig: der Gesang hat Erfolg. Eine Kreatur, die auf der Oberfläche umher zieht, hört ihn und denkt nach. Nachdem sie zur Zufriedenheit ihres Mentors zu einem Entschluss gekommen ist, läuft sie in Richtung des Gesangs, eine blutige Spur der Verwüstung hinter sich lassend.

Rashida kann es nicht fassen. Sie ist sprachlos, bewegungsunfähig und dadurch dazu verdammt, sich das Ritual an zu sehen. Ein Ritual? Sie vermeint es zumindest, nach ihrem Erkenntnisstand. Sie versucht Verbindung mit ihrem Gott aufzunehmen. Ganz leise dringt eine Stimme zu ihr: "Ich... kann... nicht... völlig... unmöglich... tut... mir... leid... Kampfmaus."

Nun packt das blanke Entsetzen die Kriegerin. Wenn nicht einmal ihr Gott in der Nähe der Gestalten kommunizieren kann, dann sind das wahrhaft mächtige Wesen.

Sie würde sehr gerne in Ohnmacht fallen. Wenn es denn ginge.


Quem dei diligunt, adulescens moritur. Titus M. Plautus