Regungslos, fast teilnahmslos hatte der Priester den Anstrengungen seiner Ritter und des Fremden zugeschaut. Seit den Ereignissen in der unterirdischen Kuppel war der schweigsame Mann noch stiller geworden. Die Berühung durch seinen Gott hatte ihn auf eine Art betroffen, die unerwartet für ihn kam. Seit jenem Augenblick waren seine Zweifel an der Kirche stärker denn je. Undars Berührung war - unbeschreiblich und hatte ihn mit innerer Wärme erfüllt, die noch immer anhielt. Und doch hatte der Gott keinen Anspruch auf Göttlichkeit erhoben - er hatte ihm, seinem Priester, einem unbedeutenden Nichts im Vergleich zu dem strahlend silbernen Licht Undars, das Gefühl gegeben, von Bedeutung zu sein. Und gleichzeitig völlig bedeutungslos. Es war, als hätte ihn der Gott an seine Existnez erinnert, daran, dass er lebendig war - hier und jetzt. Und dass diese Lebendigkeit das *eigentlich* Göttliche wäre. Seitdem kam es dem Priester so vor, als wäre ein Schleier vor seinen Augen gelüftet worden. Die Welt um ihn herum schien wirklicher zu sein, und er vermochte Dinge zu sehen, die ihm zuvor verborgen waren oder die er nur unbewusst wahrgenommen hatte. Das Göttliche war überall um ihn herum, und wie ein kleines Kind versetzte ihn dessen Schönheit in Erstaunen. Wieder und wieder hatte er auf ihrem Weg durch den Tunnel verstohlen seine Männer und den Fremden betrachtet, und er sah das Leben, das in ihnen pulsierte, gleich einem überidischen Atem. Doch jener Atem war nicht nur in ihnen - er war auch in der Luft und im Fels. Das war der göttliche Funke, jene mysteriöse Kraft, die den Glauben begründete und doch unfassbar schien. Doch nun war sich der Priester ihrer Existenz erstmalig wirklich bewusst. Für einen Moment hatte Undar ihn durch seine Augen sehen lassen, hatte ihm diesen Funken, der in allem zu stecken schien, gezeigt. Und der Gott hatte keinen Anspruch darauf erhoben, wie es die Lehren der Kirche behaupteten - als wäre er trotzt seiner Göttlichkeit selbst Teil dieses Atems. Als würde der Gott dazugehören und auch nur ein Teil der gleichen Realität sein, die auch der Priester, den auch die ganze Welt einnahm!

Es sind nicht Gebete oder Rituale, die die Welt ändern! hallen die Gedanken des Priesters in seinem Kopf nach, Der Glaube kann erleichtern, aber es sind *unsere* Taten, die etwas bewegen!

Unbewusst umklammert die Hand des heiligen Mannes den roten Stein, den er in der Kuppel erhalten hatte. Er wird ihm den Weg weisen, dessen ist er sich nun sicher. Die Felsentür vor ihm scheint ihm unbedeutend angesichts der Erfahrungen der letzten Tage, und er hat das Gefühl, sie nur mit einem Finger aufstoßen zu können. Er fühlt den Funken des göttlichen, des Lebendigen vor sich in dem toten Stein pulsieren, langsam aber unaufhaltsam, ständig einer unbekannten Zukunft entgegen. Er spürt seinen eigenen Funken in seinem Inneren, und ohne sich dessen bewusst zu werden gleicht er die beiden Pulsschläge in ihrem Rhythmus einander an. Der Funke brennt nun durch seine Adern, denn die Kraft des Gesteins ist stark und elementar. Und dann...

Niemand der kleinen Schar vermag anschliessend zu sagen, was genau geschehen ist. Die schweren Flügel der Tür schwangen weder auf, noch schoben sie sich zur Seite. Es war, als würden sie einfach einem Vorhang aus flimmernder heller Luft Platz machen, der die feinen Häarchen auf der Haut sich aufrichten liess und den gleichen eigentümlichen, etwas schmierigen Geschmack hatte wie ein Blitz bei einem heftigen Gewitter. Das Tor war zweifelsohne offen, obwohl sich noch immer etwas dort befand, auch wenn es keinen spürbaren körperlichen Widerstand leistete. Der Weg aus dem Berg hinaus war nun jedoch frei...