Vielleicht doch noch einige Worte zur Hohmann-Rede (basierende auf dem Telepolis-Wortlaut):


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Aber es ist halt schon merkwürdig, und viele Deutsche nehmen daran Anstoß, daß ein verurteilter türkischer Mordanstifter nach Verbüßung seiner Haftstrafe nicht in sein türkisches Heimatland ausgewiesen werden kann. Ein deutsches Gericht legt deutsche Gesetze so aus, daß der sogenannte Kalif von Köln sich nicht zur Rückreise in die Türkei, sondern zum weiteren Bezug deutscher Sozialhilfe gezwungen sieht.


Herr Hohmann vergißt zu erwähnen, daß im Falle des sog. Kalifs von Köln die Gefahr der Todesstrafe in der Türkei besteht und somit Deutschland keine Ausweisung vornehmen kann. Er vergißt auch zu erwähnen, daß eben dieser Fall zwischen den beiden Staaten sehr häufig diskutiert wurde und wird. Auch wird kaum erwähnt, daß es doch wohl ausreichende Fälle von Ausweisungen gibt, wenn eben das Damoklesschwert der Todesstrafe nicht über den Straftätern schwebt - berühmtestes Beispiel ist der Fall Mehmet in München.


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Wird hingegen darauf hingewiesen, auch Deutsche seien im letzten Jahrhundert im großen Stil Opfer fremder Gewalt geworden, so gilt das schon als Tabubruch.


Das halte ich gelinde gesagt für eine Wahnvorstellung des Herrn Hohmann. Nicht umsonst werden gerade in dieser Zeit die Leiden des Deutschen Volkes besonders auch im Zweiten Weltkrieg thematisiert - seien es die Kriegsgefangenen, seien es die Vertriebenen, seien es die Opfer der Bombardierungen. Wer behauptet, dies wäre ein Tabu, macht den gleichen Fehler, wie derjeneige, der meint, die Deutschen würden gemeinhin als Tätervolk gesehen werden.


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Jede andere Nation neigt eher dazu, die dunklen Seiten ihrer Geschichte in ein günstigeres Licht zu rücken. Vor beschämenden Ereignissen werden Sichtschutzblenden aufgestellt. Bei den anderen wird umgedeutet.

[...]

Solche gnädige Neubetrachtung oder Umdeutung wird den Deutschen nicht gestattet. Das verhindert die zur Zeit in Deutschland dominierende politische Klasse und Wissenschaft mit allen Kräften.


Genau. Die Franzosen, die Amis, die Russen, mithin jedes andere Volk der Welt betrügt sich selbst, indem es sich seine eigene Vergangenheit rosig darstellt. Dies ist ein solch wundervolles Verhalten, daß auch die Deutschen es übernehmen sollten. Ich z.B. als gebürtiger Türke fühle mich so richtig geil, weil die Türken ihren Völkermord an den Armeniern gar nicht erst akzeptieren, sondern als Selbstverteidigung darstellen. Ja, das macht mein Leben und das aller Türken so viel besser. Da sind die Deutschen in der Tat zu bemitleiden, daß sie als eines der wenigen Nationen den Mut haben, ihre Vergangenheit kritisch zu beäugen.


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Auf diesem Hintergrund stelle ich die provozierende Frage: Gibt es auch beim jüdischen Volk, das wir ausschließlich in der Opferrolle wahrnehmen, eine dunkle Seite in der neueren Geschichte oder waren Juden ausschließlich die Opfer, die Leidtragenden?


Zum wiederholten Mal: Es gibt KEIN jüdisches Volk.


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es wird Sie überraschen, daß der amerikanische Autokönig Henry Ford 1920 ein Buch mit dem Titel "The International Jew" herausgegeben hat. Dieses Buch hat in den USA eine Auflage von 500.000 Exemplaren erlebt. Es wurde ein Weltbestseller und in 16 Sprachen übersetzt. Darin prangert Ford die Juden generalisierend als "Weltbolschewisten" an.


Abgesehen davon, daß dieser viel gerühmte jüdische Bolschewismus zu denjenigen Legenden gehört, mit denen der Otto-Normal-Antisemit seine Argumentation nährt (Legende, weil erstens selektiv und überzogen dargestellt, und zweitens ohne die Vorgeschichte - sprich Verfolgung der Juden - zu betrachten), sollte nicht außer Acht gelassen werden, daß Herr Hohmann hier mit Henry Ford einen ausgesprochenen Antisemiten zitiert. Das ist in diesem Zusammenhang als Informationsquelle in etwa so sinnvoll, wie Kritik an die SPD auf die Aussagen der CDU zu gründen. (Kleines Beispiel: Eine von Ford's Quellen waren die sog. Protokollen der Weisen von Zion - eine Schmähschrift über das Judentum, welche mittlerweile als Fälschung bekannt ist.)


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P.S. Seitenzahlen ohne nähere Angabe beziehen sich auf das Buch "Jüdischer Bolschewismus" Mythos und Realität von Johannes Rogalla von Bieberstein.


Über dieses Buch: "Und er suggeriert im Sinne Ernst Noltes eine mittelbare Verantwortung jüdischer Kommunisten für die Folgen des antisemitischen Wahns der Nationalsozialisten" (Quelle: http://www.sehepunkte.historicum.net/2003/06/3289.html)
Das ist nur ein Zitat von vielen, vielen, die man finden kann, wenn man nur ein bißchen sucht. Fakt ist, daß Ernst Nolte wohl ein sehr lobendes Vorwort zu jenem Buch geschrieben hat, und daß von Bieberstein sehr mit Noltes Gedanken sympathisiert - Ernst Nolte, der den berüchtigten Historienstreit anfing, wird dahingehend interpretiert, daß Hitler und seine Schergen den Holocaust durchgeführt hätten, weil sie sich bedroht fühlten.
Also, hier haben wir noch eine wundervolle Quelle für einen Bundestagsabgeordneten.


Und dann geht es weiter mit der Aufzählung, wieviele Juden in den verschiedenen Ebenen der bolschewistischen Revolution vertreten waren. Daß es dabei nicht um das Judentum ging, sondern wohl doch eher handfeste politische Gründe im Vordergrund standen, wird nicht beachtet. Schließlich kommen wir zu folgender vorübergehender Zusammenfassung:

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Zweifellos waren diese Äußerungen kommunistischer jüdischer Revolutionäre keine leeren Drohungen. Das war Ernst. Das war tödlicher Ernst. Nach einer von Churchill 1930 vorgetragenen statistischen Untersuchung eines Professors sollen den Sowjets bis 1924 folgende Menschen zum Opfer gefallen sein: 28 orthodoxe Bischöfe, 1.219 orthodoxe Geistliche, 6.000 Professoren und Lehrer, 9.000 Doktoren, 12.950 Grundbesitzer, 54.000 Offiziere, 70.000 Polizisten, 193.000 Arbeiter, 260.000 Soldaten, 355.000 Intellektuelle und Gewerbetreibende sowie 815.000 Bauern.


Na, wenn das so ist (wenn es so ist), dann können wir ja verstehen, daß Hitler im Gegenzug ein paar dieser bösen Juden vergast hat. Stellt Euch mal vor, am Ende hätten sie tatsächlich die Weltherrschaft an sich gerissen! Das wäre mal was gewesen, gell?!


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Mit einer gewissen Berechtigung könnte man im Hinblick auf die Millionen Toten dieser ersten Revolutionsphase nach der "Täterschaft" der Juden fragen. Juden waren in großer Anzahl sowohl in der Führungsebene als auch bei den Tscheka-Erschießungskommandos aktiv. Daher könnte man Juden mit einiger Berechtigung als "Tätervolk" bezeichnen. Das mag erschreckend klingen. Es würde aber der gleichen Logik folgen, mit der man Deutsche als Tätervolk bezeichnet.


In der Tat, das klingt erschreckend - nämlich erschreckend bescheuert. Daß kein ernstzunehmender Mensch die Deutschen als Tätervolk bezeichnet, wurde schon erwähnt; auch daß die "Juden" kein Volk sind (er selbst redet von den Juden Deutschlands, Rußlands und Ungarns z.B.). Aber selbst wenn man die Deutschen als Tätervolk bezeichnet und gleichsam auf der Suche nach Erklärungen darauf kommt, daß auch die "Juden" - welche auch immer - ein Tätervolk darstellen, müßte man dieser Logik folgend weitermachen und erläutern, welche Tätervölker es noch gibt. Dann würde man nämlich - zwar immer noch blödsinnigerweise vom falschen Begriff des Tätervolks ausgehend - nicht bloße Einzelbeispiele betrachten, sondern diese Einzelbeispiele wenigstens ansatzweise in den Kontext der Geschichte stellen. Dann wiederum hätte man endlich mal was sinnvolles geleistet - denn man kann einzelne Kapitel der Geschichte wohl kaum ohne den Zusammenhang ihrer Vergangenheit erschließen. Das ist schlichtweg unmöglich.


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wir müssen genauer hinschauen. Die Juden, die sich dem Bolschewismus und der Revolution verschrieben hatten, hatten zuvor ihre religiösen Bindungen gekappt. Sie waren nach Herkunft und Erziehung Juden, von ihrer Weltanschauung her aber meist glühende Hasser jeglicher Religion. Ähnliches galt für die Nationalsozialisten. Die meisten von ihnen entstammten einem christlichen Elternhaus. Sie hatten aber ihre Religion abgelegt und waren zu Feinden der christlichen und der jüdischen Religion geworden. Verbindendes Element des Bolschewismus und des Nationalsozialismus war also die religionsfeindliche Ausrichtung und die Gottlosigkeit.


Aber da schau her! Vergessen sind die Juden als Juden - jetzt sind sie gar keine Juden mehr, sondern nur noch religionslose Berserker! Zuerst kritisiert Herr Hohmann die "Juden" und bezieht sich damit implizit und explizit auf die Glaubensgemeinschaft, um in derselben Rede noch eine 180°-Wnede hinzulegen und den Glauben aus dem Kreise der Verpönten hinaus zu katapultieren. Was ist jetzt noch vom Gesagten übrig? Sind es jetzt die Juden, die die Greueltaten der russischen Revolution zu verantworten haben? Oder sind es doch gottlose Psychopathen, die so böse mordend durch Europa gezogen sind?


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Alles in allem kann ich über diese Rede zusammenfassend folgendes sagen: Abgesehen von der Tatsache, daß manche Dinge nur so weit erwähnt werden, wie sie dem eigenen Standpunkt verhelfen, und daß wohl einige geschichtlich zweifelhafte Aussagen gemacht werden, ist formal nichts falsch an der Rede. Das eigentliche Problem ist aber, der Ungeist, der von dieser Rede ausgeht. Jeder ist frei in der Wahl seiner Quellen, aber wenn ich im Grunde genommen nur Antisemiten zitiere und dazu noch die althergebrachten Legenden wiederkaue, wenn ich - zum Teil selbstverständlich nur zwischen den Zeilen und damit höchstens subjektiv - wohlbekannte Stimmungen gegen das Judentum anfache, dann mache ich mich unhaltbar als Volksvertreter für ein Land, das ich persönlich zu den fortschrittlichsten welchen zu zählen pflegte.
Aber was mich wirklich traurig macht, ist nicht Herr Hohmann und seine Rede, sondern die leise und bisweilen auch laute Zustimmung der Menschen. Es geht mir nicht um Juden oder Kommunisten. Es geht schlichtweg um die Freiheit in Deutschland. Und leider Gottes ist der Antisemitismus (in den 90er Jahren stärker die Ausländerfeindlichkeit) ein Maß dieser Freiheit - Wenn nicht nur eine Handvoll Deppen solch eine schwachsinnige Rede gutfinden, sondern eine einigermaßen große Masse and durchschnittlichen Menschen auch.

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Nigel Powers: "There are only two things I can't stand in this world. People who are intolerant of other people's cultures... and the Dutch!"