Alrik blickt um sich. Er war zusammen mit Big Claw und mit Rashida zu den anderen gegangen, zu einem Ort, an dem ein toter Hirsch lag. Das war insofern gut, als daß sie jetzt damit etwas zu Essen hatten. Vielleicht sogar auf Vorrat, falls es ihnen gelingen könnte, das Fleisch zu dörren oder zu räuchern.
Stone unterhält sich sehr aufgeregt mit Bloodwin, dem Neuen. Komisch, sie scheinen sich zu kennen, obwohl Bloodwin erst seit kurzem bei ihnen ist. Wie Alrik an dessen Rüstung erkannte, war der Neuankömmling vermutlich ein Hüter.
Bodasen hatte Leichen in einem Gebüsch entdeckt - vermutlich befanden sie sich jetzt also an dem alten Lagerplatz der beiden Getöteten.
Und nun war da die Frage, wie sie weitergehen sollten.
Verwirrt denkt der Streuner nach.
Zum ersten Mal wird Alrik bewußt, wie wenig er hier in diesem Unternehmen gewonnen hatte. Er war ausgezogen, um einer alten Karte nachzugehen, die einen Schatz eingezeichnet haben mochte. Damals wußten weder er noch der Verkäufer der Karte, daß sie lediglich einen Teil einer größeren Karte darstellte und ihn an ein ganz anderes Ziel führen würde ... und in eine ganz andere Aufgabe.
Alrik ist verwirrt. Hilfesuchend wendet er den Blick zu den einzelnen Gruppenmitgliedern, aber diese haben ihre eigenen Sorgen.
Es hatte sich so ergeben, daß die Reise zu einem Tempel ging - einem Ort, der auf Alriks Kartenfragment erwähnt gewesen war. Aber hier waren keine Schätze zu finden gewesen, sondern ein ... Siegel ? Ja, ein Siegel soll angeblich dieser Raum gewesen sein, in dem sie alle gestanden hatten, ganz am Schluß, vor dem Wasser.
Dann war alles ganz schnell gegangen ... nun ja, was heißt schnell ? Das Ziel - der Tempel war gefunden worden, und man hatte dort in ihm nach diesem ominösen "Siegel" gesucht ... und letztendlich einen Dämonen getroffen. Das hätte böse ausgehen können, aber sie hatten noch einmal Glück gehabt.
Glück ... der einzige Schatz, den Alrik bisher gefunden hatte, war "seine" Glücksmünze gewesen ... mit der er aber seine Freiheit erkaufen mußte. War also die Freiheit sein einziger Schatz jetzt ?
Etwas frustriert darüber, wie wenig er dabei gewonnen hatte, blickt Alrik um sich. Glance hält sein ... Gerät immernoch in seinen Händen, immer bei sich. Er hatte also etwas "gewonnen" dabei; er hatte mehr Glück gehabt als er, der Streuner. Ohne Glücksmünze.
Alrik wird sich bewußt, daß er eigentlich nur noch bei der Gruuppe ist, weil sie ihm viel bedeutet. Sie waren zwar nur kurze Zeit zusammen, aber das, was sie erlebt hatten, hatte sie in gewisser Weise zusamengeschweißt, auch wenn manche es gar nicht so wahrnahmen. Ihm wird dies jetzt zum ersten Mal bewußt.
Er war frei, ohne Aufgabe, hatte sich aber dazu entschieden, den anderen aus dem Gebirge heraus zu helfen. Und jetzt ? Was sollte das alles ?
Alrik läßt seine Intuition schweifen.
Da waren neue Aufgaben am Horizont. Alrik konnte sie erahnen. Das Böse, daß den Tempel zum Einsturz gebracht hatte ... war es noch frei ? Vermutlich nicht, denn nach der "Siegelheilung" dürfte es von einer Kraft verloren haben, was auch immer es war. Vielleicht hatte dieses böse "etwas" diese Siegelheilung gespürt, und in lauter Frustration den Tempel zum Einsturz gebracht ...
Stone unterbricht Alriks Gedanken. Alrik hört zu, und erinnert sich. Er spricht vom Reisenden, der jetzt vermutlich unter dem Schutt des Tempels begraben lag ... zusammen mit mehreren erhbaren Ritteern und einem Priester.
Das Böse ... es würde immer noch da sein ... hatte der Reisende gesagt ... Sarseth oder wie das hieß ? Equilibrium, oder wie die Stadt hieß, die er mal kurz erwähnt hatte ?
Es würde weiterhin Schwierigkeiten verursachen, die außerhalb des normalen Maßes waren. Das, was diese Schwierigkeiten verursachte, mußte gestoppt werden, sonst konnten sie vermutlich nicht in Ruhe zu ihren Heimatorten zurückkehren. Na, ja, sie konnten schon, aber ...
Big Claw und Rashida scheinen etwas zu sagen, und Stone antwortet darauf, aber Alrik nimmt das nicht wahr. Zu sehr ist er in seinen Gedanken versunken. Auch die Ankunft von Bodasen mit Feuerholz geht an ihm vorüber.
Aber "das Böse" war weiterhin unbestimmt. Sie hatten bis jetzt Blutjäger und Dämonen gesehen, aber nichts sonst, was eine Gefahr ausmachte. Nichts, daß diese einfach zu besiegen gewesen wären ... aber jetzt sollte alles eigentlich etwas friedlicher zugehen ...
Und doch - da oben lag eine dunkle Bedrohung, immer da, von manchen nie vergessen, obgleich für viele ins märchenhafte abgleitend - wie ein Drache, der in einer Höhle lag, auf seinem Hort, in einem Berg, der von einer Stadt an einem See aus gesehen werden konnte ... Damit endet Alriks Vision.
Er hat nichts mehr zu verlieren. Schätze gab es nicht mehr, Bedrohungen aber schon. Während seine "Schätze" sich in Luft aufgelöst hatten, war die Bedrohung sehr real, wenngleich unendlich fern. Etwas, das weit weg ist, muß nicht unbedingt unrealistisch sein.
Glance unterbricht seine Gedanken, indem er zu Sprechen anhebt. Er erzählt einiges von dem "Ding", das er immernoch in seinen Händen hält, und Alrik wird so einiges klarer.
Nachdem Glance geendet hat, wartet Alrik einen Moment, um zu sehen, ob einer eine Bemerkung dazu macht, dann setzt er selber zum Sprechen an :
"Der Tempel ist gelöst. Ich meine, wir waren auf der Suche nach einem "Schatz", den es nie gab, der aber auf mehreren Kartenteilen eingezeichnet war. Der Tempel war unser gemeinsames Ziel, und wir haben gefunden, was wir suchten, wir haben alle erreicht, was wir erreichen wollten." Hier hält Alrik kurz inne, und denkt daran, daß er nichts gefunden hat, von dem, was er so suchte. Nun, vielleicht würde er einmal wieder an diesen Ort zurückkehren ...
"Wir sind jetzt also ohne Ziel, weil der Tempel erledigt ist, und doch nicht ganz ohne Ziel.
Ich denke," damit scharrt Alrik ein wenig mit den Beinen, um von seiner Nachdenklichkeit abzulenken, "wir müssen uns um die Quelle des Ganzen kümmernm, das, was den Bau und den Einsturz des Tempels verursachte. Ich habe sowieso nichts mehr zu verlieren, bin sozusagen ziellos, im Moment, also werde ich mitkommen. Vielleicht finde ich ja wenigstens in Equilibrium, oder wie diese Stadt heißt, etwas für mich." Diese Idee klingt interessant : Ob es dort Schätze gab ? Aber wohl kaum, denn wenn diese Stadt nun seit mehreren tausenden von Jahren leer stand, dürfte dort nicht mehr allzuviel übriggeblieben sein ...
Dann passiert etwas Seltsames. Alriks Stimme verändert sich und sein Geist wird vernebelt, als er sagt : "Die Welt muß von diesem Fluch geheilt werden."
Als Alrik wieder einen klaren Geist hat, starren ihn alle an. Er fühlt sich blaß, und kalt, und ein Blick auf seine Hände bestätigt diese Befürchtung. Er taumelt vorwärts, um sich irgendwo hinzusetzen.