Die Karsthöhlen tief unter der Burg waren seit jeher Heimat der Zwergtrolle, einer uralten Rasse, die inzwischen als ausgestorben galt. Obwohl die Zwergtrolle bereits über ein rudimentäres Stammessystem verfügten, waren sie doch noch immer mehr Tier als Humanoid. Von wesentlich kleinerer Statur als ihre furchterregenden Verwandten waren sie trotzdem nur wenig gefährlicher als diese, denn die Natur hatte sie mit allem ausgestattet, um selbst unter widrigen Bedingungen zu überleben: einer dicken, warzigen Haut, die selbst dem Prankenhieb eines großen Raubtieres widerstehen konnte, einer immensen Körperkraft die ausreichte, einem großen Bären mit einem Schlag den Garaus zu machen und einer Geschwindig- und Behendigkeit, durch die selbst schnelle Fluchttiere eine leichte Beute waren. Trotzdem handelte es sich um eine friedliche Rasse, die die Höhlen nur gelegentlich verließ, um in den Wäldern Früchte, Aas oder kranke Tiere als Nahrung zu beschaffen. In der Regel mieden die Zwergtrolle den Kontakt mit anderen Lebensformen, erst recht, wenn es sich um intelligente Wesen handelte. Das Höhlenlabyrinth schützte sie dabei vor allzu neugierigen Vertretern der letztgenannten Spezies, und so kam es, dass dieses besondere Rudel der Zwergtrolle bisher unentdeckt geblieben war. Vor vielen Jahrhunderten hatte es hier eine Siedlung der Menschen gegeben, ein Krieg hatte getobt und die umliegenden berge wurden durch mächtige Trutzburgen befestigt, von denen nur eine einzige die blutigen Auseinandersetzungen und den Zahn der Zeit überdauert hatte. Die Siedlung war eines Tages mit Mann und Maus buchstäblich im Erdboden versunken, als die Decke der großen Kaverne, auf der sie errichtet wurde, nachgab und nur ein riesiger, trümmergefüllter Trichter übrig blieb. Die Zwergtrolle brauchten damals für lange Zeit ihre Tunnel nicht zu verlassen, denn in den Trümmern der eingestürzten Höhlendecke und der mit in die Tiefe gerissenen Gemäuer gab es Fleisch genug für Monate...

Doch jetzt waren Fremde aus einem unergründlich tiefen Loch inmitten des ausgedehnten Karstsystems gestiegen. Lang, schmal, auf zwei Beinen gehend, von dunkler Hautfarbe und hellem Haar, bewegten sie sich mit der Anmut von Raubkatzen durch die unterirdischen Gänge, und die Dunkelheit schien ihnen ebenso wenig auszumachen wie den Zwergtrollen. Und wie bei hungrigen Raubkatzen waren sie von einer Aura der Gefahr umgeben. Doch anders als bei Raubkatzen roch diese Aura nach Freude am Blut und Lust am Töten - diese Fremden waren gewiss nicht hungrig sondern töteten bedenkenlos und zu ihrer Ergötzung! Als sie in das Revier der Zwergtrolle eindrangen, schickte der Stamm seine Krieger aus, um die Fremden zu verjagen. Es war für die Zwergtrolle eine bittere Erfahrung gewesen, dass sich jene nicht durch Drohgebärden verjagen ließen. Selbst die gefährlichen Berglöwen, die gelegentlich in die Tunnel eindrangen, legten sich nicht mit den Trollen an, wenn sie es vermeiden konnten, sondern ergriffen lieber die Flucht angesichts der gedrungenen, kräftigen und bedrohlich brüllenden Gestalten. Und wenn eine gewaltsame Konfrontation unausweichlich war, war es in der Regel immer der Berglöwe, der mit zertrümmerten Knochen zurückblieb und dem Stamm als Nahrung diente. Doch diese Fremden hatten auf die Drohungen unbeeindruckt mit magischem Feuer und scharfem Stahl reagiert, ohne sich im mindesten eingeschüchtert zu zeigen. Ihr Gegenschlag kam rasch und war vernichtend, und nur wenige der Trollkrieger entkamen lebend, und keiner von ihnen blieb unverletzt. Eine Zeitlang hatte das ausgedehnte Labyrinth den Stamm noch schützen können, doch unaufhaltsam rückten die spitzohrigen Fremdlinge vor, und mit ihnen kam nichts als Tod und Vernichtung. Schließlich mussten sich die Reste des Stammes in die höher gelegenen Höhlen zurückziehen, doch bald waren sie auch dort nicht mehr sicher. Sie versuchten zu entkommen, doch an den ins Tageslicht führenden Ausgängen standen andere, Kleinwüchsige, die ebenfalls entschlossen, mit großer Grimmigkeit und erbarmungslos kämpften. Der Stamm, fast all seiner Krieger im Kampf gegen die dunkelhäutigen Fremdlinge beraubt, konnte es mit den gedrungenen, kurzen Zweibeinern und ihren mächtigen Äxten nicht aufnehmen. Frauen, Kinder, Männer gleichermaßen wurden niedergemacht, als sie in Panik den Ausgängen zustrebten. In ihrer Verzweiflung gruben sich die wenigen verbliebenen Zwergtrolle dort durch die Wände der Kalksteinfelsen, wo sie durch einsickerndes Wasser und die Wurzeln mächtiger Bäume gesprungen und geschwächt waren, bestrebt, den entsetzlichen Dunkelhäutigen und den nicht minder furchterregenden Bärtigen zu entkommen.

Doch das Schicksal ist unerbittlich, es kennt keine Gnade. Die Zeit der Zwergtrolle scheint endgültig vorbei und was den anderen Stämmen schon vor Jahrhunderten widerfahren ist, steht den letzten ihrer Art nun unmittelbar bevor. Es muss der Wille der Götter sein: aufgerieben zwischen den Säbeln der unterirdischen Elfen und den Äxten der grimmigen Zwerge soll wohl keiner von ihnen lebendig den Karst verlassen...